ein religionsthread und ich kriegs nicht mit? verdammt
unsortierte gedanken zu ein paar themen die hier aufgeflackert sind:
- theist/atheist/agnostiker:
"agnostiker" ist streng genommen ein label, dass viele bisschen falsch benutzen, nämlich so als wäre es der salomonische kompromiss zwischen dem theisten und dem atheisten. eigentlich sagt der agnostiker aber überhaupt nichts über seinen glauben sondern beschäftigt sich nur mit der frage, ob etwas "wissbar" ist oder nicht. damit ist die frage nach seinem persönlichen glauben aber noch nicht beantwortet, da drücken sich dann viele gerne
zudem ist man atheist stets auch in *bezug* auf etwas. so kann ein agnostiker z.b. sagen "ich schliesse ein gottartiges wesen nicht prinzipiell aus" und trotzdem überzeugt sein, dass zumindest die bekannten, viel zu konkret und in vielerlei hinsicht zu erkennbar fehlerhaft durchdeklinierten weltreligionen so nicht stimmen können. dann ist er agnostiker und ausserdem noch atheist in bezug auf diese religionen. auch ein gläubiger kann agnostiker und trotzdem gläubig sein. agnostiker sind eigentlich die allermeisten menschen (anwesende ausnahmen mal kurz aussen vor gelassen)
der begriff atheist selbst ist leider ein sehr unglücklicher, weil furchtbar ungenau. im täglichen sprachgebrauch wird der begriff sowohl benutzt für "person, die nicht von den bisherigen gottesbehauptungen überzeugt wurde" als auch für "person, die mit sicherheit meint zu wissen, dass es keinen gott gibt". das sind aber zwei vollkommen unterschiedliche dinge. ersteres ist letztlich die logische anfangsposition des nichtüberzeugtseins von etwas, bevor man überzeugt wird (oder eben nicht), ne simple nullhypothese letztlich. die andere position ist streng genommen ebenfalls eine art glaubensbekenntnis. nun würden die meisten atheisten (bis rauf zu den bekanntesten gesichtern des atheismus, dawkins etc.) sich als ersteres bezeichnen, während religiöse diskussionspartner einen gerne pauschal als letzteres kategorisieren, weil das *ihre* definition von atheismus ist, und weil sie ausserdem nur dann sagen können "ätsch, du glaubst auch!"
in den USA, wo die religionsdiskussion anders als im doch ziemlich gründlich durchsäkularisierten europa noch so richtig wichtig ist, gibts tendenzen einer neuen sprachregeleung, die ich sehr hilfreich finde. die erstgenannte position (von bisherigen gottesbehauptungen nicht überzeugt) bleibt der atheist, der zweite (der glaube zu wissen dass es keinen gott gibt) des sogenannte "antitheist". christopher hitchens, spaghettimonsterhabihnselig, war m.w. der erste, der den begriff einstmals ins spiel gebracht hatte, und inzwischen ist der in diskussionen durchaus bekannt und gebräuchlich.
- jesus und das neue testament:
was mich persönlich als unbeteiligten extrem am angeblich ja so netten neuen testament und der literarischen figur jesus stört, ist die berühmte religionskarotte, himmel und hölle, und vielmehr noch die mechanismen gemäss derer man die karotte bekommt oder nicht. da geht es letztlich nicht um gute taten, sondern darum, ob man glaubt oder nicht.
das ist schlicht und ergreifend das prinzip "gedankenverbrechen". und wenn man mal die ganzen bibelpassagen googelt, die in handzahmen gottesdiensten in diesem land höflich unter den teppich gekehrt werden, dann zeigt sich da eine sehr hässliche seite der literarischen figur jesus.
die muss man natürlich nicht wörtlich nehmen, und sicherlich lassen sich auch die hässlichsten aussagen (derer er leider wirklich ausgesprochen viele gibt) theologisch irgendwie meisterhaft wegerklären. aber sagen wir so, it doesnt strike me as besonders göttlich
ob es einen historischen jesus gegeben hat oder nicht halte ich insgesamt für ziemlich irrelevant, denn auch wenn es ihn gäbe wäre damit ja noch überhaupt nichts zum wahrheitsgehalt der biblischen geschichten über ihn gesagt. auch die auferstehung und so...ich staune da immer wieder, da laufen ja teilweise alle toten durch die strassen jerusalems - beinahe als wäre auferstehung von den toten quasi ne banalität gewesen damals. ein schelm, wer da beim lesen skeptisch wird
- gott als die unbekannte grösse und gläubige quantenphysiker:
das ist ja inzwischen durchaus in mode, man dehnt und dehnt und dehnt den gottesbegriff, bis er letztlich nur noch ein synonym ist. ein synonym für nahezu alles was man will. "das unbekannte". "energie". undsoweiter.
das empfinde ich persönlich als weniger mehr als sprachliche schlampigkeit. wir haben nämlich schon worte für das unbekannte und energie, nämlich: "das unbekannte" und "energie". wenn die rede von "gott" ist, dann ist im alltäglichen sprachgebrauch schon bisschen was konkreteres und anderes gemeint. die leute gehen ja auch nicht in den gottesdienst um einer steckdose zu huldigen oder sich einen vortrag von lawrence krauss anzuhören. wie alle wörter hat auch das wort "gott" die funktion, eine assoziation in unserem kopf auszulösen, und man sollte schon halbwegs präzise dabei bleiben, welche sorte assoziation das ist, wenn von "gott" die rede ist. klauski führt es gerade sehr genau vor. wenn ich über quantenphysische mysterien staune, dann kommen mir allerlei dinge in den kopf, aber sicherlich nicht ein wort mit derart viel ballast wie "gott". nennen wirs doch lieber weiterhin "quantenphysische mysterien".
übrigens sind nach den meisten umfragen (google spuckt natürlich vor allem amerikanische aus) wissenschaftler mitnichten mehrheitlich gläubig, wie hier behauptet wurde. die umfragen gehen weit auseinander (40-90% atheisten), aber zu behaupten "die mehrheit ist gläubig" dürfte auf jeden fall nicht zutreffend sein. und ich denke man darf getrost annehmen dass es im statistisch deutlich gottloseren deutschland jetzt nicht gerade religiöser zugeht.
- atheismus als "staatsform" genauso gefährlich wie religiöse staatsformen:
ich erlaube mir da mal einen entschiedenen widerspruch. da wird gerne das beispiel russland und oft auch (fälschlicherweise) hitlerdeutschland als beispiel herangezogen. nun kann man darüber streiten, wie weit hergeholt das ist oder nicht (für mich ists sehr weit hergeholt weil atheismus in keinem der beispiele der kern der ideologie war, im kommunismus nicht, und um mehrheitlich erzkonservativ-religiösen nazideutschland unter dem katholiken hitler erst recht nicht), aber eigentlich spielt das gar keine rolle. wozu über diese umstrittenen beispiele aus der vergangenheit reden, wenn wir doch tagesaktuelle beispiele direkt vor der nase haben?
atheismus selbst ist ja keine weltanschauung sondern nur eine ansicht zu einer einzigen bestimmten frage. da macht sich schlecht ein staat mit. hingegen kann man aber getrost sagen, dass der statistische mehrheitsatheist in europa heutzutage ausserdem humanist, skeptiker und überzeugter fan säkularer staatsformen ist. und genau diese mischung haben wir doch quer durch ganz europa. nahezu den gesamten skandinavische raum z.b. kann man getrost als beispiel heranziehen. religionsfreier wirds nimmer, und muss es auch nicht.
und? fallen die übereinander her, sind die in den letzten jahrzehnten irgendwie zu monstern ohne moralkompass geworden? ich würde das gegenteil behaupten.
- meine persönliche meinung: ich würde mich als atheist (gemäss der oben beschriebenen modernen definition) bezeichnen. agnostiker, klar, sowieso. mir fehlt in bezug auf jegliche gottesbehauptungen schlicht ein mich überzeugender anfangsverdacht, und das wars dann eigentlich auch schon wieder.
mehrheitsargumente marke "glauben soviele menschen dran, muss doch was dran sein" würde ich wahlweise damit beantworten, dass die menschen auch mal mehrheitlich die erde für eine schiebe hielten, oder ganz prinzipiell damit, dass ich "viele menschen glauben dass X" argumentativ eher für einen schuss in den eigenen fuss halte. viele menschen finden auch helene fischer toll. so what.
damit wäre das thema für mich eigentlich erledigt, wenn ich nicht als vater von zwei kleinen kindern dauernd damit konfrontiert wäre, wie diverse religionsgemeinschaften ständig versuchen, einfluss auf die kinder zu bekommen solange sie noch alles glauben was man ihnen erzählt. da sind die besten kindergärten natürlich evangelisch oder katholisch (finanzielle bevorteilung der kirchen sei dank) und da wird dann halt mal dezent bisschen gebetet, nur son kleines bisschen indoktrinieren, dass es niemand auffällt. davor die eltern fragen ob das ok für sie ist? aber nicht doch! dann natürlich religionsunterricht in der schule...klar, das kind kann davon "befreit" werden. dann steht es halt ne stunde alleine in der schule rum, super gefühl wenn man 7 jahre alt ist. usw usf.
das finde ich, kurz gesagt, absolut schäbig, und es sagt eine menge darüber aus, wie überzeugt da viele von der überzeugungskraft ihrer eigenen doktrin wirklich sind. die wissen schon selber, dass "gott schuf uns im wissen dass wir sündigen würden, war dann trotzdem sauer, und dann opferte er sich selbst - und zwar sich selbst. damit er uns verzeihen kann." eine nur so mittelüberzeugende story ist
