Der Thread ist ja schon etwas älter aber da mein Kemper gerade in der Post war, würde ich auch gerne meinen Senf dazu geben:
Zunächst einmal zu meinen Gründen für den Kauf: Ich spiele seit ca. 25 Jahren Gitarre, immer in Bands, meistens Rock, bin aber jemand, der große Investitionen scheut. Daher habe ich auch keine Armada an teuren Röhrenamps im Schrank, sondern spiele seit Jahren auf einem Kustom-Hybrid-Combo, weil ich den bei einem Tag im Musikshop mal als Amp mit für mich bestem Preis-Leistungsverhältnis entdeckt habe. Ich bin mit dem Amp auch weiterhin zufrieden, hatte aber immer den Traum von einem Vox AC30, dessen Sound ich absolut liebe. Nun war ich soweit, dass ich mir den AC30 kaufen wollte, habe aber beim Ausprobieren dann doch wieder geschwankt und gezweifelt, ob nicht doch ein Tiny Terror oder ein Marshall JCM besser geeignet wären. Dann habe ich den Kemper gefunden und war als Informatiker sofort begeistert von der Technologie. Die vielen YouTube-Profiling-Videos haben mich dann überzeugt. Also habe ich kurzerhand gut das Dreifache (inkl.DXR10) von einem AC30 in die Hand genommen und den Kemper bestellt.
Rein moralisch halte ich den Kemper nicht für grundsätzlich verwerflich. Das heisst, dass ich die Idee an sich nicht für ein zu verurteilendes Geschäftsmodell halte (wie ich es z.B. über Massentierhaltung zur Fleischproduktion oder Produktion von bestimmten Waffensystemen denke).
Die Gründe dafür sind vielfältig:
- Die Idee des Kemper ist gut und verdient geschäftlichen Erfolg. Es handelt sich um einen (offensichtlich) tollen Algorithmus, der etwas tut, das andere Algorithmen bislang so nicht konnten. Von daher ist der Kemper eine eigene technische Entwicklung und keine bloße Kopiermaschine.
- Natürlich wird damit geworben, dass die Profile eine möglichst exakte Kopie einer Signalkette sind. Eine 100%ige Kopie können sie aber natürlich nicht sein, da auf dem hinzugefügten Signalweg immer irgendetwas verloren geht oder hinzugefügt wird.
- Der Kemper erzeugt eine Kopie von Signalwegen und nicht von Amps. Das heisst: Raum, Mikro, Box, Kabel usw. kommen zum Amp dazu. Wo kämen wir denn hin, wenn für das alles dem Ampentwickler Tantiemen gezahlt werden müssten, dem Mikrohersteller und dem Profil-Produzenten z.B. hingegen aber nicht.
- Der Kemper wird echte Amps niemals vollständig verdrängen, weil Musiker eben ewig Gestrige sind und Design, Haptik und Esotherik zumeist viel wichtiger sind als reiner Klang.
Die Ausnutzung von money back hingegen finde ich schon verwerflich, da das ein Service von Händlern ist, um Konsumenten die Möglichkeit zu geben, Produkte auszuprobieren, bevor sie sie endgültig behalten. Wenn ich das für solche Zwecke ausnutze, wird es auf Kurz oder Lang dazu führen, dass es diesen Service nicht mehr gibt. Damit würde den Händlern geschadet, die weniger verkaufen würden an zweifelnde Kunden und es würde den Kunden geschadet, weil sie diesen tollen Service nicht mehr nutzen könnten.
Aus diesem Grund habe ich mich natürlich auch dagegen entschieden, so etwas zu tun. Ich habe stattdessen bei zwei Händlern in meiner Nähe angerufen und gefragt, ob ich (natürlich, wenn ich den Kemper bei ihnen kaufe) ihre Amps in ihren eigenen Räumen profilen dürfte (wofür ich auch eine gesonderte Bezahlung angeboten habe). Ein Händler lehnte ab, ein weiterer verlangte eine völlig indiskutable Summe. Also habe ich ein paar Freunde gefragt, ob ich deren Amps profilen darf und habe den Kemper woanders bestellt.
Ob der Kemper mir nun liefert, was ich will, wird sich zeigen. Ich habe jedenfalls nie zuvor so viel Geld für einen Amp (geschweige denn für einen Preamp) ausgegeben und erwarte schon einen Wow-Effekt und eine ungeahnte Flexibilität. Dafür werde ich mir meine Profile alle selbst erstellen in unserem eigenen Proberaum/Studio mit jeweils separaten Profilen für jede meiner Gitarren und jeden gewünschten Sound, so dass ich die Kemper-internen Regelungen nur für Nachjustierungen nutzen muss. Ich möchte damit wirklich an den Punkt kommen, dass ich mir niemals wieder einen anderen Amp wünsche.
Was ich aber ganz sicher nicht erwarte, ist ein schlechtes Gewissen meinerseits, weil ich den hochgradig innovativen Amp-Herstellern schade.
