Der Text ist insgesamt klar und einfach formuliert.
Ein Satz hebt sich aber für mich ab:
"glaub ich ihn zu kennen, dann kenn ich ihn nicht"
Da kann man viel rauslesen und reininterpretieren.
Mein erster Gedanke war, das erinnert mich an "wer sich an die 80er erinnern kann, hat sie nicht erlebt".
Dann kam mir noch ein Satz in den Sinn, den ich in irgendeinem Kinderbuch über das Universum gelesen hab. Da stand, dass die Aussage "das kann ich mir nicht vorstellen, das kann nicht sein" keinen Sinn ergibt, weil es logisch ist, dass man sich Dinge nicht vorstellen kann, wenn sie über die irdische Erfahrungswelt hinausgehen und dies eben gerade nicht gegen ihre Richtigkeit spricht.
Keine Ahnung, wie man das Erstgenannte korrekt bezeichnen würde:
Widerspruch in sich? Oxymoron? Sprachlich unlogisch und trotzdem irgendwie klug?
Und zweiteres wäre dann davon das genaue Gegenteil:
Sprachlich logisch und trotzdem Fehlschluss oder so ähnlich!
Ich find den Satz "glaub ich..." jedenfalls deswegen interessant und wie eine Aufforderung zum Aufschlüsseln.
Und wenn ich da ganz logisch vorgehe, heißt der Satz, dass man sich keine richtige Vorstellung von deinem Gott machen kann. Hätte man eine Vorstellung, müsste sie falsch sein. Und wäre sie richtig, könnte man es sich nicht vorstellen.
Und damit käme ich zu der hier jetzt ein paar mal gestellten Frage:
Leider werden aber nur ein paar Eigenschaften beschrieben. Das zusammen ergibt noch keine Definition, würde ich sagen. Ich weiß jedenfalls beim besten Willen nicht, was da mit "Gott" gemeint ist. Ich erfahre nur, dass nicht der biblische Gott gemeint sein dürfte. Aber wer oder was dann?
Du hast Recht, MamaMuuht beschreibt Eigenschaften seines Gotts, liefert aber keine Definition.
An genau dem Punkt bin ich auch gelandet.
Erst dachte ich, dass sei ja voll der Widerspruch zu Glauben und Religion, denn wozu soll all dieses menschliche Bemühen denn gut sein, wenn es eh zu keinem Ergebnis kommt, sprich keine Definition geliefert wird.
Dann aber kam ich zu einem ganz anderen Gedanken, nämlich der Frage -und hier muss ich wirklich total doof fragen- ob es Religion denn anders macht:
Liefert Religion selber denn diese von dir geforderte Definition von Gott?
Aufgrund meines Unwissens kenne ich diese Definition nicht, würde sie aber gern erfahren. Denn genau diese eigentlich elementare Grundlage fehlt mir bisher.
Damit wir uns nicht falsch verstehen:
Sicher hab ich schon Erklärungen gehört, die ich als bildliche Umschreibungen bezeichnen würde, sowas wie Gott ist "der Schöpfer" oder "der Ursprung allen seins". Das sind aber keine Bilder, zu denen ich mir irgend etwas konkretes vorstellen kann.
Eine Definition wäre für mich was anderes. Dass diese nicht mit irdischen Definitionsbeschreibungen wie Größe, Form und Art hantieren kann, ist klar. Was mir aber in den Sinn kommt, sind Fragen nach Wesen und Bewusstsein.
Gibt es da biblisch/religiöse Antworten darauf?
Oder wäre die Antwort, ähnlich wie in MamaMuuhts Text, dass man die Antwort eben nicht liefern kann, weil sie an der Beschränktheit der menschlichen Sprache und Vorstellungswelt scheitern muss?
Um nochmal zum Text zurückzukommen.
Dass dieser Eigenschaften beschreibt, aber keine Definitionen liefert, finde ich nicht ungewöhnlich und auch nicht kritikwürdig. Ganz im Gegenteil.
Man nehme nur mal das typische Liebeslied als Beispiel.
Sätze wie "du bist das Schönste, was mir je passiert ist, "dein Lächeln verzaubert mich", "wenn du mich anschaust, dann..." oder "dich zu lieben, dich berühren, mein Verlangen, dich zu spüren, weckt die Sehnsucht in mir auf ein Leben mit dir" sind typische Inhalte und allesamt nur exemplarische Beschreibungen.
Kaum jemand würde dagegen erwarten, dass im Liebeslied das Gegenüber oder das Wesen der Liebe auf saubere Definitionen geprüft wird. Wollte man diesem Anspruch gerecht werden, müsste ganz anders formuliert werden. Etwa so:
"Du bist ein weibliches Individuum der Gattung der Primaten. Deine Gegenwart erzeugt visuelle und sensorische Reize, die zu einem verstärktem Ausstoß unterschiedlicher Botenstoffe führen, welche bei mir rauschartige Glücksgefühle, tiefes Wohlbefinden sowie eine erhöhte sexuelle Lust auslösen."
Solche Texte sind im Mainstream-Bereich aber sehr ungewöhnlich.