Songwriting früher und Heute

[mathiasbx]

@SoulFrontier - Da hast du Recht. Der Bereich Indie-Rock-Pop ist auch das was ich inzwischen hauptsächlich höre, weil hier eben auch noch Musik gemacht wird und nicht Sample-Dosen-Musik zusammengebastelt wird.

Auch deine Band-Beispiele würde ich nicht in die Kategorie Mainstream einfach einsortieren.

Wobei es auch weniger die Bands, als vielmehr die Einzelkünstler sind. Ich würde auch Pink nicht direkt in diese Mainstream-Gruppe einsortieren... aber vielleicht ist das auch das besondere. Es gibt halt singende Musiker und es gibt die, die rein für die Vermarktung produziert werden.. und da zählt nur der Moment und die Zahlen.

 

[stereolli]

Hallo Zusammen,

mir ist mal wieder beim hören von Mainstream-Musik aufgefallen, dass die heutigen Produktionen oft sehr viel mehr Details haben, wie die Songs noch vor 20-50 Jahren hatten. Dafür aber trotzdem deutlich eintöniger Klingen (ich spreche hier von so typischer Radio-Musik)

Heute wird sehr viel mit Feinheiten gearbeitet, mit vielen Effekten und Sounds die nur einmal in einem Song vorkommen. Bei älteren Songs habe ich mehr das Gefühl, dass die Musik der Strophen nahezu immer gleich ist und es eher klingt, als wenn mit Copy-Past gearbeitet wurde.

Wie seht Ihr das? Habe ich da einen falschen Eindruck? Ist es heute aufwändiger, einen Song zu produzieren?

Das Problem ist doch eigentlich, dass es alles bereits gibt und man versucht durch Sounddesign, einen Song "anders" wirken zu lassen.
Nimmst du "nur" eine Westerngitarre und singst dazu, dann hast du gute Chancen, dass du etwas bringst, was irgendwer bereits von woanders kennt.

 

[SilentWarrior]

Hallo Zusammen,

mir ist mal wieder beim hören von Mainstream-Musik aufgefallen, dass die heutigen Produktionen oft sehr viel mehr Details haben, wie die Songs noch vor 20-50 Jahren hatten. Dafür aber trotzdem deutlich eintöniger Klingen (ich spreche hier von so typischer Radio-Musik)

Heute wird sehr viel mit Feinheiten gearbeitet, mit vielen Effekten und Sounds die nur einmal in einem Song vorkommen. Bei älteren Songs habe ich mehr das Gefühl, dass die Musik der Strophen nahezu immer gleich ist und es eher klingt, als wenn mit Copy-Past gearbeitet wurde.

Wie seht Ihr das? Habe ich da einen falschen Eindruck? Ist es heute aufwändiger, einen Song zu produzieren?

Ist wie mit den Filmen, heute keine Handlung nur Effekte.

 

[moon-dog]

Zum Thema Songs komponieren und texten.
In meinem Bereich, Singer/Songwriter, indie Rock Pop da gibt es auch heute fantastische Songs.
Die Garde der aktuellen Leute da mit Ezra und all den anderen ist doch top!
Oder nimm Bands wie walking on cars, moon Taxi, imagine dragons... es gibt doch tausende erfolgreiche aktuelle Bands, die viele fantastische Songs abliefern.

Da bist du dann offenbar deutlich begeisterungsfähiger als Ich. Da ich die alle nicht kenne, habe ich kurz ´reingehört. Wenn man es mag .. okay. Aber "top" und "fantastisch"?

 

[SoulFrontier]

Aber "top" und "fantastisch"?

Nicht jeder Song! Aber die und viele andere aktuelle Bands oder Einzelacts liefern auch momentan Songwriting auf gutem bis hohem Niveau.
Alles bleibt immer Geschmack!

 

[moon-dog]

Nicht jeder Song! Aber die und viele andere aktuelle Bands oder Einzelacts liefern auch momentan Songwriting auf gutem bis hohem Niveau.
Alles bleibt immer Geschmack!

Ja klar ist das auch immer Geschmackssache. Und das es teils auch gutes und sogar hohes Niveau gibt bezweifel ich ja auch gar nicht. Aber so absolute Top Leute? So ganz große?

 

[jet2]

früher hat man sich noch gedanken gemacht.
heute muß alles schnell gehen.

sorry, war nur ein scherz...

 

[Turquoise]

Das genaue Gegenteil ist der Fall! Denn nur im live Betrieb, auf der Bühne und vor zahlendem Publikum lässt sich großes Geld mit einem Act verdienen.
Schlechte Sänger??? Im Bereich Mainstream Pop? Bring da mal konkrete Beispiele. Aktuelle, nicht Madonna zB.

Zum Thema Songs komponieren und texten.
In meinem Bereich, Singer/Songwriter, indie Rock Pop da gibt es auch heute fantastische Songs.
Die Garde der aktuellen Leute da mit Ezra und all den anderen ist doch top!
Oder nimm Bands wie walking on cars, moon Taxi, imagine dragons... es gibt doch tausende erfolgreiche aktuelle Bands, die viele fantastische Songs abliefern.

Ich denke, der Knackpunkt ist ein anderer:

der große und wundervolle Kanon des Pop (und Rock) ist im Prinzip abgeschlossen. Es kommen zwar noch neue gute Songs, aber sie werden nicht mehr Teil des Kanon. Genau, wie heute zwar noch gute Jazzstücke und manchmal sogar noch eine gute klassische Komposition geschrieben, aber so gut wie nicht mehr Teil des Kanon (Great American Songbook / bekannte Stücke der Klassik und Romantik) werden.

Wir hatten das unbeschreibliche Glück, in einer Zeit zu leben, in der der Kanon noch geöffnet war und wir miterleben durften, wie ihm Stück und Stück hinzugefügt wurde. Alles Klassiker aus heutiger Sicht.
Diese Zeit ist vorbei. Das heißt nicht, dass keine guten Songs mehr geschrieben werden.

Deshalb bin ich ja so dafür, dass Musiker danach suchen solltenn, wie es in der Musik weitergehen könnte, was es noch Neues gibt. Auf ins Terra Incognita. Mutige voraus!

 

[Dodo_I]

Guter Thread !
Gute Diskussion !

 

[Kassette]

Mir scheint es noch etwas ungenau, ob über Songwriting und Komposition (als Grundgerüst eines Songs) oder Arrangement (als Verzierung/Ausschmückung) gesprochen wird.
Ersteres ist das, was übrig bleibt, wenn man einen Song auf seine Substanz runter bricht.
Ist das wirklich simpler als früher? Mal von Loop basierter Musik und Sprechgesang abgesehen...

Je nachdem, welches “früher” gemeint ist,
Wenn wir nur populäre Unterhaltungsmusik betrachten, war das schon immer mehr oder weniger simpel.
Ich kann mich noch erinnern, dass bereits mein Großvater (selber Zeit seines Lebens Pianist und Sänger) dasselbe gesagt hat ûber die Beatles und Folgende.
Er hatte eine fundierte klassische Ausbildung, hat aber selbst Tanzmusik der 1920er bis 50er Jahre gespielt. Auch die war eher simpel, wenn auch klassischer angelegt.

Im Endeffekt ist es wohl normal, dass die gesamte Popmusik simpel ist, egal aus welcher Zeit. Im Prinzip ist das ja alles Volksmusik, mehr oder weniger aufwändig gepimpt.

Im Gegensatz zu ursprünglich elitärer klassischer Musik, die und deren Erzeugung und Wiedergabe wenigen vorbehalten weil aufwändig war. Dickes Orchester usw. zur Reproduktion nötig...

Die überwiegende Mehrzahl jeglicher Popmusik hat simple und direkt emotionale Wurzeln (Blues, Volkslieder) und muss sofort die Emotionen ansprechen, ergo simpel sein.
Wer da ausbrechen will, muss zunächst mal die Wurzeln abschneiden. Mit dem Risiko, dass niemand das hören will Erstmal.
Außerdem, betrachten wir nur westliche Musik?
Was ist denn mit orientalischer oder asiatischer Pop-Musik? Denke schon dass die auch simpel ist, auch da geht es vorrangig um Rhythmus.

 

[TheButcher]

Man kann den Musikern auch nur bedingt Vorwürfe machen.
Früher konnten auch mittelgroße Bands gut von ihrer Musik leben; heute wird schwer wenn man nicht covert oder rihanna heißt.

Die Akzeptanz und das Interesse für Innovation im Bereich Musik ist schon sehr begrenzt.
Alles tendiert zum Mittelwert, zur bequemen Norm, zu den maximalen likes: alles wird verkommerzialisiert. Daneben gibts eigentlich nix; was traurigerweise auch irgendwie Sinn macht; weil die "counter culture" sich ja eigentlich gegen bestehende Verhältnisse (auf künstlerischen Ebene) aufbegehren sollte. Dafür gibts momentan aber kein Publikum, und wer nicht mitspielt muss draußen bleiben.

 

[mjmueller]

Pop-(Volk)-Musik war immer schon ein Produkt und wurde als solches gestaltet und vertrieben. Es ging und geht darum, damit Geld zu machen. Auch wenn wir gerne unseren "Lieblingen von früher" mehr Kunst und weniger Kommerz unterstellen möchten: auch die haben Geld damit machen wollen und gemacht.
Daher finde ich TheButcher's Aussage ganz wichtig. Vermutlich war vor sagen wir 50 Jahren der Spielraum insgesamt größer, auch im Hinblick auf die Akzeptanz bei den Hörern/innen.
Das ist heute nicht anders, nur eben gestaltet es sich anders, die Markbedingungen sind andere, die Hörgewohnheiten sind andere ... und: die Musikindustrie hat nicht mehr die Monopolstellung, die sie einst hatte.

 

[Turquoise]

Im Endeffekt ist es wohl normal, dass die gesamte Popmusik simpel ist, egal aus welcher Zeit.

Ich würde sogar sagen, alle Musik ist (harmonisch gesehen) nie schwerer, als mittelschwer. Das Meiste lässt sich auf relativ simple Akkordzusammenhänge herunterbrechen - auch in Klassik und Jazz.

Ich denke, der Unterschied zu früher ist, dass früher die Melodie schöner war, dass da mehr Erfindungsgeist rein investiert wurde. Bin neulich mal wieder über Moon River von Henry Manchini gestolpert - wie schön das doch ist... Da kannst du weggehen und es vor dich hinsummen, weil der Melodiebogen weit gespannt ist und einen in sich stimmigen Sinn ergibt. Das geht mi den heutigen zerhackten Phrasen aus zwei Tönen nicht mehr.

 

[Kassette]

früher die Melodie schöner war

Denke der Fokus liegt heut einfach mehr auf Rhythmik, Melodien sind nur noch gelegentliches Beiwerk. Jahrzehnte Sprechgesang haben halt ihre Spuren hinterlassen.
Dazu ist der Rhythmus maximal tanzbar = minimal komplex.

 

[Hyp]

Deshalb bin ich ja so dafür, dass Musiker danach suchen sollten, wie es in der Musik weitergehen könnte, was es noch Neues gibt. Auf ins Terra Incognita. Mutige voraus!

Neues für westliche Ohren findet sich ja schon im Alten - in der Musik anderer Kulturen. Mikrotonalität erreicht z.B. seit Ewigkeiten die Massen - nur im Westen verbaut die Prägung offenbar den Menschen, davon getriggert zu werden.
Oder noch grundsätzlicher, wie Aphex Twin mal sagte: Die westliche Welt ist heute gehirngewaschen von der temperierten Stimmung.

 

[Turquoise]

Neues für westliche Ohren findet sich ja schon im Alten - in der Musik anderer Kulturen. Mikrotonalität erreicht z.B. seit Ewigkeiten die Massen - nur im Westen verbaut die Prägung offenbar den Menschen, davon getriggert zu werden.
Oder noch grundsätzlicher, wie Aphex Twin mal sagte: Die westliche Welt ist heute gehirngewaschen von der temperierten Stimmung.

Vielleicht. Nur mit dem gemeinsamen Musizieren wird es dann schwer. Das ist eben die große Errungenschaft unseres Tonsystems, dass sich damit sehr gut Harmonien bauen lassen und damit eben auch vielstimmige Besetzungen.
Mikrotonalität ist mMn ein Weg in radikale Individualisierung und Vereinzelung von Instrumenten. Mehere zusammen geht dann nur noch als Percussion-Gruppe. Wäre also von der Blickrichtung eher ein Weg zurück zu den Anfängen.

 

[Hyp]

als Percussion-Gruppe. Wäre also von der Blickrichtung eher ein Weg zurück zu den Anfängen.

Für westliche Musik bedeutet das nicht zurück zu den Anfängen. Und Fortschritt bezieht doch wohl auch Updates/Upgrades und Rekontextualisierung des Bisherigen (in diesem Fall aus anderen Kulturen) ein.
Also das "Great Microtonal Songbook" des Westens liegt noch unbeschrieben offen.
Ich schätze aber, es müssen sich dafür erst noch einige hundert Jahre die Kulturen vermischen, und man kann dann womöglich auch nicht mehr von einem "Westen" wie bisher reden.

 

[moon-dog]

Also das "Great Microtonal Songbook" des Westens liegt noch unbeschrieben offen.

Mag sein. Das ist mir aber zu kopflastig in der Argumentation. Kulturelle Dinge entwickeln eher nicht in dieser Form vorher geplant.

 

[SoulFrontier]

der große und wundervolle Kanon des Pop (und Rock) ist im Prinzip abgeschlossen. Es kommen zwar noch neue gute Songs, aber sie werden nicht mehr Teil des Kanon.

Ich finde das ist eine sehr gute Erklärung bzw. Theorie!
Klar, die alten Pop Klassiker aus den achtziger Jahren SIND große Klasse, aber aber... seit bald vierzig Jahren nun dudelt das Radio diese ewig gleichen Songs. Ein Wahnsinn ist das!
Und garantiert geht das die nächsten Jahrzehnte so weiter

 

[Carcinome]

Als das Radio noch das Medium Nr. 1 war, um Musik bekannt zu machen, hatten die Songs noch ein Intro, dass als "Rampe" diente, in die die Radio DJs reinlabern konnten. In Streaming-Zeiten gilt es, die 30-Sekunden-Grenze zu knacken, weil alles darunter als Skipping bzw. als "nicht gekauft" gewertet wird. Deshalb fangen viele Songs jetzt gleich mit dem Chorus an

Galt das auch noch 1964?