harzmusic hat schon einiges wesentliche gesagt. Die aktuellen Gagen kenne ich auch nicht mehr. Die Spannbreite ist im Bereich Fernsehen nicht sehr groß. Im Kino dagegen eher von den Gesamtproduktionskosten abhängig. Klar, wenn du sehr erfahren und gefragt bist, bekommst du mehr. Und für eine RTL-Daily-Soup (wo du nur hin und wieder eine Tiefe Taste auf dem Synthi drücken musst) bekommst du weniger als für einen Hochglanz-Tatort. Ansonsten wird nach Sendeminute abgerechnet, unabhängig davon, wieviele Minuten du davon mit deiner Musik füllst. Die 30 Minuten vollorchestriertes Orchestermusik bringt dir mitunter genauso viel wie die zarte Gitarrenstimme, die nur sehr selten ganz sachte auftritt. (Wobei für das Einspielen echte Orchester für Fernsehen praktisch immer, für Kino sehr oft zu teuer sind. Aber mit Software geht ja heute einiges.) Ganze Orchester kalkulierst du extra, aber einzelne Musiker, die bei dir was einspielen, zahlst du von deiner Gage.
Die Gage in Deutschland ist anständig. Das heißt, du kannst davon leben, wenn du genug Jobs hast. Deshalb ist die eigentliche Frage, wie kommst du an Jobs. Da die Projekte immer eilen, kommt es auch fast nie vor, dass du zu viel Zeit mit einem Projekt verbringst und so in ein Preis-/Leistungsungleichgewicht kommst.
Ja,dafür brauch ich natürlich erstmal Aufträge. Heißt: ich muss Werbung machen, suchen, das Album als ne Art Demonstration nehmen
Richtig. Aber vorher musst du diesen Job erst einmal können. Bisher scheinst du noch keine echten Projekte vertont zu haben. Woher weisst du so genau, dass du gut darin bist?
In der Filmbranche ist es für Kreative - Kamera, Licht, Regie etc. - üblich, sich über kleine Projekte zu trainieren und fortzubilden. Sprich: Kurzfilme, Low- und No-Budget-Projekte. Alle diese Projekte brauchen auch Filmmusik. Pfiffige Musiker bieten sich auf den entsprechenden Plattformen an. Gagen gibt es üblicherweise keine. Hier kannst du beweisen, dass du filmisch erzählen kannst. Und dass du in der Lage bist, mit Regisseur und Produzent zu kommunizieren und dich auf sie einzulassen. Und glaub mir: die sind alle ganz unterschiedlich. Mit jedem von ihnen musst du anders arbeiten. Manche können sich musikalisch ausdrücken, manche erzählen von der notwendigen Dramaturgie und andere wissen überhaupt nicht, wie sie dir mitteilen können, was sie von dir erwarten. Manche haben keine Vorstellung und können sich erst erklären, wenn sie was fertiges hören: „Nein, das geht gar nicht!“
Bei Kurzfilmen ist es oft nicht so wichtig, pünktlich zu liefern, aber wenn du diszipliniert genug bist, arbeitest du trotzdem so, als gäbe es eine brutale Deadline.
Solche Projekte kannst du auch durchziehen, wenn du noch einen festen Job hast. Und du bekommst so nach und nach vorzeigbares Material, mit dem du dich vorstellen kannst. Aber Achtung: Unter den zahlreichen Kurzfilm und No-Budget-Filmern gibt es nicht nur Genies. Wenn der Film Mist ist, wirst du selbst auszugsweise kaum Material für einen guten Showreel zusammen bekommen. Denn wenn die Schauspieler schlecht sind das Bild lausig ist, wirst du das kaum vorzeigen wollen. Also Augen auf, mit wem du zusammen arbeitest. Am besten Referenzen zeigen lassen, persönlich kennen lernen etc. Wenn du etwas von Dramaturgie verstehst, kannst du oft schon am Drehbuch erkennen, ob das Projekt die Mühe wert ist.
Von den vielen Filmemachern, die auf diesem Niveau Filme machen, schaffen es einige wenige bis zum Profi. Wenn du sie bis dahin mit ihren Projekten begleitet hast, werden sie dich auch dann noch buchen, wenn es um richtige Jobs geht. Unterschätze das Netzwerk nicht. Viele der Mitarbeiter eines Films werden sich an deine Musik und dein kompetentes Verhalten erinnern und können dich ganz überraschend weiterempfehlen oder selbst buchen. Manchmal wirst du dich an denjenigen aus dem Team nicht erinnern können, der dich weiterempfiehlt, weil du mit dem Drehteam normalerweise sehr wenig zu tun hast.
Eine gute Empfehlung sind Abschlussfilme von Studenten der Filmhochschulen. Dort ist der Standart fast immer sehr gut und die brauchen schliesslich auch Filmmusik. Allerdings haben viele der Studenten ihren Stammkomponisten bereits bei früheren Projekten kennen gelernt, weshalb es sich doch lohnt, auch kleinere Studentenprojekte mitzumachen. Auf jeden Fall – jetzt werden einige auf mich schimpfen, aber sich sage, wie es ist – ist die Chance, auf ebenbürtige Filmemacher zu treffen unter Filmstudenten höher als unter anderen. Natürlich nur dann ebenbürtig, wenn du ein guter Filmkomponist bist.
No- und Low-Budget-Jobs (und natürlich auch normal bezahlte Jobs) findest du u.a. hier:
https://www.crew-united.com
Immer noch deutlich leichter als im Film ist es, in der Werbung unterzukommen. Wenn du das kannst, hast du gute Chancen. Ansprechpartner sind hier die vielen Werbeagenturen, die Werbefilme in Auftrag produzieren oder die von ihnen beauftragten Medienagenturen.
Zu deinem Arbeitsplatz: Heute geht in der Kommunikation vieles über das Netz, aber sehr oft wird sich der Regisseur doch mit dir an deinen Schnittplatz setzen wollen, um im einzelnen über das Projekt zu sprechen. Du brauchst also einen ernstzunehmenden Arbeitsplatz. Gute Computer-Monitore, gute Abhören. Ein leises Zimmer ohne den Straßenlärm von draußen etc..
Zuletzt zur Gemma. Das Fernehen in Deutschland hat spezielle Verträge mit der Gemma, die es ihm erlauben, beliebige Beiträge gegen pauschale Honorierung zu benutzen.
Die Gemma kommt dann ins Spiel, wenn du bereits vorhandene Stücke, z.B. CD-Aufnahmen, nutzen willst. Etwa, weil der Film in den 50iger spielt und du authentische Rock'n'Roll-Musik brauchst. Die Verwendung von Originalmusik musst du wegen der zusätzlichen Kosten mit dem Sender absprechen.
Der Deutsche Film hat keinen solchen Luxusvertrag und muss die Lizenzen gesondert anfragen und einkaufen. Hier kann der Rechteinhaber die Nutzung auch verbieten oder so teuer machen, dass es unrealistisch ist. Da musst du als Filmkomponist dann geeignetes anderes Material finden, wenn es denn unbedingt eine Originalkomposition sein muss.
Das war jetzt verschiedenstes Zeugs, hoffentlich nicht zu durcheinander dargeboten?
