Ich heiße Jesus

[artname]

@Helge,

Einerseits spiegelt der Text dMn hauptsächlich eine aussichtslose Sehnsucht nach Liebe, andererseits mutmaßt Du, der Text könnte die Betroffenen trösten. Das verstehe ich nicht so ganz. - Meiner Meinung nach tröstet nichts mehr als ein glückliches Beispiel.

Und darin, dass jemand seine persönliche Geschichte aufgreift, liegt doch nicht automatisch Ehrlichkeit. Im Gegenteil, ich würde darin die Gefahr zu großer Parteilichkeit sehen. Das Interesse der Gegenpartei wird in solchen Fällen besonders gern ignoriert. Und eine Bildsprache fördert mMn die Gefahr von unbemerktem Selbstmitleid. Im Gensatz zu einer kühlen, authentischen Selbstdarstellung.

(Aus diesem Grund lese ich zum Beispiel Biografien Außenstehender lieber als die selbstverliebten Lebensberichte vieler Promis.)

@'MamaFettig

"Ziemlich beste Freunde" war bei Publikum wie Kritik ein ausgesprochen erfolgreicher französischer Spielfilm. Ein arbeitsloser junger Schwarzer muss Krankenpfleger bei einem querschnittsgelähmten Schriftsteller spielen. Die beiden nähern sich recht drastisch... Humor und Aua halten sich die Waage.

 

[helge1973]

Hi Helge,

Hey Art

andererseits mutmaßt Du, der Text könnte die Betroffenen trösten. Das verstehe ich nicht so ganz. - Meiner Meinung nach tröstet nichts mehr als ein glückliches Beispiel..

Gar kein Einspruch, stimmt.
Doch was ist mit der Hoffnung?
Vielen Menschen gibt die Hoffnung Kraft und Trost.
Ich hatte das ja geschrieben, dass ich denke, Mama's Text schwebt i-wo zwischen Hoffnungslosigkeit und Realitätssinn und trotzdem ... klammert man sich ja an diese.

Ja, die Hoffnung kann schon ein Tritt in den Ass sein, doch es kann auch anders kommen.
Und da ich (leider) im Bürgerkrieg bei uns so einiges ertragen musste, weiß ich (das nun nicht "leider"), dass die Hoffnung etwas Schönes, Wunderbares, vor allem Trost spendendes sein kann.

Und darin, dass jemand seine persönliche Geschichte aufgreift, liegt doch nicht automatisch Ehrlichkeit.

Absolut, siehe Bushido

Nur meinte ich hier speziell - was auch klar zu lesen ist - unsere liebe Mama und da behaupte ich einfach mal, dass er diesen Text tatsächlich aus tiefstem Herzen geschrieben hat.
Von einer Verallgemeinerung habe ich nix geschrieben.

. Und eine Bildsprache fördert mMn die Gefahr von unbemerktem Selbstmitleid. Im Gensatz zu einer kühlen, authentischen Selbstdarstellung.

..., die mir jedoch kein Gefühl vermittelt, was ICH aber haben will.
Doch das ist relativ, der eine das, der andere das.
Die übliche Geschichte.

Man stelle sich nur einen G.G. Marquez OHNE dessen Bildersprache vor.
Ginge gar nicht, oder?
Doch auch das ist eben Ansichtssache.

(Aus diesem Grund lese ich zum Beispiel Biografien Außenstehender lieber als die selbstverliebten Lebensberichte vieler Promis.)

Ojo.
Das ist wieder so ne Verallgemeinerung ...
Gehen wir von einem Dieter Bohlen aus - so geb ich Dir Recht.
Reden wir jedoch zB über Helmut Schmidt ("Außer Dienst: Eine Bilanz"), so reicht schon der erste Satz, um zu wissen, dass es auch anders geht.

@Mama:

Na, freut mich, dass ich wenigstens in Ansätzen Dein Ansinnen getroffen habe.
Was "Frei" angeht, so werde ich mich dann im Thread selber melden, sobald es die Zeit zulässt.
Ich gehe dann mal von einem "JA" Deinerseits aus.

Ich hätte gerne den asli ausgenutzt für die Gitten
Aber das verticker ich dem dann

 

[pitsieben]

Der Titel ist mir für die Qualität, die dann folgt, einen zu plakativ und flach.
Der Text gefällt mir sehr gut und ermahnt mich, dass ich mich auch mal wieder hinhocken und schreiben könnte.
Schöne Mischung aus Bildsprache und "auf die 12".

Wenn die Vertonung jetzt (bitte, bitte) nicht Richtung Rammstein geht, ist alles gut.

 

[misterkanister]

(bitte, bitte) nicht Richtung Rammstein

Sprach die Schublade.

Nur wenn`s passt, sonst machen wir Elvis.

 

[artname]

Hi Helge

Ich schreibe gerade vom Ipad. Da geht das Zitieren technisch schwer. Ich kann aber das Meiste so akzeptieren.

Allerdings meinte ich, dass Du einerseits schreibst, die Situation des Krüppelkonigs wäre fast aussichtslos, anderseits könne der Text den Betroffenen Hoffnung spenden. Die Hoffnung stirbt sicher zuletzt... aber mMn in diesem Falle nicht wegen, sondern trotz dieses mir zu trostlosen Textes.

Und Marquez habe ich als einen akribischen Detailschildere in Erinnerung. Gerade diese Details faszinieren mich an ihm. Ich unterscheide sprachlich zwischen Sprachfotos (Details) und Sprachbildern (Vergleiche, Metaphern, Übertreibungen). - Und so meinte ich, in diesem Falle, wo die meisten Hörer wohl fremdes Gebiet betreten, sind vielleicht nüchterne Details berührender als ...sagen wir mal...Übertreibungen.

Lg

 

[helge1973]

Hi Helge

Hi Art (hi hi - running Gag! )

Allerdings meinte ich, dass Du einerseits schreibst, die Situation des Krüppelkonigs wäre fast aussichtslos, anderseits könne der Text den Betroffenen Hoffnung spenden. Die Hoffnung stirbt sicher zuletzt... aber mMn in diesem Falle nicht wegen, sondern trotz dieses mir zu trostlosen Textes.

Genau - "wäre fast ausstichtslos".

Selbst in diesem Deinen Satz steckt noch ein Fünkchen Hoffnung und genau davon schreibt ja auch der Autor.

Unterstrichen wird dies auch noch von dem Satz

"sind wir beide Utopie?"

Hieße jener nämlich

"wir sind beide Utopie"

sähe die Sache anders aus, doch allein das Fragezeichen oben deutet ja auf Hoffnung hin.

Und Marquez habe ich als einen akribischen Detailschildere in Erinnerung. Gerade diese Details faszinieren mich an ihm. Ich unterscheide sprachlich zwischen Sprachfotos (Details) und Sprachbildern (Vergleiche, Metaphern, Übertreibungen). -

Na, dann hat good ol' Reich-Ranicki in seiner Laufbahn als Kritiker wohl eher in der Nase gebohrt, denn das was DU als "Sprachfotos" beschrieben hast, nennt er schlicht und einfach "Bildersprache"

Doch wenn man sich die ersten Zeilen aus "Von der Liebe und anderen Dämonen" anschaut, die Szene mit dem Hund, der durch diese verdorbenen Straßen rennt, allein das reicht aus, um zu wissen, dass es Bildersprache ist oder - ich find Deinen Begriff wirklich gut, da passender - "Sprachfotos".

Davon bin ich auch eher ein Fan.
Allegorien benutze und mag ich auch, doch hätte ich die Wahl ... Ya know ...

Und so meinte ich, in diesem Falle, wo die meisten Hörer wohl fremdes Gebiet betreten, sind vielleicht nüchterne Details berührender als ...sagen wir mal...Übertreibungen.

Erinnere mich da sofort an die ersten Minuten von "Saving Private Ryan" und stimme Dir da absolut zu.

Sehe ich jedoch auch nur als eine Variante.
Und auch hier kommt es auf den Kontext an, den die Mama völlig im Griff hat, da es mE frei von jeglichem Pathos ist und selbst da bin ich der Meinung, dass - auch wenn es jetzt nach Kneipentalk klingt - unserer doch meist gefühlskalten Welt ein wenig mehr Pathos gut tun würde.

Wat fürn Satz, wa?

 

[MamaMuuht]

@helge 1973

Ach, das hat du wirklich gut gesagt! Na klar hat er Hoffnung und er macht sich täglich neue! Das nenne ich das Wunder der Liebe! Klingt natürlich auch schnell kitschig aber er wartet ja wirklich auf ein Wunder. Und es gibt Wunder! Ob nun mit oder ohne Pathos, besungen,betextet oder bebildert: Gott sei es gepriesen und gepfiffen!

Grüße

Jörg

 

[helge1973]

Jaja, ... der Helge ... ganz schön weise er ist

 

[MamaMuuht]

@pitsieben

Ich finde es gut, das du die Plakativität des Titels anspricht! Da habe ich sehr lange mit mir gerungen. Er war sehr lange eigentlich nur der Arbeitstitel und ich habe auch gedacht, ich müsse ihn ersetzen. Doch durch längeres Nachsinnen und auch durch die Reaktionen einiger Menschen, denen ich den Text gezeigt habe, kam ich immer mehr zu dem Entschluss, diesen Titel so zu wählen.
Denn er ist sperrig, irritiert und verbindet zwei Worte, die sehr viele auch ambivalente Bilder entstehen lassen. Der allerwichtigste Grund war aber, das ich das Gefühl hatte es meiner Figur schuldig zu sein. Ich weiß, klingt vielleicht etwas bescheuert, aber ich würde meinen Sohn ja auch nicht mehr umbenennen....

Viele Grüße

Jörg

 

[TinDD]

Also ich bin da immer schnell auf der Palme, wie zum Beispiel durch das Video von der Kebekus was hier irgendwo gepostet wurde.

Beim Titel Krüppeljesus dachte ich zuerst es solle Jesus und der christliche Glauben in den Dreck gezogen werden. Als ich dann las dass es der Spitzname für einen behinderten Jungen war, fand ich es sofort gut. Denn das ist einfach nur ehrlich. Kinder oder Jugendliche vergeben wirklich so einen Spitznamen. Somit ist der Titel einfach nur nah am Leben.

Hat mich wirklich beeindruckt (nicht nur der Titel).

 

[pitsieben]

Ich weiß, klingt vielleicht etwas bescheuert

Nee...ist 'ne astreine Erklärung.

 

[helge1973]

@Tin:

Wat fürn Video von der Kebekus?

 

[TinDD]

@Tin:
Wat fürn Video von der Kebekus?

Bei Blödsinn aus'm Internet, Post #546

https://recording.de/Community/Forum/Community_und_Events/Sonstige_Themen/151283/Thema_28.html

 

[helge1973]

So sehr ich die auch liebe (und schon auf nem Konzert von ihr war), muss ich Dir da (ausnahmsweise - gewöhn Dich nicht dran) zustimmen:

Geht gar nicht.

Der Flow is abba jut

Sry, Mama, war's einzige OT von mir

 

[artname]

Hi helge,

Hi Art (hi hi - running Gag! Lächeln )

Find ich ehrlich gesagt auch. *A. zeigt sein schönstes Parlamentarier-Lächeln*

Na, dann hat good ol' Reich-Ranicki in seiner Laufbahn als Kritiker wohl eher in der Nase gebohrt, denn das was DU als "Sprachfotos" beschrieben hast, nennt er schlicht und einfach "Bildersprache" Zwinker

Verstehe Bildersprache, Sprachbild, Sprachzeichen, Zeichen, Symbol...Uuuuaaaa!

Was ich mit Sprach-Foto meine: Du machst Klick und schon ist das Foto fertig. DAS nenne ich direkt bezeichnende Sprache.

Beim Sprach-Bild musst Du alles selber erfinden: Perspektive, Farben, Lichter, Schatten, Hintergrund, Vordergrund, Details...Raus kommt ein total individuelles Gemälde. DAS nenne ich indirekt bezeichnende Sprache.

Manchmal gelingt das meisterlich. Aber manchmal droht die Gefahr, dass man sich schon am Anfang vertut und deshalb stark nach läßt.

Bin geboren ohne Beine
Und mit einem Riesenherz
Hab im Kopf zwei tote Steine
Lebenslänglich lebt mein Schmerz

Zeile 1: "geboren ohne Beine" hat für mich etwas von einem Sprachfoto

Die Zeilen 2-4 sind für mich Sprachbilder.

Zeile 2: "Riesenherz" schrieb ich selber ma. Aber seither verfolgt mich in diesem Zusammenhang die Vision eines Herzfehlers. Heute würde ich wahrscheinlich an dieser Stelle "Kinderherz" nehmen. Das würde mir als Anspielung reichen. Eventuell eine zuverlässigere Brücke zum Hörer bauen...

Zeile 3: Zunächst verstehe ich die Zeile nicht. Dann stoße ich mich an der Tautologie "tote" Steinen. Dann beginne ich zu mutmaßen: Steine? Augen? Tumore?...Steine???
Klar ist das Bild entsetzlich emotional... aber das wäre auch eine ... sagen wir mal... verrostete Gabel im Kopf. Und schließlich denk ich mir: Beine /Steine... gut, von mir aus.Es kommt von einem Schreiber, der was drauf hat. Gehen wir weiter.

Zeile 4: Lebenslanger Seelenschmerz....Mhm... Klar. Ich kann es mir vorstellen. Aber was macht diese Vorstellung mit mir...? - Sicher wird der Krüppeljesus ( Ich sträube mich dagegen, das Wort überhaupt zu schreiben) ständig daran erinnert, dass er keine Beine hat. - Aber in 4 Zeilen wird i meinem Kopf ein Bild gezeichnet, von dem ich mich abwenden möchte. Denn ich lese Krüppel, Opfer, lebenslänglich gestrandet. Und kann nichts tun dagegen.

(Nun habe ich aber einige Jahre mit einem überwiegend gelähmten Rollstuhlfahrer in einem Büro gearbeitet, der später in einer politischer Funktion a und zu auch in den Medien war. Ein kluger, witziger und hinterlistiger Zeitgenosse. Ich schob ihn oft zum Mittagessen. Ich glaube, er hatte sich an seine Situation mehr gewöhnt, als ich es ursprünglich für möglich hielt. Und ich frage mich, ob er die einleitende Charakteristik gut finden würde. - Gut, er hatte einen Unfall, war verheirateter Vater... aber letztlich scheint sein heutiges Leben dem des Krüppeljesusses zu gleichen.)

Ich stelle mir vor, ich würde diesen Text schreiben wollen. Und schon beginnt mein Kopf
automatisch nach Sprachfotos zu suchen, auf denen er normal, liebenswürdig oder stark rüber kommt. Denn ich will ja eher signalisieren, dass alle Menschen mit Einschränkungen ihrer Fähigkeiten klar kommen müssen, ohne sich übermäßig dafür zu hassen ... und nicht Mitleid erwecken, wo ich selber kaum mitleiden kann.

Nun kann sich der geneigte Leser fragen: Was soll der theoretisch Kram? Ich würde denken. warum übt er Tonleitern, Griffwechsel, Rhythmen? Warum muss er Kompressoren verstehen? - Und würde antworten: Klar geht es auch ohne, aber...

Fazit: MamaFettig ist für mich ein wirklich guter Texter. Dass er diesmal nicht meinen völlig unmaßgeblichen Geschmack trifft, na und...! Den treffen höchstens 2 Songschreiber halbwegs exklusiv. Und auch DAS ist für alle Anderen völlig Banane.

Liebe Grüße

 

[helge1973]

Hi helge,

Hi Art

Was ich mit Sprach-Foto meine: Du machst Klick und schon ist das Foto fertig. DAS nenne ich direkt bezeichnende Sprache.

Beim Sprach-Bild musst Du alles selber erfinden: Perspektive, Farben, Lichter, Schatten, Hintergrund, Vordergrund, Details...Raus kommt ein total individuelles Gemälde. DAS nenne ich indirekt bezeichnende Sprache.

Gut, Du unterscheidest zwischen indirekt/direkt. Ist mir auch weiter unten in Deinen Ausführungen noch klara geworden - ich halt mich da an den Reich: "Bildärr-Sprrrachä"

"Bin geboren ohne Beine
Und mit einem Riesenherz
Hab im Kopf zwei tote Steine
Lebenslänglich lebt mein Schmerz"

Zeile 1: "geboren ohne Beine" hat für mich etwas von einem Sprachfoto

So sieht es aus. Bild ist sofort da.
Alles klar.

Die Zeilen 2-4 sind für mich Sprachbilder.

Tatsächlich?
Für mich sind es Allegorien.
Bei mir entsteht nur beim ersten Satz ein Bild.

Zeile 2: "Riesenherz" schrieb ich selber ma. Aber seither verfolgt mich in diesem Zusammenhang die Vision eines Herzfehlers. Heute würde ich wahrscheinlich an dieser Stelle "Kinderherz" nehmen. Das würde mir als Anspielung reichen.

Mir nicht - ich würde es als (naives) Kinderherz sehen.
Da passt das Riesenherz (4 me) besser.
Aber ich verstehe, dass einem da die Anatomie entgegenwehen kann

Zeile 3: Zunächst verstehe ich die Zeile nicht. Dann stoße ich mich an der Tautologie "tote" Steinen. Dann beginne ich zu mutmaßen: Steine? Augen? Tumore?...Steine???
Klar ist das Bild entsetzlich emotional... aber das wäre auch eine ... sagen wir mal... verrostete Gabel im Kopf. Und schließlich denk ich mir: Beine /Steine... gut, von mir aus.Es kommt von einem Schreiber, der was drauf hat. Gehen wir weiter.

Nun, ICH hatte sofort an Blindheit gedacht, es - wie geschrieben - als Allegorie verstanden.
Aber muss ja nicht.

Tumore dachte ich kurz auch, war aber schnell wieder weg, weil: gleich 2???
Näh!

Zeile 4: Klar. Sicher wird der Krüppeljesus ( Ich sträube mich dagegen, das Wort überhaupt zu schreiben) ständig daran erinnert, dass er keine Beine hat. - Aber in 4 Zeilen wird i meinem Kopf ein Bild gezeichnet, von dem ich mich abwenden möchte. Denn ich lese Krüppel, Opfer, lebenslänglich gestrandet. Und kann nichts tun dagegen.

Was auch völlig verständlich ist.
Glaubst Du mir, dass ich mich, als ich den "Mino" geschrieben habe, mich von meiner eigenen Geschichte abgewendet habe? Mich regelrecht, mit vielen Tagen Pause dazwischen, dazu zwingen musste, die Story zu Ende zu schreiben?
Glaub es mir ruhig, denn es war so.

Nur hilft es am Ende leider wenig den Kopf wie der Vogel Strauß in den Sand zu stecken.
DAS .. .ist die einfachste Variante.
Schwieriger hingegen ist es die Augen dran kleben zu lassen.
Ganz, ganz fix tauchen dann Begriffe wie "Voyeurismus" und "Sensationsgeilheit" auf (man denke einmal an den Film "Irréversible"), doch auch da kommt es auf die Intention des Autors ein und meine waren sicher nicht die obigen und Mama's sicherlich auch nicht.
Dass es jedoch Menschen gibt, denen beide Absichten egal sind und die "wegsehen" (müssen), kann ich verdammt gut nachvollziehen.

(Nun habe ich aber einige Jahre mit einem überwiegend gelähmten Rollstuhlfahrer in einem Büro gearbeitet, der später in einer politischer Funktion a und zu auch in den Medien war. Ein kluger, witziger und hinterlistiger Zeitgenosse. Ich schob ihn oft zum Mittagessen. Ich glaube, er hatte sich an seine Situation mehr gewöhnt, als ich es ursprünglich für möglich hielt. Und ich frage mich, ob er die einleitende Charakteristik gut finden würde. - Gut, er hatte einen Unfall, war verheirateter Vater... aber letztlich scheint sein heutiges Leben dem des Krüppeljesusses zu gleichen.)

Ein Beispiel für eine hoffnungsvolle Hoffnungslosigkeit.

Ich stelle mir vor, ich würde diesen Text schreiben wollen. Und schon beginnt mein Kopf
automatisch nach Sprachfotos zu suchen, auf denen er normal, liebenswürdig oder stark rüber kommt. Denn ich will ja eher signalisieren, dass alle Menschen mit Einschränkungen ihrer Fähigkeiten klar kommen müssen, ohne sich übermäßig dafür zu hassen ... und nicht Mitleid erwecken, wo kaum einer mitleiden kann.

Auch da ist die Absicht wieder wichtig und wohin man mit seiner Geschichte möchte.
DU - willst es so wie beschrieben.
JÖRG - will es anders und er will es widersprüchlich und das ist auch gut so, denn es gibt (für mich) kaum was Geileres, als wenn ein Text kontradiktorisch (was auch immer das heisst) ist: Umso mehr setzt sich der Leser (auf jeden Fall einmal der Helge) mit jenem auseinander, vielleicht auch sogar umso tiefer, weil es mehr zum Denken anregt.

Nun kann sich der geneigte Leser fragen: Was soll der theoretisch Kram? Ich würde ntworten. warum übst Du Tonleitern, Griffwechsel, Rhythmen? Warum muss man Kompressoren verstehen? - Ich würde sagen, es geht auch ohne, aber...

Völlig richtig.
Ich halte den "theoretischen Kram" auch für völlig wichtig UND richtig.
Aber sowas von

Fazit: MamaFettig ist für mich ein wirklich guter Texter. Dass er diesmal nicht meinen völlig unmaßgeblichen Geschmack trifft, na und...! Den treffen eh nur 2-3 Songschreiber halbwegs exklusiv.

Na, dann fühlt sich ja unsere Mama sicher geehrt
Aber es ist auch unmöglich alle Geschmäcker zu treffen und es ist auch (beinahe) unmöglich immer Bestleistung abzuliefern.
Von daher ...

Liebe Grüße

Zuuu-rüüühüüück!

 

[Marc1610]

Lieber Jörg,

ich kann mich mit diesem Text leider noch nicht anfreunden. Obwohl auch dieser Text wieder total interessante Gedanken enthält. Aber mMn leider keinen interessanten Charakter. Und das kreide ich nicht dem lyrischen Ich, sondern seinem Autoren an

"Krüppeljesus" diffamieren ihn die Anderen. Er selber nennt sich sicher nicht so. Warum sollte er seinem Liebesgedicht ausgerechnet diesen Titel geben? Vielleicht sollte die Zeile wenigstens: "sie nennen mich 'Jesus' " lauten. Da kämen jedoch die Anderen über Gebühr ins Spiel, die Du ja spürbar ausgeklammert hat.

Aber ich kann sie nicht ausklammern. SIE machen ihn doch zum Krüppel. Sie spiegeln ihm, dass er nach deren menschlichem Ermessen äußerlich ein Sinnbild der Hässlichkeit ist. Da ich Deine Einleitung ernst nehme, wirst du Dich eventuell fragen, warum auch Du ihn so verspottet hast. Vielleicht soll Dein Text eine späte Abbitte sein?

Meiner Meinung nach hat DEIN "Krüppeljesus" keine Chancen bei einer "gesunden" Frau. Du hast ihm leider keine besonderen Gaben mit gegeben. Er wird geschoben, gebadet und er wartet auf ein Wunder...

Natürlich wünsche ich ihm Glück. Aber eben das Glück des Tüchtigen. In meiner Phantasie soll er die Frau wenigstens gierig einsaugen, listig körperliche Berührungen erzwingen, sie frech mit Blicken und Worten provozieren. So wie das alle anderen Kerle gelegentlich auch tun. In seiner (und meiner) Phantasie soll sie gelegentlich ihre kleinen erotischen Spielerchen mit ihm treiben. So wie dass alle anderen Weiber gelegentlich auch tun

Das wird ihn vermutlich nicht ans ersehnte Ziel führen. So wie viele andere auch nicht. Aber auf diesem Wege kann er sich meiner guten Wünsche sicher sein!


Herzliche Grüße

Da stimm ich voll zu.

Auch erzählst du es so, wie du glaubst das er sich im Innern fühlt und denkt, woher willst du wissen, ob es nicht jemanden gibt, der ihn so mag wie er ist und er glücklich damit ist und wenn er zwei Steine im Kopf hat, wird er da sicher keinen Sexuellen oder Körperliche Bindungen anstreben.
Warst du in seinem Kopf, kannst du Gedanken lesen?

Meisst erfreuen sich Behinderte Menschen über Kleinigkeiten und Zuwendung nicht sexueller Art.
Sollte das mal vorkommen, dann wurde mit solch einem Menschen irgendein Unfug betrieben, was bis zum Missbrauch geht.

Du versuchst dich in etwas reinzudenken, was für dich nicht greifbar ist.
Aber gut, so glaubst du zu wissen.

Den abwertenden Titel, solltest du wirklich ändern, der ist diskriminierend und nur für dich nachvollziehbar, was mir aber zeigt, das du nichts daraus gelernt hast und immer noch der unreife Junge von Damals bist.


Ich würde mich ja raushalten, wenn das nicht so ernst wäre.

 

[artname]

Hi helge,

Die Zeilen 2-4 sind für mich Sprachbilder.

Tatsächlich?
Für mich sind es Allegorien.
Bei mir entsteht nur beim ersten Satz ein Bild.

.

Da wandelst du aber abseits der Sprachwissenschaft - Schau zum Beispiel mal hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Bildhafte_Figuren. Es gibt auch andere Zuordnungen. Aber auf jeden Fall ist auch die Allegorie eine Bildfigur.

Nimm eine Safari, auf welcher ein kräftiger Buschmann und ein Löwe gleichzeitig ins Bild kommen. Du rufst begeistert: "was für ein Löwe!"... Meinst Du den Löwen, ist es eine direkte Bezeichnung (oder mit meinen Worten: ein Sprachfoto). Meinst Du nun den Krieger, ist es eine Metapher (Bildfigur). -

Du gehst vielleicht weiter, triffst auf ein sonnenähnliches Symbol und fragst einen Begleiter: "Was hältst Du von dem Symbol?" - Aber damit bringst Du ihn womöglich schon wieder in Deutungsnot. Meinst du das direkte Gebilde (Sprachfoto) oder die indirekt darin erzählte Geschichte um den symbolisierten Sonnengott (Allegorie).

Bilder entstehen in beiden Fällen. Einmal ein direktes. Im anderen Falle eher mindestens zwei Bilder, die durch zufällige Ähnlichkeiten (Metapher, Allegorie) oder Verwandschaften (Synekdoche, Metonymie, Antithese usw) verbunden sind.

Mir hilft diese Betrachtungsweise. Denn sie zeigt mir, wo ich relativ verlässlich (aber vielleicht auch langweilig) an meiner realen Sicht bin (direkte Sprache) und wo ich den Vorteil und das Risiko der spannenderen indirekten Sprache (Sprachbild) suche.

Ich halte den "theoretischen Kram" auch für völlig wichtig UND richtig.
Aber sowas von Ganz genau, jawohl!

Lg

 

[artname]

@Marc1610

Da stimm ich voll zu.

Danke für die Zustimmung

Den abwertenden Titel.... zeigt, das du nichts daraus gelernt hast und immer noch der unreife Junge von Damals bist.

Leider kann und will ich dem meinerseits nicht zustimmen.

MamaFettig hat mit seinem Link http://www.sonderpaedagoge.de/geschichte/deutschland/brdnachkrieg/quellen.htm mMn eindringlich gezeigt, dass sein Titel keiner infantile Regung, sondern einer sehr bewußten erwachsenen Abwägung entsprang.

 

[smehlsson]

Meisst erfreuen sich Behinderte Menschen über Kleinigkeiten und Zuwendung nicht sexueller Art.
Sollte das mal vorkommen, dann wurde mit solch einem Menschen irgendein Unfug betrieben, was bis zum Missbrauch geht.

unabhängig vom titel (der wie ich vermute mehr an sich gerichtet ist (stichwort subtext) als an den hauptdarsteller im text):
'ne freundin von mir arbeitet viel mit verschiedenen behinderten menschen zusammen und auf das thema kamen wir auch schon.

daraus schließe ich, dass entweder mit fast jedem dieser menschen 'irgendein unfug betrieben' wurde, oder du hast ein falsches bild von der sache.
natürlich nicht bei jedem gleichermaßen, aber trotzdem: den wunsch nach körperlicher bindung gibt es, eindeutig. warum denn auch nicht?


edit: ich rede hier natürlich von einem bedürfnis, sonst nix.
nicht, dass etwas falsch verstanden wird.