bisschen fachidiotengequatsche zum thema:
ein sehr empfehlenswerter spass ist, sinatra cd im auto einzulegen und zu versuchen, timinggenau mitzusingen. es ist ziemlich unglaublich, wie sinatra zu beginn doch irgendwie immer mehr laid back zu sein scheint, und dabei trotzdem immer so natürlich und "richtig" klingt.
ich hab das in meiner dickköpfigkeit damals extrem lange durchgezogen (auch weils spass macht, mitzusingen, und im speziellen fall meiner schrottstimme im auto dich niemand hört
), und da sehr viel für mich gewonnen, als mir aufging, was ihn in seinem genre so speziell macht:
im prinzip ist sinatra einer der eher seltenen englischsprachigen fälle der "sing wie du sprichst"-schule. in dieser wird die natürliche, rhythmisch der gesprochenen sprache möglichst nahe phrasierung in der prioritätenliste über die musikalische rhythmische präzision gestellt. im deutschen ist das für guten deutschen popgesang mehr oder weniger pflicht, im englischen aber eher optional. aber in beiden fällen kommt dabei diese sehr spezielle form natürlicher laid-back-ness und eine sehr hohe authentizität in der, äh, emotionalen ansprache des zuhörers heraus.
wenn man das entsprechende microtiming analysiert, ist das hervorstechendste muster jenes, dass man in der regel die zeile tight auf dem grid beginnt, aber beim aussingen der zeile sich je nach phrasierungsbedarf hinter das grid fallen lässt - und die nächste zeile aber wieder im timing beginnt.
klingt jetzt sehr technisch, ist aber in der praxis ein durchaus natürlicher prozess. man muss einfach "sich die zeit nehmen" und drauf achten, dass man jenseits der rhythmischen zwänge jedem wort die gravitas gibt, die es verdient. so, wie man spricht, oder je nach beschaffenheit des textes, so wie man den text als gesprochene poesie vortragen würde. der einzig verbleibende rhythmische präzisionszwang ist der beginn der zeile.
dafür, dass das so ein mächtiges tool ist, ist diese dimension gesanglicher phrasierung vielen performern verblüffend ungeläufig. ich setze das in vocal coachings sehr häufig ein. selbst absolut erstklassige sängerInnen kommen da meist raus und sagen, sie hätten viel dabei gelernt.
das klingt jetzt bisschen eingebildet, deswegen will ich betonen, ich meine das überhaupt nicht in bezug auf mich (dass ich mit meiner giesskannenstimme soviel vocalcoache ist sowieso der witz des jahrhunderts), sondern in bezug auf die technik an sich. kann ich nur von ganzem herzen empfehlen!
