interessanter thread.
bemerkenswert ist die entstehende entweder-oder-dynamik, marke, entweder sind die pegidaleute nazis oder mindestens nazimitläufer, oder aber der islam ist selbst in seiner institutionalisierten form nur bedingt grundgesetzfreundlich und in bezug auf mehrere unserer liberalen grundwerte reaktionär und inkompatibel.
die ironie, dass beide seiten in diesem fall sich als verfechter von liberalen werten (jeweils gegen die reaktionären kräfte pegida oder islam-dachverband xy) empfinden, die lohnt es sich mal festzuhalten, und sie macht ja immerhin hoffnung auf eine lösbarkeit des konflikts, wenn doch zumindest die *motive* auf beiden seiten dieselben sind.
dann muss man nur noch das entweder-oder loswerden, das versuch ich mal. denn schliesslich steht nirgendwo geschrieben, dass nicht beide diagnosen mehr oder weniger zutreffend sind.
etwa pegida: laufen da nur nazis? natürlich nicht. wurden die demos von personen ausgerichtet, die im allgemeinen sprachgebrauch mit am unumstrittensten als nazis zu bezeichnen wären? wurden sie.
sollte man sich die ängste der mitlauf-bürger anhören. klar. tragen diese bürger als mitglied einer nun wahrlich transparenten und aufgeklärten politischen landschaft aber auch eine gewisse eigenverantwortung, wenn sie wissentlich einer von nazis ausgerichteten demonstration hinterherlaufen? auch das. und zuguterletzt: sind deren islamängste berechtigt? ich finde die frage muss man aufteilen. angst vor islamisierung als solcher ist natürlich ganz speziell in dresden komplett albern. bei einem bevölkerungsanteil von 2,5-4,5% (das, was man gemeinhin eine "minderheit" nennt) deutschlandweit und einem anteil von angeblich nur 0,5% in dresden fehlt einer rein quantitativen islamisierungsangst jede faktische grundlage. nach so ziemlich allen hochrechnungen die man finden kann wird niemand der dort auf der strasse steht zu seinen lebzeiten erleben, dass der dresdner islamanteil auch nur in die nähe der 10 prozentmarke kommt. das passt natürlich schlecht zu formulierungen von ängsten marke "demnächst wird dann wahrscheinlich noch unser schöner weihnachtsmarkt verboten".
bleibt die kulturelle angst, so nenn ichs mal. die ist insofern sowieso die interessantere, weil sie der teil des eigentlich allem zugrundeliegenden konsens ist, es ist der teil bei dem die leute ihre in der tat streitbare xenophobie mit liberalen freiheitlichen werten begründen, und auf einmal aus diesem vermeintlich konservativem munde kritik an konservativen positionen wie der frauenrolle oder der grundgesetz-kompatibilität einer doktrin (in diesem fall eben der islam) kommt.
könnte man sagen: wenn man es schafft, die blanke xenophobie zu reduzieren, und das ganze auf den gesellschaftlichen diskurs über moralische standards runterzudampfen (wie es m.m.n. auch durchaus zivil hier im je suis charlie thread passiert), dann wäre das schonmal ne ganz nützliche entschärfung des konflikts.
und dazu gehört natürlich auch eine ebenso kritische betrachtung der gegenseite. dazu würde ich nach meinen beobachtungen sagen: so richtig viele öffentliche verlautbarungen kann es ja gar nicht geben. ist halt auch schwierig, so dezentral wie der islam organisiert ist. was übrigens aber auch pegida-sche ängste vor einer koordinierten unterlaufung ziemlich absurd macht, die kriegen ja kaum ne pressemitteilung koordiniert, so dezentral ist das da alles aufgebaut. aber, muss man zugutehalten, das (pardon für das unwort) "feedback" auf charlie hebdo war dieses mal ausgesprochen schnell, und ausgesprochen klar. niemand hat mehr den fehler gemacht, zu sagen "wir verurteilen das, aber..." mit folgendem hinweis auf die eigene opferrolle. offenbar hat man jetzt begriffen, dass ein solches "aber" indiskutabel ist, egal wie sehr man an der stelle gerne auf die selbstwahrnehmung als opfer hinweisen will.
gleichzeitig bleibt es aber unumstritten, dass der islam als ganzes selbst in seiner sicherlich weltweit mit am moderatesten ausführung hier in deutschland (gut 60% historische wirtschaftseinwanderer aus der - damals zumindest - mehr oder weniger säkularen türkei) immer noch in seiner gänze eine ausgesprochen reaktionäre bevölkerungsgruppe ist, und sich nicht annähernd so klar und bedingungslos von seiner religion distanziert hat, wie es das (für mich als atheisten genauso alberne) christentum getan hat. der TE schreibt hier, quasi zur verteidigung:
"Muslime sind dazu verpflichtet, sich an die Gesetze des Landes zu halten, in welchem sie leben – seien dies nun ein muslimischer Staat, muslimische Länder oder
nichtmuslimische Länder wie die im Westen – solange sie nicht dazu angehalten werden, etwas zu tun, das gegen die Schari’a (das islamische Gesetz) verstößt."
...und bemerkt vielleicht nicht, dass das schiere vorkommen der scharia in dem satz aus sicht des deutschen grundgesetzes schlicht indiskutabel ist. nicht nur, weil wir zumindest juristisch eine klare trennung von religion und staat haben, sondern auch weil scharia ein *viel* zu auslegbarer begriff ist, als dass man das als diskutierbare grösse in einer solchen diskussion akzeptieren könnte. scharia ist ein begriff, der in der grossen mehrheit aller länder mit politisch dominantem islam in einer weise ausgelegt wird, die weder mit unserem grundgesetz noch mit unseren grundsätzlichen moralischen grundüberzeugungen kompatibel ist. frauenrechte, religionsfreiheit, LGBusw toleranz undsoweiter.
man darf niemand vorwerfen, dass man sich hier zu distanzieren sucht, solange in ländern in denen der islam an der politischen macht ist, das so läuft wie es da eben läuft. hier liegt es einzig und allein am islam selbst, sich in einer internen debatte weiterzuentwickeln. wenn er das tut: toll. wenn er das nicht tut: dann bleibt er eben juristisch und moralisch nur bedingt mit ländern wie deutschland kompatibel, muss man feststellen.
das kann man dann noch in den theoretischen in den praktisch gelebten islam (speziell hierzulande) aufteilen, aber selbst da muss man sagen: wenn man mal innermuslimische umfragen und ergebnisse von meinungsforschung so liest (googelt euch die quellen selbst), also, ganz geheuer muss mir das genausowenig sein wie wenn ich meinungsumfragen unter bayrischen CSU wählern lese (um mal nicht immer nur das pegidabeispiel zu nehmen). ist mir in dem moment dann scheissegal, ob man mir dafür vorwerfen möchte, ich sei "rassistisch" gegenüber einer religiösen doktrin oder gegenüber bayrischer politiktradition, erzkonservatives und reaktionäres gedankengut bleibt erzkonservatives und reaktionäres gedankengut. und davon gibts eben bei beiden hier diskutierten seiten mehr als genug.
...konstruktives fazit: alles nazipack, alle miteinander!
