"früher Recording" (Console/Tape)

[musicdevil]

Stehe grad bissel auf dem Schlauch. Mir ist nicht ganz klar wie man das früher gemacht hat.

Nehmen wir an, wir recorden eine Band. Wurde da nur live gemischt und auf Tape gebannt?
Ich meine Band->Mikrofon->Konsole->Bandmaschine
Oder hat man erst alle Spuren auf Bandmaschine aufgenommen, diese synchronisiert, über die Konsole nochmal gemischt und wieder aufs "Mastertape" gebracht?

Hintergrund der Frage:
Heute: erst Konsolen Emulation, dann Tape Emulation, oder anders rum?
Ich weiß, dass es auch Geschmackssache sein kann.

Ist es sinnvoll auf jeden Mischpultkanal solche Emus zu legen, oder zb. Tape nur auf Master?
(auch in Bezug auf "früher")

 

[Gel Mitglieder 16064]

Das war eigentlich:
Mic - Preamp im Pult - Tape

Zum Mischen dann
Tape - Pult - Tape (od. DAT auch zeitweise)

 

[ReimenSeimen]

Also der normaler Aufnahmeprozess (mit Overdubs) war wahrscheinlich meistens:

Band->Mikrofon->Konsole->Mehrspurbandmaschine

Und dann beim Mixdown

Mehrspurbandmaschine->Konsole->2-Track-Bandmaschine

Außerdem gab es auch "Direktschnitte" auf Vinyl, da gab es dann natürlich keine Bandmaschine sondern es wurde der Konsolenmix direkt live auf Vinyl geschnitten

 

[Kassette]

Ich würde da nicht zwingend den Bezug zu früher herstellen. Du darfst halt nicht vergessen, dass die Dinge so gemacht wurden, weil es schlicht nicht anders ging.
Wann ist außerdem früher? Da ist ja von 1 bis zig Spuren gleichzeitiger Aufnahme alles möglich

Das Schneiden (a.k.a Edit) der Bänder nicht vergessen...

Wie du es heute machst, ist schnurzbiep - egal, da sind deiner Phantasie keine Grenzen gesetzt.

 

[FredTadge]

Ich habe mal in den 90ern ein paar Wochen in nem kleinen Studio gearbeitet.

Das war eigentlich:
Mic - Preamp im Pult - Tape

Zum Mischen dann
Tape - Pult - Tape (od. DAT auch zeitweise)

Da wurde es genau so gemacht. Bezw. wurde zum Schneiden (und ggf. mastern) auch manchmal final noch ein Mac benutzt. Da ging es dann:
Tape - Pult - Mac - DAT

 

[musicdevil]

Ja, so hatte ich mir das auch gedacht. Danke für die Meinungen.
Die Band wurde über eine Konsole auf die Mehrspurbandmaschine aufgenommen und dann beim Mischprozess
gingen die Mehrspurmaschinen in die Konsole und von dort aus auf zb. die 2 Track Bandmaschine (oder später dann DAT).
Als es noch keine Mehrspurmaschinen gab, nahm man vermutlich entweder mehrere, oder alles auf eine.

Dass es heute technisch gesehen eher egal ist, ist schon klar, kann man machen wie man will.
Ging mir speziell um Studio One. Da schalte ich erst die Konsolen-Emu (Mix-FX) ein, so das alle Kanäle zunächst dort durchgehen.
Dann könnte ich auf alle Spuren eine Tape-Emu packen und durchläuft dann den Masterbus mit wieder Konsole-Emu und Tape.
So hätte ich das "klassisch" reproduziert. Busse und FX Kanäle natürlich mit einbeziehen.

 

[Entone]

Ganz früher gabs natürlich noch keine Mehrspurbandmaschinen. Da musste dann schon alles vorher soweit gemischt sein.

 

[muffy]

Hintergrund der Frage:
Heute: erst Konsolen Emulation, dann Tape Emulation, oder anders rum?
Ich weiß, dass es auch Geschmackssache sein kann.

So gehesen war es Konsole ->Tape (2" 24 Tack) -> Konsole -> Tape (1/4" 2 Track).

Die Konsolen hatten spezielle Aufnahme / Mixing Settings. Man hat erst auf Multitrack aufgenommen, bis alle Spuren beisammen waren und dann dieses Tape (oder 2-x Bandmaschinen) wieder abgespielt und auf 2 Track Tape nen Mixdown gemacht.

Man kann sich vorstellen, wie durchgenudelt das 2" Tape nach den ganzen Aufnahmetakes plus Mixing gewesen sein muss. Daher hat man teilweise nach den Aufnahmen die Multis auf frische 2" Tapes überspielt, weil sonst Top End futsch und Low End verschmiert war.

Ganz früher gabs natürlich noch keine Mehrspurbandmaschinen. Da musste dann schon alles vorher soweit gemischt sein.

Mixing war ganz früher Mikros im Raum aufstellen.

 

[Entone]

Mixing war ganz früher Mikros im Raum aufstellen.

Und je nach Herangehensweise ist es das heute auch noch.

 

[hermestc]

Und je nach Herangehensweise ist es das heute auch noch.

Und wenn man weiß, was man tut, geht das auch viel schneller/effektiver. Ich habe diese Old-School-Herangehensweise (Tape wurde zwar durch DAW ersetzt, aber gemischt/recordet wurde mit Konsole und Outboard-Gear) jetzt ein paar mal erleben dürfen. Fast alle wichtigen Entscheidungen werden schon vor dem Live-Recording getroffen und fix gemacht. Unglaublich wie schnell und effektiv das geht und wie der Roughmix schon funktioniert. Einfach die Spuren hochziehen und alles ist da und passt zusammen. Ich wünschte ich hätte auch die Erfahrungen so arbeiten zu können.

 

[tomric]

Ich wünschte ich hätte auch die Erfahrungen so arbeiten zu können.

... und einen geeigneten Aufnahmeraum samt notwendigen Tools. Ich würde das auch gern mal probieren und die gesamte Band in einem Raum live aufnehmen, nur mit ein paar (ggf. halbhohen) Stellwänden voneinander getrennt, usw.

 

[hermestc]

@tomric Sehr richtig!

 

[LM18]

Ich wünschte ich hätte auch die Erfahrungen so arbeiten zu können.

... und einen geeigneten Aufnahmeraum samt notwendigen Tools. Ich würde das auch gern mal probieren und die gesamte Band in einem Raum live aufnehmen, nur mit ein paar (ggf. halbhohen) Stellwänden voneinander getrennt, usw.

Genau die Mängel dieser Methode haben zum Overdub geführt welches, technisch, durch die Multitrack Maschinen letzlich ermöglicht wurden.

Das Alles kann für "golden shots" naturlich bestens funktionieren.
Keine Frage.

Im Produktionsalltag, mit Anforderungen an die gesteigerte Präzision der Definition der einzelnen Intrumente im Mix, geht das einfach in den meisten Fällen in den Sack und der Spuk ist vorbei

Es kann sich ja keiner kaum länger als 22 Sekunden auf irgendwas konzentrieren...

 

[hermestc]

Es kann sich ja keiner kaum länger als 22 Sekunden auf irgendwas konzentrieren...

Und üben ist ja auch doof, wenn man das doch eh mit Melodyne und pixelschubsen geradebiegen kann.

 

[recording-man]

Wenn Du eine 24 Kanal Bandmaschine hast benötigst Du eine 48 Kanal Konsole oder einen 24/48 Inline mischer. Alles getrennt aufnehmen auf den 24 ersten Kanälen und mischen dann auf den Kanälen 24-48 oder wahlweise auf den 24 Inlinekanälen. Der Mix kam oder kommt dann auf DAT, Masterbandmaschine oder teilweise sogar auf VHS Kassetten. Heutzutage in ne DAW.

 

[FredTadge]

Im Produktionsalltag, mit Anforderungen an die gesteigerte Präzision der Definition der einzelnen Intrumente im Mix, geht das einfach in den meisten Fällen in den Sack und der Spuk ist vorbei

So ist es. Ich hab's damals mal erlebt, wie so eine Arbeit vonstatten geht und ich würde das heute nicht mehr wollen: Der Gitarrist hatte während der Aufnahmen nen totalen Blackout (wegen Zeitdruck, Stress von den Kollegen, Konzentrationsprobleme) und so musste die gesamte Band nur seinetwegen pausieren. Das erhöhte den Druck noch und letztendlich hat der gar nichts mehr gebacken bekommen.

Das Dämliche an der ganzen Sache war, dass die das freiwillig gemacht haben. Der Toni hat vor der Produktion gefragt: "live oder overdub"? Und die unglaublich professionellen Musiker antworten unisono: "live, das klingt natürlicher."

Nach o.g. Blackout wurde dann nach 4 Stunden Rumgelaber umgestellt auf Overdub, nur Bass und Drums haben zusammen eingespielt und das ganze Thema war erledigt. Wer sich freiwillig diesem Druck aussetzt, ist heutzutage selber schuld.

 

[one_hit_wonder]

Wer sich freiwillig diesem Druck aussetzt, ist heutzutage selber schuld.

Oder ein guter Musiker.

 

[diagnostix]

Nach o.g. Blackout wurde dann nach 4 Stunden Rumgelaber umgestellt auf Overdub, nur Bass und Drums haben zusammen eingespielt und das ganze Thema war erledigt. Wer sich freiwillig diesem Druck aussetzt, ist heutzutage selber schuld.

na, weiss nicht ob ich das so unterschreiben könnte...
meinen beobachtungen nach fahren die amis immer noch auf live sessions im studio ab.
in europa ist umgekehrt, overdubbing ist a und o...
das hat auch etwas mit der geschichte des recordings zu tun.
in europa ist recording etwas, was dem christentum entspricht: vor geburt christi (sprich beatles in abbey road) gab es keine geschichte, nix hat existiert - erst da hat die welt überhaupt angefangen zu existieren.
dass die ersten kommerziellen tonaufnahmen - sogar ganz legendären - in usa mit nur einem mikrofon in einem raum aufgenommen waren, will niemand in europa wissen. augen zu, ohren zu, blablabla schreien bis der spuk vorbei ist - so ist das studiowelt bei uns.
keiner traut sich - natürlich auch wegen dem geld und terminen - die gelernte orthodoxie des OD zu hinterfragen...
über dem teich sieht anders aus...
in usa werden die studios immer noch unter dem aspekt gebucht: live akustik, genug abschirmung und räumen vorhanden usw. - also studio soll für live performance prädestiniert sein.
live performance muss nicht bedeuten: alle im gleichen raum und los, oder vocals über pa gleich laufen lassen. das geht natürlich nicht, es sei denn, man hat wirklich großen raum zu verfügung, und da werden auch keine vocals direkt ausgestrahlt...
live performance ist es auch, wenn die amps in dem amproom brüllen, während drums&bass in anderem raum fetzen, o.ä.
alle musiker haben eben kopfhörer - es ist eben nur wichtig, dass die band tight spielt.
hat man einigermaße wackelfreie drums und bass aufgenommen, kann man gitarren, stimmen und co. overdubben bis der arzt kommt.
so weit die rock produktionen...
ich persönlich finde live sessions cooler: ist ja nicht anders als eine bandprobe unter anderen voraussetzungen.
und: üben für eine recording situation muss man zu hause, so oda so.
wenn die band wackelt im sattel, ist egal wie du aufnimmst - es wird immer gacke sein...

 

[speedtom]

Wenn ich so am die Recording-Session mit meinen Bands zurückdenke, waren es in der Tat meist Live-Aufnahmen, mal alle samt Verstärkern in einem Raum, mal die Amps in verschiedenen Räumen, immer ohne Gesang.

Weil Studios so schweineteuer waren, haben wir extra diese Situation im Proberaum nachgestellt....Immer die selben Songs, wieder und wieder, durch Blickkontakt den Solopart angekündigt etc. Dann, die härteste Prüfung, Licht aus und so gespielt. Die Stücke hingen einem irgendwann zum Hals raus, aber egal, wie waren tight wie eine Hundeschnauze!

Ergo: früher war mehr Vorbereitung, heute mehr Editieren!

 

[FredTadge]

Wenn ich so am die Recording-Session mit meinen Bands zurückdenke, waren es in der Tat meist Live-Aufnahmen, mal alle samt Verstärkern in einem Raum, mal die Amps in verschiedenen Räumen, immer ohne Gesang.

Habe ich auch alles schon mitgemacht, sowohl als Musiker als auch als Ton-Assi. Einmal hatten wir damals als Band sogar so eine Luxus-Situation mit drei verschiedenen Aufnahmeräumen (Drums, Gitarren, Sänger und der Basser hat im Regieraum direkt ins Pult gespielt). Wir konnten uns gegenseitig alle durch Fenster sehen. Das war schon Luxus. Und wir waren richtig gut vorbereitet, für Aufnahme eines Songs vier Wochen Vorbereitung...

Trotzdem möchte ich Overdubbing nicht missen. Höchstens mal Drums/Bass live einspielen. Die Gitarren müssen so differenziert klingen, da spiele ich lieber in Ruhe 100x alleine ein als ein Single-Take mit der Band...