auf der Suche nach einer neuen Form

[artname]

@Hyp... du meinst, der Leser im Internet hat andere Bedürfnisse als die selbe Person im Konzert? - Oder denkst du, der Schreiber im Netz stellt sich anders dar, als der Kollege in der Band? Was verstehe ich da eventuell falsch?

@Kosaken-Kaffe, meinst du wirklich, ein Autor kann für eine Zielgruppe schreiben, ohne gleichzeitig ureigene Bedürfnisse anzusprechen? Meinst du, ein Nichttrinker hätte Lust oder auch nur die Fähigkeit, ein zünftiges Sauflied zu schreiben? Eine Zielgruppe, was auch immer das sein soll, ist ein Feindbild für Amateure, welches Profis eigentlich nie im voraus abschätzen oder beschreiben können. Letztlich zählt, wie glaubwürdig ein Text klingt... und nicht wie "zielgruppig"...

 

[Hyp]

@artname
Man kann im Netz halt in der zu seiner Musik passenden Szene in Erscheinung treten. Man ist nicht darauf angewiesen, seinen Gatten zuhause mit dem Essen zufriedenzustellen, um bei Teestundes Analogie zu bleiben.

 

[artname]

@Hyp... Wo ich zustimme: Die Klickzahlen bei Youtube können Livegigs generieren.

Aber Experimente schaffen doch nicht gleichzeitig Klicks... oder trägt Recording.de etwa dazu bei, (s)ein neues Publikum zu finden? Was bringen die hiesigen Foren mehr, als einen Erfahrungsaustausch unter Musikern und Textern? - Wären nicht die hiesigen Schreiber live nicht eher Musikerpolizei?

 

[Hyp]

Aber Experimente schaffen doch nicht gleichzeitig Klicks... oder trägt Recording.de etwa dazu bei, (s)ein neues Publikum zu finden?

Es ist der Mix. Foren oder Subforen für spezifische Musik. Blogs, Magazine, Podcasts. Facebook-Gruppen (meist überlaufen, aber ein kleiner Baustein dennoch), Instagram und Twitter mit Stil-spezifischen Tags (könnte z.B. #experimentalpop sein). Und dabei auch Interaktion und Teilnahme, also nicht nur senden.

 

[artname]

Nochmal konkret: Generiert Recording.de mehr Youtube- Klicks oder gar Livebesucher?

 

[Hyp]

Man sollte sich vom Zwang freimachen, um jeden Preis etwas Neues erschaffen zu müssen, denn das funktioniert so nicht.

Das kann schon funktionieren, man kann Neues mit Ansage machen. Man muss sich nur ein individuelles System definieren, wie bei der Zwölftonmusik, der Spektralmusik, oder der Musique Concrete.
Systemische Beschränkungen werden ja auch hier im Forum immer wieder als befreiend gepriesen.

Der "einsame Cowboy" ist vielleicht schon mal ein guter Ansatz, nicht zu sehr auf das hören, was Andere machen und den Kopf frei machen.
Mit dem Fahrrad einfach mal raus in die Natur ...

Ich glaube, dass das als Ratschlag wiederum nicht funktioniert, wenn man nicht von sich aus so tickt.
Die meisten sehen nach meiner Erfahrung gerade Inspiration in der Musik, die sie mögen. Das ist eher das Gegenteil von "einsamer Cowboy" und "nicht zu sehr hören auf das, was andere machen".

Ich finde als Inspiration für Musik z.B. unübertroffen Atmosphären und Stimmungen in nicht-musikalischer Kunst wie Theater und Kunstausstellungen. Oder Musik, die praktisch überhaupt nichts mit der zu tun hat, die ich selbst mache, in der mich Haltung und Stimmung inspirieren, die dann in meiner Musik in eine ganz andere Form transformiert werden.

Aber Leuten, die Inspiration für House suchen, zu sagen, sie sollten dafür mal Grunge hören, oder umgekehrt Grungern zu sagen, sie könnten in Housemusik Abstraktionen für neue Ideen finden - das stößt auf Unverständnis, wenn man eben nicht künstlerisch so abstraktiv tickt.

 

[Hyp]

Nochmal konkret: Generiert Recording.de mehr Youtube- Klicks oder gar Livebesucher?

Eher nicht, weil man hier zu sehr unter Machern und nicht unter den Einfach-nur-Hörern ist. Daher sollte man mit seiner Musik im Netz da hingehen, wo die Aufmerksamkeit der Hörer ist, zu Szene-Info-Quellen wie erwähnt.

 

[Cruba]

Als ich damals das erste mal Do you know, do you care gehört habe, dachte ich echt die Zukunft des HopHop gehört zu haben.

Was den einsamen Cowboy angeht, bleibt weiterhin die Frage ob man im Keller was neues entwickeln will (da reicht meiner Meinung nach ein Sound den man durch 100 Delays jagt) oder ob man damit dann auch jemanden erreichen will.

Wer hat denn wann was völlig neu gemacht oder völlig anders, so dass es sich wirklich etabliert hat?

 

[Hyp]

da reicht meiner Meinung nach ein Sound den man durch 100 Delays jagt

Sicher? "Jedenfalls schallt mir seit 15 Jahren (beim auf elektronische Avantgarde spezialisierten Berliner Festival ClubTransmediale) fast immer ein sehr vertrautes Wabern und Rauschen entgegen, das gerne mal von ach-so-harschem digitalen Bollern, Sägen oder Fiep-Klicken unterbrochen wird. Schön ist das allemal, aber vielleicht nicht ganz so futuristisch wie oft behauptet."
https://www.berliner-zeitung.de/kul...nz-so-futuristisch-wie-oft-behauptet-29612072

Wer hat denn wann was völlig neu gemacht oder völlig anders, so dass es sich wirklich etabliert hat?

"Völlig" neu ist natürlich die quasi nie einlösbare Extremanforderung.
Ansonsten kannst du dir jeden musikalischen Stil hernehmen und nach den Begründern schauen.

 

[Sylvi]

Wer hat denn wann was völlig neu gemacht oder völlig anders, so dass es sich wirklich etabliert hat?

Auf jeden Fall haben die Beatles zu ihrer Zeit etwas erfunden, das die Musik gewissermaßen
schon revolutioniert, und sich bis heute erhalten hat.
Sie waren schon außergewöhnich musikalisch talentiert.
Ich glaube auch, daß man eine hohe Begabung haben muß, um sich voll
und ganz der Musik verschreiben zu können, um dann wirklich etwas zu bewegen.

In alten Songs rumkramen, um zu überlegen was passiert wohl wenn ich das dorthin,
und jenes dahin verschiebe oder tausche, hat wohl nicht im geringsten etwas mit weitgreifenden
Veränderungen in der Musikgeschichte zutun.

BG
Sylvi

 

[Moogman]

Was ich damit sagen will: Nachher "dankt" dir das Publikum gar nicht, dass du dir solche Mühe gemacht hast mit deiner Suche.

Kunst hat ja nicht zum Ziel, das einem Künstler gehuldigt wird. Die Kunst steht doch für sich selbst.

 

[Hyp]

Die Kunst steht doch für sich selbst.

Da gibt's noch die andere Fraktion, die nicht ohne den sozialen Aspekt auskommt: "Wenn ich das nicht mit jemandem teilen kann, was ich mache, verliere ich irgendwann die Freude daran."
(Meine Antwort: Heute findet man über's Netz für alles eine zugehörige Szene.)
Ist halt eine persönliche Sache, die kann man niemanden aus- oder einreden.

 

[Moogman]

Die Kunst steht doch für sich selbst.

Da gibt's noch die andere Fraktion, die nicht ohne den sozialen Aspekt auskommt: "Wenn ich das nicht mit jemandem teilen kann, was ich mache, verliere ich irgendwann die Freude daran."
Ist halt eine persönliche Sache, die kann man niemanden aus- oder einreden.

Es dreht sich nicht um Freude, Kunst ist eine Passion.

 

[Hyp]

Es dreht sich nicht um Freude, Kunst ist eine Passion.

Sehe ich ja auch so. Aber ich kann auch die Fraktion verstehen, für die Musikmachen möglichst nur Freude und Ausgleich bringendes Hobby sein soll.

 

[Moogman]

Sehe ich ja auch so. Aber ich kann auch die Fraktion verstehen, für die Musikmachen möglichst nur Freude und Ausgleich bringendes Hobby sein soll.

Das hat aber nicht viel mit Kunst zu tun.

 

[Teestunde]

Kunst hat ja nicht zum Ziel, das einem Künstler gehuldigt wird. Die Kunst steht doch für sich selbst.

Ja, das sollte so sein. Aber aus DDR-Zeiten habe ich Erfahrung mit diesen Theaterstücken, die um ihrer selbst willen und ohne Rücksicht aufs Publikum inszeniert wurden. Da saßen dann fünf Leute im Zuschauerraum. Sowas ist nicht finanzierbar. Ich glaube, so ähnlich ist es auch in der Musik. Oder? Wir hier haben das Glück, dass wir machen können, was wir wollen. Wenn Rücksichten zu nehmen wären, sähe die Sache ganz anders aus. Ist doch so.

 

[Turquoise]

Theaterstücken, die um ihrer selbst willen und ohne Rücksicht aufs Publikum

Ich denke, es gibt immer Kunst und Kunst. Die eine will das Publikum erreichen, indem sie entweder einfach der Lust an der Schönheit frönt oder irgendeine (allgemein anerkannte) Moral meint darstellen zu müssen (z.B. Verrat ist schlecht), indem sie Leute zum lachen oder weinen bringt oder fesselt, spannend ist . . . wie auch immer. Ich denke, solche Kunst entspringt dem Wunsch nach einer besseren Welt, weil sie sich an dieser hier reibt, ohne zu vergessen, wie schön diese ist.

Und dann gibt es die "Kunst", die einfach nur destruktiv ist. Die aus Lust am Negativen sämtliche Konventionen mit Füßen tritt, die vulgär oder obszön oder ohne Sinn ist und einfach nur auf Schockmomente und Hässliches setzt. Etwa ein ausgestellter Scheißehaufen im MOMA oder das, was Pussy Riot in Moskau abgezogen haben - sich im Supermarkt tiefgefrorene Hähnchen unten reingesteckt und dann die Reaktion der Leute gefilmt. Oder eben auch fast alles, was heutzutage auf unseren Theaterbühnen gespielt wird.

 

[Teestunde]

Tut mir leid, dass ich bisher nichts Wesentliches zu deiner Suche sagen konnte. Mir fällt nur der Spruch von Picasso ein "Ich suche nicht, ich finde." Wir sollten in Kunsterziehung mal folgende Übung machen: mit einem Kugelschreiber ein Blatt vollkritzeln und dann aus dem Gekritzel ein Bild "herausholen". Es kam zu überraschend guten Ergebnissen, obwohl keiner von uns sein Bild irgendwie hatte planen können. Vielleicht wäre das ein Ansatz. Immerhin mehr, als nur zu grübeln.

 

[deydi]

Man kann das Rat nicht neu erfinden. Das zählt hier wohl. Ich denke musikalisch haben wir wirklich schon alles entdeckt was es gibt.

Aber, wie heißt es so schön: man kann altes auch neu verpacken

 

[Teestunde]

man kann altes auch neu verpacken

oder es erst mal "auspacken", "entschlacken"...