Genau der richtige Thread für mich.
Ich besitze ein Racksystem mit einem Haufen Tretminen und zwei Röhrenpreamps. Die werden verwaltet von einem Sound Sculpture Switchblade. Am Ende der Gainstaging Kette ist ein analoger EQ und danach kommen noch ein analoges Delay und ein Mobius von Strymon. Als Endstufe plus Box verwende ich derzeit einen Fender Hot Rod Deluxe. Der ist aber vor allem für mich zum Anhören. Der Mischer erhält meist den Output einer analogen Boxensimulation mit DI-Ausgängen in Stereo. Würden wir häufiger auftreten, dann würde ich in Erwägung ziehen, zwei 1x12er Boxen entweder zu bauen oder zu kaufen und die mit eine Stereo Röhrenendstufe anzutreiben. Allerdings habe ich im Moment keine Lust auf diese Investition. Boxen bringen ja auch immer das Problem mit, daß man den Mikrofonierungskünsten des Mischers ausgeliefert ist. Zählt das eigentlich als "einen Amp spielen"? Der Signalweg ist jedenfalls von vorne bis hinten analog, lediglich das Strymon fügt Digitales hinzu.
Vor ca. 20 Jahren habe ich einen Line6 POD und einen Fender Twin Reverb besessen. Ich wollte das Spielgefühl haben, was man hat, wenn man die Gitarre direkt an einen Röhrenamp anschließt, ich wollte aber die Tonvielfalt, die der POD bietet. Ich habe auf dem Weg dahin eine Menge Schrott gekauft und einiges gelernt. Der Schlüssel zu einem guten Sound waren letzten Endes das Switchblade und das modulare Stromsystem von Gigrig. Meine Tretminen klingen in dieser Kombination besser als je zuvor. Ich nutze unter anderem einen Big Muff von Ende der 70er oder Anfang der 80er. Der macht normalerweise Wasserfall, wenn man den Gain aufreißt und gerade nicht spielt. In diesem System ist er sehr gut nutzbar.
Ich bin der festen Überzeugung, daß auch heutige Topsysteme à la Kemper nicht mit echter analoger Technik mithalten können. Ich mache das an verschiedenen Dingen fest, am wichtigsten ist mir das Spielgefühl. Im Vergleich zu einem echten Röhrenamp klingt eine Simulation immer etwas schaler, kraftloser, weniger lebendig. Mein liebster Zerrsound ist eine Tretmine, die einen Röhrenamp leicht anboostet. Man bekommt den Charakter des Pedals, welches man gerne mag und man bekommt röhrige Obertöne dazu. Ich kenne kein digitales Wah, was geil klingt. Und ich meine geil, nicht einfach solide. Insbesondere die Interaktion zwischen Wah-Pedal und Verzerrertretminen nutze ich sehr gerne. Ganz allgemein reagieren analoge Geräte, die sich gegenseitig in die Sättigung treiben anders, als ein in einer Simulation zusammen geklickter Signalweg.
Hinzu kommt ein gewisser Zufallsfaktor, der entsteht, wenn echter Strom durch echte Schaltungen fließt. Hier mal ein Knackser, dort mal ein Rauschen. Das ist für mich so, wie der Unterschied zwischen einem Drumloop und einem Schlagzeuger, der die gleiche Figur immer wieder spielt. Ach ja, und noch was: in einem modularen analogen System kann ich mir verschiedene Effekte zusammen stellen, die genau das machen, was ich will. In einem digitalen System ist man auf die vorhandene Varianten angewiesen und man kann auch nichts mehr hinzufügen. Wenn man das nämlich macht, dann hat man mehrere AD/DA-Wandlungen im Signalweg, und das ist meiner Ansicht nach der absolute und endgültige Tod eines jeden lebendigen Gitarrensignals.