Wann lässt man los?

[DeNto1]

Servus,

Mich würde mal interessieren wie lange ihr noch an den "Feinheiten" im Mix feilt?
Bei mir ist es so, das wenn mein Mix steht, setze ich eine provisorische Masterkette und einen Analyzer auf den Master und fange dann an noch ein Paar Lautstärken anzupassen, vielleicht hier und da mal etwas mehr Luft zu verschaffen oder ein paar release und attack Zeiten zu optimieren. Danach vergleiche ich mit Referenzen, schalte Abhören um, höre über verschiedene Kopfhörer usw.
Naja, manchmal kann sowas bei mir Stunden dauern und wenn alles ziemlich gut ist will ich es dann perfekt machen und drehe hier und da mal 0,3 dB rein oder raus usw. Manchmal denk ich mir dann so jetzt reichst...Ende aber es macht halt auch bock wien sau. Wie macht ihr das? Wann lässt ihr euer Baby los? Macht ihr euch strikte Deadlines oder ähnliches?

Grüße

 

[SymbiontRecordings]

bei mir kann das schon mal ein paar tage oder wochen dauern...sich selbst in revision zu jagen ist unschön, but thats not the point

diese feinheiten sind mir mehr als bekannt. hier 0,1 db mehr oder weniger, dort mal mit der referenz ausm auto abgleichen usw.

ich bin bei sowas echt fetischist wenn es um automation geht...macht ja auch spaß
war zum glück noch nie in der position wo es eine echte deadline gab...der mix ist eben "fertig" wenn er "fertig" ist

 

[LM18]

Wenn du deiner Arbeit nur noch Änderungen zufügst und keine Verbesserungen mehr.

Dann solltest du innehalten oder aufhören.

 

[Dodo_I]

Kennst Du das 80/20-Prinzip?

Es besagt, dass man mit 20% Gesamtleistung bereits ca. 80% eines Projekts erstellt hat.
Um das Projekt letztlich auf 100% zu bringen, muss man dann noch mal 4 x soviel Energie investieren, nämlich 80% der Gesamtleistung ...
(ich hoffe, man versteht, was ich meine)

Kommt also darauf an, wie weit Du Deine Projekte bringen willst, und wieviel Energie Du darin investieren willst ...

 

[Rex]

Kennst Du das 80/20-Prinzip?

Pareto-Prinzip ist das Stichwort.

 

[Dodo_I]

Kennst Du das 80/20-Prinzip?

Pareto-Prinzip ist das Stichwort.

Oh, Danke

 

[Traumwandler]

Mich beschäftigt die selbe Frage.

Ich habe es schon erlebt, dass ich Mixe zu schnell abgeschlossen habe und dann nacher unzufrieden war. Da ich alle meine Erzeugnisse zeitnah veröffentliche ist da dann auch leider nichts mehr zu reparieren.

Andererseits kann man unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eben auch nicht ewig an einem Mix rumschrauben. Ich versuch, das schon zu begrenzen. Vor allem dadurch, dass ich die einzelneen Sessions nicht so ausdehne sondern lieber mehrmals mit frischen Ohren ran gehe.

Mein Workflow ist:
1. Tag: Grobe Komposition und Mixing (2 - 8 h)
2. Tag: Arrangement, Details und Mix (4 - 8 h)
3. Tag: Nochmal Mixen und Mastern. Auf verschiedenen Abhören gegenchecken (ca. 2 - 4 h)
4. Tag: Master korrigieren und gegebenenfalls noch ein paar Sachen im Mix korrigieren.
5. Tag: Vielleicht entdeckt man noch kleinere Unstimmigkeiten aber danach sollte man dann glaube ich aufhören.

Das 80/20 Prinzip passt für mich nicht so gut. Bei mir ist ein Song halt irgendwann, meistens eben nach 2 Tagen rein arbeitszeit fertig. Da könnte ich dann auch nicht nochmal mehrere Tage dran hängen um nochmal 20 % raus zu kitzeln. Kann man aber sehen wie man will und kommt auch auf die Komplexität des Songs an. In sich perfekt muss es auf jeden Fall sein. Wenn man dann für die letzen 20 % 80 % der Arbeit braucht dann ist es eben so. Muss man eben die ersten 80 % in zwei Stunden schaffen

 

[thesoundlab]

@ Traumwandler: Kann ich (fast) so bestätigen. Mit dem Workflow kann ich mich auch identifizieren. Aber: Was genau meinst du mit Mixing unter Punkt 1, das vor dem Arrangement kommt? Und wie untescheidest du Mix und Mixing in den Punkten1 und 2?

 

[Ash-Zayr]

Lässt sich ja gar nicht sagen....100% sind ja keine allgemeingültige Marke: vielmehr hat jeder seine persönlichen 100%, die die individuelle vollste Zufriedenheit darstellen im Rahmen der technischen Möglichkeiten, des Fachwissens und des individuellen Beurteilungsvermögens eines fertigen Songs.

Allerdings gibt es schon mindestes zwei threads mit sehr reger Beteiligung zu dieser wohl beliebten Fragestellung...

Ash

 

[BasementBluesBoy]

...also ich lass auch gerne mal ein paar leute hier aus dem Forum reinhören oder jungs, die mit den song eingespielt haben oder auch reine Konsumenten um deren Meinungen zu hören. danach mache ich dann noch entsprechende korrekturen.

gruß und keep mixing

bbb

 

[Cruba]

Also vielleicht iss das ja net so üblich, aber ich habe schon als Kind weniger auf die Musik als solches als auf einzelne Instrumente, Parts und deren Verhältnisse geachtet.

Daher nehme ich mir für den Song das nach meinem Ermessen Bestimmende Instrument/Element. Diesem ordne ich wirklich ohne Gnade alles andere unter. Das kann mitunter auch ne leise Flöte sein (nur mal son' Beispiel) die nur 10 Sekunden im Song zu hören ist, die ich für bestimmend erachte.

Ich gehe halt musikalisch davon aus, dass wenn diese Flöte im Kontext zu allem andern nicht wirklich bestens behandelt wird, das Ganze net funktioniert.

Von dem Bestimmenden Instrument/Element aus mische ich jedes weitere Instrument dazu. Auch hierbei schaue ich net nach hinten sondern nur nach vorn.

1) bestimmendes Element passend machen, so wie es der Hörer später im Umfeld X (Auto, TV, Kopfhörer, Club) wahrnehmen soll

2) Zweites Instrument anpassen/unterordnen

3) Drittes Instrument anpassen/unterordnen

4) Kein weiteres anpassen/unterordnen dieser drei Elemente untereinander

5) Hier hätte jetzt nur das 4. Instrument noch was zu sagen

Bedeutet, bei mir hat nur das 27. Instrument das Sagen gegenüber dem was schon passiert ist, weil's für mich eine logisch aufgebaute Kette ist in der jedes vorhergehende Instrument mischtechnisch auf seinem Vorgänger beruht.

Das funktioniert für mich auch mit jedem Sound und egal ob's ne Bassdrum, Supersaw oder ein Triangel ist.

 

[Ash-Zayr]

Eine Kette ist aber eine Sequenz, eine Art Linearität, mit der sich eigentlich ja nicht arbeiten lässt, sobald Arbeitselemente und Zutaten sich gegenseitig beeinlfussen, und dass ist bei einem entstehenden Mix und Recordings ja der Fall...ein Eingriff immer nur am letzten Glied der Kette kann das drittletzte doch schon wieder beeinflussen und einen Eingriff nötig machen.

Mal anders dargerstellt. Du willst neue Saiten auf eine Gitarre mit schwebendem Tremolo ziehen.
Gemäß Deiner Maxime fängt Du beim tiefen E an...stimmst korrekt auf E, fertig...Du blickst nicht zurück...nun A Saite usw.....Ergebnis, obwohl Du jede Saite 100% auf ihren Ton gestimmt hattest: fatal.
Denn durch den wachsenden Zug der nacheinander angezogenen Saiten auf die Bridge verändert sich erstmal immer wieder das Gesamtergebnis..für das Stimmen einer solchen Gitarre braucht es ca. 10 oder mehr Anläufe von komplett tiefes e bis hohes e, bis der Einfluss der Änderung eines Elements auf das Gesamte nicht mehr ins Gewicht fällt, bzw. sich einstellt. Es ist eine Näherungsrechnung auf Null hin, bis ein stabiles Gleichgewicht erreicht ist.
So ist es mit einem Song doch auch.

Ash

 

[SymbiontRecordings]

sehr gute erklärung Ash-Zayr, die gegenseitige beeinflussung von musikalischen elementen/instrumenten in einem mix sollte man nie außer acht lassen

 

[GreatFun]

...rein philosophisch gesehen ist das absolute Perfekte, nach meiner Sicht nicht zu 100% als Musiker zu erreichen. Da unsere gesamte Wahrnehmung ja auf Relationen basiert. Ein großer Baum an sich exisitiert nicht. Ein großer Baum kann nur existieren, weil nebendran noch ein kleinerer steht. Das absolut perfekte ist für mich mit nichts anderem zu vergleichen. Jetzt müsste es theoretisch so sein, dass ich das absolut Perfekte garnicht erkennen kann, weil ich es mit nichts anderem aus meiner Wahrnehmungsrealität vergleichen kann.

Die "innere Perfektion" wie es Traumwandler geschrieben hat ist das einzige was zählt, also das alle Elemente stimmig zueinander passen. Das wiederum weis man umso schneller, je präziser man eine Klangvorstellung von seinem Track hat. Angenommen man könnte sich alles bis ins Detail vorstellen, dann muss man es nurnoch so hinmischen dass es passt und fertig

Ich geh am Schluss meistens einfach nach dem Feeling, oder Vibe den der Song mir rüberbringt. Bei meiner Rockband war ich mit Aufnahmen immer dann zufrieden, wenn ich zu den Aufnahmen genauso abgehen konnte wie auf der Bühne. Dann wusste ich : OK, die Aufnahme bringt das rüber was ich fühle. Interessanter Weise war das bei unseren Aufnahmen eher dann der Fall wenn wir alles gleichzeitig eingespielt hatten, als wenn wir nacheinander eingespielt hatten. Die zusammeneingespielten Tracks hatten zwar viele kleine Fehlerchen, waren also technisch gesehen schlechter, hatten aber trotzdem mehr Vibe. Und am Ende zählt ja nur das, was die Musik vermittelt.

schöne Grüße,
Greatfun

 

[Basstronaut]

Andererseits kann man unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eben auch nicht ewig an einem Mix rumschrauben. Ich versuch, das schon zu begrenzen. Vor allem dadurch, dass ich die einzelneen Sessions nicht so ausdehne sondern lieber mehrmals mit frischen Ohren ran gehe.

Das seh ich auch so wie Traumwandler.
Gerade ewig lange mixsession über 6 Std. am Stück werden bei mir dann irgendwann Contraproduktiv.
Ich hab recht gut erfahrungen gemacht wenn ich mir das Mischen in 2-3 Steps einteile und michbei jeder Session nur auf gewisse Instrumentengruppen konzentriere.
z.B Drums, Bass groove und Grundgerüst in einer Session,
nach ner langen Pause kommen die Vocals, Backing, Gitarre, dann der Rest etc. und am Ende noch FX und räumilchkeit finetuning bis der Mix gefällt.

Danach nehm ich mir 2-3 Tage Zeit und hör mir das Ding im Vergleich zu vergleichbaren Referenzen an. Nach 2 Tagen fallen mir dann immer einige Sachen auf die noch nicht passen.
Und dann gehts ans Mastern.
Und auch das Master lass ich dann 1-2 Tage liegen.

Ich finde wenn man die Zeit hat, sollte man sie sich auch nehmen.
Es kommt natürlich auch immer auf den Track an. Einfache Sachen macht man ein einem Stück, schwierige Nummern teil ich mir auf.

 

[Trebel]

puh, so viel Text.

Für mich stellt sich die Frage nach Feinheiten erst, wenn die komplette Idee für einen Track im Kasten ist.

Für einige von Euch selbstverständlich ?

Nun, ich hatte hier im Feedbackforum mal einen Track rein gestellt, der grob von der Idee
2011 entstanden ist. (Anon Arc)

Jetzt 2014 hab ich einige Sounds verbessert bzw. verbessert bekommen (Danke an Cherry)

Und das Ding ist immer noch nicht zu 100 % fertig.

Somit ist das eine Frage der Umstände.

Das kann Jahre dauern....

peace

 

[Ash-Zayr]

Ich hatte mir von Randy hier aus dem Forum das Buch "getting pro" gekauft und gelesen....nach dem Lesen, und auch schon zwischendrin, war ich eigentlich eher ernüchtert denn motiviert. Wirklich für jeden kleinsten Aspekt der PRoduktion, jeden Arbeitsschritt, Instrumente, Mikros, Effekte, EQ, usw gibt es zig Herangehensweisen und Tricks, und zwar nicht immer nur entweder/oder, sondern eben auch alles zugleich angewendet....das Gefühl beim Lesen des Buches war derart, dass ich dachte: brauche ich für einen Song bisher einen Monat, so wird es jetzt hochgerechnet nach dem Buch 1 Jahr dauern.....gepaart mit dem schlechten Gewissen, dass wenn ich jetzt nicht all diese fundamentalen Dinge und die Feinheiten allesamt fortan in jederm Projekt anwende, ich ja nicht das maximal Mögliche heraushole.
Das Buch an sich ist gut, keine Frage, aber vielleicht hat der Autor versäumt deutlich zu machen, dass er nur eine Palette an möglichen Tools aufzeigt, aus der man gezielt wählen kann; mir kam es eher so vor, als wenn es die Liste der "must have /must do" features ist, und da war wirklich extrem zeitraubendes und filigranes Zeugs dabei an Arbeitsschritten...allein z.B. die Kompressor-Philosophie würde mich über eine Woche kosten...nur für einen Effekt wohlgemerkt!

Unwissen und ein kleiner Horizont können ein Segen sein; zu viel Wissen ein Fluch....ich bin froh, dass ich eher der ersten Fraktion angehöre und zumindest hier im Song-Voting von meinem ersten Beitrag an nie negativ aufgefgallen und als blutiger Recording-Anfänger heraushörbar war.
Vielleicht steckt in der Intuition eines jeden von uns doch mehr, als wir selbst denken und an uns zu glauben wagen.
Ich werde es weiter so halten, dass ich mir gern Fachwissen aneignen möchte, dieses aber einfach zu ignorieren wage, wenn es mir zu kompliziert, unbequem und lästig wird.....so lange mir das Ergebnis dann Recht gibt, dass ein A - B Vergleich zwischen mir und einem komplett profi-behandelten Werk keine nennenswerten Unterscheide eribt, kann ich das schlechte Gefühl, nicht alles Mögliche getan zu haben, gut verdrängen.

Ash

 

[karumba]

hm...wann lässt man los? zunächst ein mal muss man sich die frage stellen wie man erkennt das ein mix fertig ist. je mehr erfahrung man bekommt, desto besser erkennt man es. ein mix braucht bei mir im schnitt zwischen 3-4h. ich mische davon idR 80% am selben tag & mache am nächsten tag noch feinkorrekturen.

beim mixing ist es wichtig schnell die wirklich wichtigen entscheidungen zu treffen. 0.3dB steps sind für mich eher was fürs mastering, beim mixing bin ich nie unter einem 0.5dB raster, meist eher bei etwas höher, ala "bringt mich das dB wirklich weiter oder soll ich es lassen".

 

[Beregron]

.....so lange mir das Ergebnis dann Recht gibt, dass ein A - B Vergleich zwischen mir und einem komplett profi-behandelten Werk keine nennenswerten Unterscheide eribt, kann ich das schlechte Gefühl, nicht alles Mögliche getan zu haben, gut verdrängen.

Ash

Ich schalte mich auch mal ein. Ich sehe dass genauso wie Ash. Man muss doch sagen dürfen: Nicht der Weg ist wichtig, sondern dass was am Ende dabei heraus kommt.

Wenn ich mir das alles so ansehe, der Fred ist ja lange genug dafür, dann gibt es doch viele verschiedene Meinungen. Weiter oben war ja das Pareto-Prinzip angesprochen worden. Leider Gottes stimmt das auch meistens.

Es ist mir schon vorgekommen, dass ich innerhalb von nur 4 Stunden einen kompletten Song geschrieben, aufgenommen und gemixt hatte. Betrachtet man jetzt aber die Zeit und dass stimmt tatsächlich, so hatte ich ca. 3,2 Stunden gebraucht zum Schreiben und Aufnehmen. Die restlichen Minuten (20%) gingen für das Mixen drauf.

Ich habe aufgehört mir Bücher zu kaufen und zu lesen, da mir das alles viel zu Aufwendig ist. Wenn man das alles durchstrukturiert, kann man auch gerne mal eine ABC-Analyse machen oder das Eisenhower-Prinzip anwenden. Dann merkt man schnell, das nur wenig wirklich wichtig ist und der Großteil immer mehr vernachlässigbar. Ist aber nur meine eigene Meinung.

Schließlich läuft auch jede Aufnahme anders ab. Zumindest ist sie von Künstler zu Künstler und von Stil zu Stil unterschiedlich.

Das wichtigste aber und da gebe Basstronaut recht ist, nach dem Mix das ganze einfach mal etwas liegen zu lassen. Danach hört man dann schneller raus ob etwas nicht passt. Und nach 4 Stunden Mixing sind meine Ohren derart kaputt, dass ich nicht mehr Objektiv sein kann.

Geht es da anderen genauso?

 

[DeNto1]

Danke für die vielen Anregungen und Hinweise. Mit "perfekt" meinte ich natürlich subjektiv für mich so das ich zufrieden bin, das ist mein Ziel beim mixen.

@ karumba
Warum ist es wichtig schnell die wichtigen Entscheidungen zu treffen und welche sind das z.b. Für dich?
Manchmal verbringe ich Stunden damit auszuprobieren welcher comp besser passt. Klar hab ich meine Lieblinge aber manchmal will ich einfach etwas neues ausprobieren...

@ ash
Schaffst du es im a/b vergleich an die Prof. Qualität ranzukommen?

@ trebel
Kenn ich gut, ich mische gerade alte teilweise 2 Jahre alte Projekte neu . Damals war ich zufrieden mit der Ausrede es ist ja eine homeproduktion heute siehts schon anders aus.

@ Rex und Dodo.
Danke für den Hinweis zu dem Pareto Prinzip. Ich habe es bis jetzt nur kurz überflogen aber das ich es voll verstanden habe kann ich noch nicht behaupten...

Gruß