So, doch noch eine kleine Zaunlücke in der Zeit gefunden.
Turquoise schrieb:
Kann man etwas Vertrauen, dass man nicht versteht?
Aus meiner Sicht unbedingt! Was ich verstehe, ist für mich gesichertes Wissen. was ich nicht verstehe, an das muß ich glauben, dem muß ich ich vertrauen.
Nimm die Wirkung von guter Musik: Ein eigentlich kompliziertes Gebilde, welches mir aber das Herz leichter machen kann, als einfache Tonfolgen. Ich verstehe die ganze Partitur. Aber DAS erklärt mir nicht die Wirkung. Es sind vermutliche meine zahllosen Nervenbahnen, die dieses Wunder vollbringen. Ich kann diesem Phänomen nur vertrauen, wenn ich so ein Gebilde auf ein Publikum loslasse.
Das gleiche Phänomen ergreift mich bei kryptischen Texten von Bob Dylan, Nimm "the Balad of a thin man": Alles wirkte anfangs total verworren auf mich. Aber je mehr ich mich mit den Jahren mit Dylan allgemein und dem Song speziell beschäftige, um so mehr wirkt der Song auf mich wie eine Insel, wo ich mich vor der verstörenden Ausdeutung von Kunst durch jedermann verstecken kann. Irgendwann werden diese Worte nur noch dunkle Töne: dunklen Masse, Musik also.
sie erzeugen ein Hirngewitter, dass ich nicht verstehe, und absolut nicht verstehen will! solange ich also diesen unerklärlichen Phänomenen vertrauen kann, kann ich glauben. Wenn ich glaube, bekommt das Unerklärbare einen Sinn...
Kunst wird für mich mit den Jahren immer mehr Spiel mit Missverständnissen. Ein wunderbares Spiel, dass mich im besten Falle mit dem Leben versöhnt.
Turquoise schrieb:
Hier kommen wir wahrscheinlich nicht zusammen. Das heute etwas umso künstlerischer empfunden wird, je weniger man es versteht (was ich Dir jetzt nicht unterstellen will), hatte ich ja weiter vorn schon einmal angesprochen. Für mich zeigt sich darin (nochmal: grundsätzlich, nicht auf Dich bezogen) eine Verweigerungshaltung dem Mitmenschen gegenüber, eine Art in Kunst gekleideter Zynismus und irgendwie gleichzeitig auch eine kindliche ätsche-bätsch-Haltung.
Es kann auch nur sein, dass solche Kunst oberhalb meiner Rezeptionsschwelle ist und ich einfach nicht die Fähigkeiten habe, sie adäquat zu erfassen.
Ich glaube eigentlich nicht, dass mich die Volkslieder meiner Großmutter zur Musik brachten, es war vermutlich das Sagenbuch, aus dem sie mir Abend für Abend Schauergeschichten vorlas. Ich habe oft noch stundenlang unter der Decke gesungen, um diese dunklen Geister zu vertreiben. So lernte ich, an die unerklärliche Macht von Musik einerseits und kopflosen Rittern andererseits zu glauben. Dieser Glaube an das Unerklärliche hat mich der geliebten Kunst näher gebracht
Später sang ich ewig lange in der Chorente und mußte mir jeden Sonntag dievunglaublichen Geschichten meiner Pfarrers anhören. Wenn da meine schöne Knabenstimme nicht die riesige Kirche hätte ausfüllen dürfen... ich verstand die Bibel nicht, aber um weiter solistisch singen zu dürfen, versuchte ich zu vertrauen.Auch dieser Glaube an das Unerklärliche hat mich der geliebten Kunst näher gebracht
Ich liebe meine Freundin. Wir sind sehr unterschiedlich. Wir müssen uns viel glauben, uns vertrauen, weil wir tatsächlich vieles anders sehen, hören, empfinden. manchmal gibt noch streit darüber. Aber unsere Stimmen klingen immer unendlich weich,wenn es am Ende gegenseitig heißt: "Ich weiß ja. dass du das anders siehst. Und im Grunde sind wir nun .... Jahre damit klargekommen. und das ist schöööön so- Ich vertrau dir doch. Wirklich. Doch, doch ..."