Früher da

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Geht es wirklich ums Verstehen?
Ich denke schon. Sonst wäre doch das Leben sinnlos.

Früher habe ich in der kneipe in größerer Runde manchmal angeregt, das jeder für sich die Weinflasche auf dem Tisch 5 Minuten auf Papier beschreibt. Die Ergebnisse waren extrem spannend: der Eine vergaß den Inhalt, der Andere das Etikett, der Dritte die Farbe... kognitive Psychologie, ein Krimi für Autoren.
Eine interessante Spielerei für zwischendurch. Aber nicht die gleiche Kategorie wie wenn sich jemand zu Hause hinsetzt und sich etwas noch nie Dagewesenes aus Hirn und Herz herauszuleiern versucht, das man dann vielleicht hoffentlich Kunst nennen kann.

Nichts menschliches ist mir fremd. Aber Chaos ist mir dann wohl doch etwas vertrauter. ;-)
Menschlich vs. Chaos?

Auch interessant... ;-)
 
turquoise schrieb:
ich würde auch erzählerischer schreiben, wenn ich Gedichte verfassen würde. Einfach, weil mir die Grundstruktur aus Subjekt-Prädikat-Objekt und einer Handlung gefällt.
Subjekt-Prädikat-Objekt - Fuck, ich habe tatsächlich die meisten Subjekte ausgespart! Vielleicht daher die Assoziation Grönemeyer. So wollte ich vor 30 Jahren schon schreiben und konnte nicht. Und nun unterläuft mir das automatisch und dann bist du zur Stelle...! ;-)

Handlung? ich kenne Handlungen mit wenig Emotionen und Emotionen mit wenig Handlung. Das hier sind Abschiedsworte. Da fällt nur noch eine Tür ins Schloß und Tränen rollen nach innen. - Hab ich allerdings auch schon oft atmosphärisch beschrieben. Vielleicht sogar schon zu oft. Man kann sich ja auch in Handlung verlieren. Irgendwann is einfach Schluß. Muß ich weiter drüber nachdenken.

Geht es wirklich ums Verstehen?
turquoise schrieb:
Ich denke schon. Sonst wäre doch das Leben sinnlos.
Ah... Für mich ist es völlig normal, dass sich Menschen misszuverstehen. Wir überschätzen wohl eher das Ausmaß des Verstehens, sind aber glücklicherweise Wesen, die selbst aus bösen Missverständnissen versehentlich noch etwas Gutes machen. - :) Daher bis zum Schluß diese "wie gern"... ich suche in der Kunst weniger Verstehen als Vertrauen.
Früher habe ich in der kneipe in größerer Runde manchmal angeregt, das jeder für sich die Weinflasche auf dem Tisch 5 Minuten auf Papier beschreibt. Die Ergebnisse waren extrem spannend: der Eine vergaß den Inhalt, der Andere das Etikett, der Dritte die Farbe... kognitive Psychologie, ein Krimi für Autoren.
turquoise schrieb:
Eine interessante Spielerei für zwischendurch. Aber nicht die gleiche Kategorie wie wenn sich jemand zu Hause hinsetzt und sich etwas noch nie Dagewesenes aus Hirn und Herz herauszuleiern versucht, das man dann vielleicht hoffentlich Kunst nennen kann.
Für mich sind solche Erkenntnisse im Spiel genau so einmalig wie die des Texterprozess. Sie ähneln sich sogar total. Kunst wird für mich mit den Jahren immer mehr Spiel mit Missverständnissen. Ein wunderbares Spiel, dass mich im besten Falle mit dem Leben versöhnt.
Nichts menschliches ist mir fremd. Aber Chaos ist mir dann wohl doch etwas vertrauter. ;-)
turquoise schrieb:
Menschlich vs. Chaos?

Auch interessant... ;-)

Ich fürchte, das nächste Missverständnis droht ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi @Turquoise

Meiner Meinung nach rangiert die Musik in der Wichtigkeit über dem Text. D

..das glaube ich nicht. Obwohl ich ja auch eher von der Musikseite komme, denk ich, dass bei aller Kraft, die Musik haben kann, Worte Menschen auf eine Weise erreichen können, die den Tönen verwehrt bleibt.

Und ich mag kein Chaos. Ich mag Ordnung. Meinetwegen auch eine Ordnung, die nur ich selbst verstehe
..wobei mir der Nachsatz wichtig erscheint, denn dem was ich von dir kenne, wohnt schon eine gewisse Wildheit inne;-)
 
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Hi @artname,

Aber ich bin (nachgefügt: leider) professioneller Texter.

Mal indiskret nachgefragt. Was wärst du gerne?
Komponist? Drummer? Keyboarder? Ich schätze mal Gitarrist, der das Ganze aus der zweiten Reihe lenkt und ab und an singt;-) Wie John Lennon?
 
Hallo mWermut,

also, Komponist, Gitarrist und Sänger bin ich auch. - Ich hatte das "leider" nachträglich eingefügt, da ich immer seltener für und auf der Bühne musiziere, weil mich mein Texterjob echt auslastet.

Wenn du mich so fragst, dann wäre ich gern noch ein erfahrener Drummer. so dass ich alle Rhythmen auf Anhieb notieren könnte. Ich bin beim Schreiben stark rhythmusorientiert. was man vielleicht auch den Zäsuren entnehmen kann.

Ich habe Turquoise so verstanden, dass ihm als Autor die Musik die wichtigeren Anregungen zum Kreieren vermittelt. Und gebe ihm da weitgehend recht. Texte sind auch für mich die Diener der Musik. Musik hat einfach die ehrlichere Botschaft, denn keiner muß sich für Töne schämen. Die Kritikern suchen meisten den Text als schwarzes Schaf. - deshalb scheinen mMn auch viele sprachgewandte Musiker vor dem Texten zurück zu schrecken. ;-)

Und ich vermute, Musik und Text entstehen auch in verschiedenen Hirnregionen.

Edit:: Auch John Lennon sehe ich anders. Der agierte mMn nicht aus der zweiten Reihe. Der war mMn der Leader der Band. Nur fehlte ihm Pauls Charme. Und Charme überzeugt weibliche Fans leichter als Weltverbesserungsgesten. Das zwang John mMn zur legendären Co- Partnerschaft mit Paul. ;-)
 
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Ich sage Dinge gerne, anstatt sie offen und nur der Fantasie des anderen zu überlassen, weil ich gerne verstanden werden möchte und mir das Risiko beim Anheimgeben der Fantasie des Anderen zu groß ist, dass da etwas dabei heraus kommt, was ich nie beabsichtigt hatte.
Das "Verstanden werden" ist aber das Risiko von Kommunikation an sich und darin besteht ihr grundsätzlicher Zweck. Humor ist das beste Beispiel für dieses "Spiel" mit dem Risiko, denn niemand kann mit Sicherheit voraussagen, ob das Publikum wirklich lacht. Man spielt immer mit etwas implizit Bekanntem und bricht dann die sich einstellende Erwartung. Im Idealfall löst sich diese buchstäbliche "Enttäuschung" in entspannendem Gelächter. Aber weiß man es vorher? Der Witz an der Sache ist die Aktivierung des Gegenübers: dieses "Ah, ich weiß, was du meinst" (oder "worauf du hinaus willst"). Das ist das beste Mittel, um über die Dauer der aktuellen Kommunikation hinaus im Gedächtnis zu bleiben. Begnügt man sich nur mit dem Expliziten, verschenkt man Nachhaltigkeit und Überzeugungskraft.
 
@ Teestunde: Klingt, als ob dir dieser Text nicht gefällt?
Nicht sauer sein, aber ich hab da irgendwie ein Brett vorm Kopf. Werde den Text zwischendurch immer mal lesen, vielleicht platzt bei mir noch der Knoten. :)
 
Obwohl ich ja auch eher von der Musikseite komme, denk ich, dass bei aller Kraft, die Musik haben kann, Worte Menschen auf eine Weise erreichen können, die den Tönen verwehrt bleibt.
Es kann aber auch genau das Gegenteil passieren, dass nämlich die Musik Gefühle hervorruft, die sich nicht in Worte fassen lassen; ähnlich wie Filme oder Bilder.

Ich wage mal zu behaupten, dass die Mehrheit der Konsumenten in erster Linie auf die Musik hört und nicht auf den Text. Es gibt Ausnahmen, diese sind in erster Linie aber wohl bei den Liedermachern zu finden, gelegentlich auch im Pop- und/oder Rock-Bereich.
 
@Kosaken-Kaffee, ich würde das gerne für eine Fehlinterpretation vor dem Hintergrund eines fremdsprachig dominierten Musikmartes halten. Andererseits gibt John Seabrook in "The Song Machine" Hinweise darauf, dass sich der Text in der englischsprachigen Pop-Musik immer mehr zum sprachlichen Begleitgeräusch entwickelt. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass man sein Publikum nie von vornherein unterschätzen sollte. Wenn ein "Song-Produkt" durch ein gelingendes Textverständnis erfolgreicher werden kann, sollte man daran nicht sparen. Der Rest ist künstlerriches (oder unternehmerisches) Risiko.
 
Lieber rho, ich stimme dir zum größten Teil und natürlich sehr gern zu. ;-) Alles scheinbar Gute ist mit erhöhtem Risiko verbunden. Die Anspielung gehört dazu.

Aber ich verstand turquoise durch die Blume auch so, dass er Texte ohne stimmiges Storytelling für oberflächlicher hält. Er findet den Text ja nicht schlecht, nur für ihn eher uninteressant. Und irgendwie kommt er dir da mit deiner nicht so reichen Assoziationsgirlande ja irgendwie nahe.

Ich gebe zu, dass mich Springsteen, Dylan oder Newman bereits beim Lesen überzeugen. Rhiannas Texte erst beim Hören. Und Sehen!!! Das ist wahrscheinlich ein wichtiger Fakt. Erstere sind keine Videointerpreten. Rhianna schon.

Manche meiner Partner verweisen mich aber auf diese Videos. Sie planen eigene Videos. Dann kann ein plakativer Songtext dem Projekt dienlicher sein, als man im ersten Moment denkt. Das sind einfach Entwicklungen, die historisch gesehen wirklich neu sind für die Lyrics und Lyrik!

lieber Kosake,

Es kann aber auch genau das Gegenteil passieren, dass nämlich die Musik Gefühle hervorruft, die sich nicht in Worte fassen lassen; ähnlich wie Filme oder Bilder.

Richtig. In Worte kann man mMn zwar alles fassen . aber sagen wir, sie lassen sich leichter mit Bildern und Musik ausdrücken.

Dass Zuhörer nicht auf Texte, sondern Musik achten, ist aber eine Mär! Sobald die Texte verständlich sind, geben die Menschen auch ein Feedback. Liest du keine Youtubekommentare?!

lg@ all
 
Zuletzt bearbeitet:
Andererseits gibt John Seabrook in "The Song Machine" Hinweise darauf, dass sich der Text in der englischsprachigen Pop-Musik immer mehr zum sprachlichen Begleitgeräusch entwickelt.
Diese Tendenz sehe ich auch. Ich will nicht den Miesepeter spielen, aber die Mehrheit bewertet Musik immer noch nach der Musik selbst, nicht nach dem Text.

Wenn ein "Song-Produkt" durch ein gelingendes Textverständnis erfolgreicher werden kann, sollte man daran nicht sparen.
Absolut.
 
Das Thema habe ich verstanden, aber in letzter Konsequenz dann doch nicht.

"den Berg nicht rauf. Kein Gipfel - nein!" und dann "Doch ich bin früher da"
Diesen Spagat bekomme ich nicht hin. Aber vielleicht denke ich zu kompliziert?
 
Nochmal Kosake, ich lese gerade Rhiannakommentare ... und die Fans sprechen voll die Inhalte an. Dieses Text/ Musik-Ding ist eine Frage der Textverständlichkeit.

Das ändert sich auch gerade voll durch youtube und googleübersetzungen. Nur bewerten die user nicht mehr komplette Texte, sondern eher hooks. Wenn da jemand schreibt: Ich hätte den Typen auch in die Wüste geschickt, meint der nicht die Musik. Aber man schreibt eben auch nicht mehr nur: geiler Text. Die Reaktionen werden differenzierter!

Zu meinem Text:
den Berg nich rauf?! Kein Gipfelerlebnis?! Nich mit mir:

Ich trenne mich!
Du auch?(Du fühlst wie ich?)
Doch ich bin früher da! (an diesem Punkt der Entscheidung)

Du denkst nicht zu kompliziert. Du brauchst vermutlich den kompletten Song! Oder nennen wir es: die Musik. Da ich seit Jahrzehnten Texte schreibe, lese ich auch die lyrics anders. Wo ich beim Lesen nichts verstehe, ahne ich reizvolle Lösungen über die Musik. Hier will ich sie mit meiner Diktion dem Komponisten glatt aufs Auge drücken!
 
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  • Danke
Reaktionen: rho
Das ändert sich auch gerade voll durch youtube und googleübersetzungen.
Danke @artname, sehr guter Hinweis, obwohl das idiomatische Grenzen hat. Ich habe mich mal durch den Text "Humble" von Kendrick Lamar gekämpft, auch mit google und Konsorten mit mäßigem Erfolg, zu viel Slang.
 
Wenn da jemand schreibt: Ich hätte den Typen auch in die Wüste geschickt, meint der nicht die Musik. Aber man schreibt eben auch nicht mehr nur: geiler Text. Die Reaktionen werden differenzierter!
Sowas muss nicht allein dem Text geschuldet sein. Es kann auch sein, dass die Musik einfach so belanglos ist, dass es sich nicht mehr lohnt, darüber zu reden.
 
Ja, mein lieber rho,

wir reden hier oft in der Haltung das letzten Jahrhunderts über Lyrics. Ich lasse mir heute täglich 10-15 Texte von Google übersetzen. zusammen mit meinem Schulenglisch dauert das Lesen 3-5 Minuten / Text.

Auf Lyrics hinzuweisen ist Kult geworden. Siehe die vielen betexteten Videos auf Youtube. Und die wiederum werden oft kommentiert. aber wir Menschen plappern eben gern nach, auch dann noch, wenn sich die Dingen buchstäblich vor den Augen verändern.

Lyrics setzen sich durch. und verlieren trotzdem an Besonderheit, weil die ganze Welt auf allen Kanälen zwitschert wie noch niemals vorher. Aber das sind alles Einzelsapekte.

@Turquoise

Du meinst die User kommentieren teilweise die lyrics, weil denen die Musik in diesem Fall zu banal ist? Na, wenn du das so sehen willst...

So, Freunde der Musik: ich wünsch Euch allen ein frohes Fest und einen guten Rutsch!
 
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wenn du das so sehen willst...
Ich will es nicht so sehen, sondern meine, dass es eine Möglichkeit ist.

Durch die Kommunikations- und Medienwissenschaft ist das Phänomen der Rezeptionsschwelle belegt. Es gibt eine untere und eine obere Rezeptionsschwelle. Sprich - ist etwas zu anspruchslos, schaltet der Rezepient ab. Ist ihm etwas zu "hoch", ebenfalls.
 
..das glaube ich nicht. Obwohl ich ja auch eher von der Musikseite komme, denk ich, dass bei aller Kraft, die Musik haben kann, Worte Menschen auf eine Weise erreichen können, die den Tönen verwehrt bleibt.
Letzteres ganz sicher.
Und dennoch glaube ich, dass man zu einer fesselnden Musik jeden Scheiß singen könnte - es bliebe trotzdem ein fesselndes Lied/Stück.
Einen hervorragenden Text kann man aber durchaus musikalisch so unansprechend präsentieren, dass er nur die ohnehin textaffinen Hörer erreicht. (Wobei ich mich da auch täuschen kann; möglich dass Texte so gut sein können, dass sie immer "funzen".)

wobei mir der Nachsatz wichtig erscheint, denn dem was ich von dir kenne, wohnt schon eine gewisse Wildheit inne;-)
Ich nehme das mal als Kompliment. ;-)
 
ich suche in der Kunst weniger Verstehen als Vertrauen.
Kann man etwas Vertrauen, dass man nicht versteht?

Kunst wird für mich mit den Jahren immer mehr Spiel mit Missverständnissen. Ein wunderbares Spiel, dass mich im besten Falle mit dem Leben versöhnt.
Hier kommen wir wahrscheinlich nicht zusammen. Das heute etwas umso künstlerischer empfunden wird, je weniger man es versteht (was ich Dir jetzt nicht unterstellen will), hatte ich ja weiter vorn schon einmal angesprochen. Für mich zeigt sich darin (nochmal: grundsätzlich, nicht auf Dich bezogen) eine Verweigerungshaltung dem Mitmenschen gegenüber, eine Art in Kunst gekleideter Zynismus und irgendwie gleichzeitig auch eine kindliche ätsche-bätsch-Haltung.

Es kann auch nur sein, dass solche Kunst oberhalb meiner Rezeptionsschwelle ist und ich einfach nicht die Fähigkeiten habe, sie adäquat zu erfassen.

Nochmal: Dein vorgestellter Text gefällt mir wie gesagt, denn den verstehe ich. Ich verstehe auch Ernst Jandl und manchen Dadaisten. So isses nicht. Ich wollte nur sagen, dass es eine Haltung gibt, die dem Leser absichtlich unüberwindbare Verständnishürden einbaut und das Kunst nennt. Das gefällt mir nicht.

Grüße zurück
 
Zuletzt bearbeitet:
So, doch noch eine kleine Zaunlücke in der Zeit gefunden.

Turquoise schrieb:
Kann man etwas Vertrauen, dass man nicht versteht?
Aus meiner Sicht unbedingt! Was ich verstehe, ist für mich gesichertes Wissen. was ich nicht verstehe, an das muß ich glauben, dem muß ich ich vertrauen.

Nimm die Wirkung von guter Musik: Ein eigentlich kompliziertes Gebilde, welches mir aber das Herz leichter machen kann, als einfache Tonfolgen. Ich verstehe die ganze Partitur. Aber DAS erklärt mir nicht die Wirkung. Es sind vermutliche meine zahllosen Nervenbahnen, die dieses Wunder vollbringen. Ich kann diesem Phänomen nur vertrauen, wenn ich so ein Gebilde auf ein Publikum loslasse.

Das gleiche Phänomen ergreift mich bei kryptischen Texten von Bob Dylan, Nimm "the Balad of a thin man": Alles wirkte anfangs total verworren auf mich. Aber je mehr ich mich mit den Jahren mit Dylan allgemein und dem Song speziell beschäftige, um so mehr wirkt der Song auf mich wie eine Insel, wo ich mich vor der verstörenden Ausdeutung von Kunst durch jedermann verstecken kann. Irgendwann werden diese Worte nur noch dunkle Töne: dunklen Masse, Musik also. ;-) sie erzeugen ein Hirngewitter, dass ich nicht verstehe, und absolut nicht verstehen will! solange ich also diesen unerklärlichen Phänomenen vertrauen kann, kann ich glauben. Wenn ich glaube, bekommt das Unerklärbare einen Sinn...

Kunst wird für mich mit den Jahren immer mehr Spiel mit Missverständnissen. Ein wunderbares Spiel, dass mich im besten Falle mit dem Leben versöhnt.
Turquoise schrieb:
Hier kommen wir wahrscheinlich nicht zusammen. Das heute etwas umso künstlerischer empfunden wird, je weniger man es versteht (was ich Dir jetzt nicht unterstellen will), hatte ich ja weiter vorn schon einmal angesprochen. Für mich zeigt sich darin (nochmal: grundsätzlich, nicht auf Dich bezogen) eine Verweigerungshaltung dem Mitmenschen gegenüber, eine Art in Kunst gekleideter Zynismus und irgendwie gleichzeitig auch eine kindliche ätsche-bätsch-Haltung.

Es kann auch nur sein, dass solche Kunst oberhalb meiner Rezeptionsschwelle ist und ich einfach nicht die Fähigkeiten habe, sie adäquat zu erfassen.
Ich glaube eigentlich nicht, dass mich die Volkslieder meiner Großmutter zur Musik brachten, es war vermutlich das Sagenbuch, aus dem sie mir Abend für Abend Schauergeschichten vorlas. Ich habe oft noch stundenlang unter der Decke gesungen, um diese dunklen Geister zu vertreiben. So lernte ich, an die unerklärliche Macht von Musik einerseits und kopflosen Rittern andererseits zu glauben. Dieser Glaube an das Unerklärliche hat mich der geliebten Kunst näher gebracht

Später sang ich ewig lange in der Chorente und mußte mir jeden Sonntag dievunglaublichen Geschichten meiner Pfarrers anhören. Wenn da meine schöne Knabenstimme nicht die riesige Kirche hätte ausfüllen dürfen... ich verstand die Bibel nicht, aber um weiter solistisch singen zu dürfen, versuchte ich zu vertrauen.Auch dieser Glaube an das Unerklärliche hat mich der geliebten Kunst näher gebracht

Ich liebe meine Freundin. Wir sind sehr unterschiedlich. Wir müssen uns viel glauben, uns vertrauen, weil wir tatsächlich vieles anders sehen, hören, empfinden. manchmal gibt noch streit darüber. Aber unsere Stimmen klingen immer unendlich weich,wenn es am Ende gegenseitig heißt: "Ich weiß ja. dass du das anders siehst. Und im Grunde sind wir nun .... Jahre damit klargekommen. und das ist schöööön so- Ich vertrau dir doch. Wirklich. Doch, doch ..." ;-)
 
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