Man kann dem Kollegen ja durchaus vorwerfen, in der Vergangenheit provoziert zu haben.
Es mag ein paar Texte gegeben haben, die ein bisschen wider den Stachel löcken sollten.
Aber soll ich Dir sagen, was mMn der eigentliche Grund für die empfundenen Provokationen durch meine Texte ist?
Der Umstand, dass ich so gut wie der einzige in der Runde bin, der sich traut, sich zur Zeit zu äußern und sog. "heiße Eisen" anzugreifen.
In den letzten Jahren sind so viele Erschütterungen durch die Gesellschaft gegangen - aber wo sind die Dichter, die das aufgreifen, was einen Impact auf alle hatte, ganz gleich aus welcher Perspektive man diese Veränderungen nun angehen würde?
Wir haben hier Dichter, denen nichts heiliger zu sein scheint, als ihre heile Welt. Man begnügt sich damit, das eigene Seelchen zu ergründen oder verflossene Liebelei-Geschichten am Fließband zu produzieren. Ganz so, als ob da draußen nichts vor sich ginge, was einer Erwähnung wert wäre.
Ich nehme die Herausforderung an und schreibe über die Veränderungen. Ich schreibe über das, was die Gesellschaft umtreibt. Die versammelte Autorenschaft hingegen meidet diese Themen, weil sie fürchtet, sich daran zu verbrennen.
Und ja - das kann man (sich daran verbrennen) - weil da nämlich auf der anderen Seite eine versammelte "Kritikerschaft" ist, die bestimmen will, was gesagt werden sollte und wenn es gesagt werden darf, dann will sie bestimmen, wie es gesagt werden darf.
Gegen diese intellektuelle Seuche stelle ich mich und schreibe weiter Texte, über die es dann heißt, sie würden "provozieren". Das ist nämlich viel einfacher, als sich damit auseinander zu setzen.
Aber gut: dann "provozieren" sie eben. So muss das auch sein. Alles andere ist der Tod, ist ein künstlerischer Zombie-Zustand, in dem man sich vorgaukelt, man würde leben, wenn man Verse drechselt, die sich reimen.
Macht doch mal wieder was Relevantes, Leute!
Keiner hat sich bislang zum Krieg geäußert. Die Schere im Kopf schnappt offenbar schon beim ersten Gedanken daran zu. Dabei lässt sich das Thema durchaus künstlerisch angreifen - wie mein Text gezeigt hat.
Wer hat sich mal getraut, einen Text über das zu machen, was uns zwischen März 2020 und April 2022 um die Ohren geflogen ist? Da sind so viele Perspektiven möglich, so viele Geschichten. Die Kunst hat hier nahezu zwei Jahre komplett den Kopf in den Sand gesteckt. Das ist doch einfach nur ein Armutszeugnis.
Und dann herumheulen, wenn die Kids sich nicht mehr für Musik interessieren. Da kann ich nur sagen: macht mal wieder was wirklich Relevantes, das die Gefühle, Sorgen und Hoffnungen der Menschen in Buchstaben gießt.