@Erdie.
Erdie, Du gehst mit völlig anderen Ansprüchen ans Recording, als viele Homerecording Zeitgenossen.
Du bist Physiker, Du hast eine ziemlich enge Beziehung zur Natur, (Physik kommt von Physis und bedeutet Natur) die Du Dir in einem harten Studium an einer Universität erarbeitet hast.
Du kennst die Tücken zwischen Wunsch und Realität. Du hast höchstwahrscheinlich etliche Stunden in einem Labor verbracht und mit Meßmikrofonen von Brüel & Kjaer gearbeitet, um mehr über die Natur von [g=107]Schall[/g] und Schwingungen von Körpern zu erfahren. Sogar vor Mechanik und Elektrotechnik (inclusive Vierpole) schrecktest Du nicht zurück, welches Du nur mit Mathematikkentnissen verstehen konntest die weit über die Möglichkeiten eines Otto-Normalverbrauchers gehen.
Du kennst die Probleme zwischen Subjektivität und Objektivität, welche erhebliche Hindernisse zwischen Sein und Schein darstellen.
Man könnte Dir ein Geräusch als nakte Fourier-Zahlen auf einem Blatt Papier präsentieren, und Du bist ohne mit der Wimper zu zucken in der Lage sofort einen beliebigen [g=43]Filter[/g] zu simulieren, in dem Du einfach nur geziehlt einige Zahlen streichst oder hinzufügst oder Multiplikatoren einsetzt.
Nicht nur das Du als ausgebildeter Physiker die Theorie beherrschst, Du hast Dich ja auch noch in vielen verschiedenen Laboren in der Praxis beweisen müssen.
Von Deiner klassischen Gesangsausbildung ganz zu schweigen.
Und in Deinen Hörspielproduktionen beweist Du Dich noch als Künstler am Geräusch und in der Gestaltung von Akustikeffekten sowie in der hörspieltechnischen Tonregie bist Du besser als viele Profis.
Während andere Zeitgenossen einfach nur einen Sound haben wollen, einfach weil sie ihn geil finden, so ist für Dich das höchste der Gefühle die bestmögliche Reproduktion des Originals. Und hierbei machst Du aufgrund Deiner Ausbildung nicht am falschen Ende halt. Wohl wissend, das der Standort (einschließlich Lage) und der Typ sowie die Qualität eines Mikrofons zu mehr als 90% die Aufnahmequalität bestimmen. So kümmerst Du Dich auch noch um die letzten 10% damit alles möglichst perfekt ist. Angefangen beim normalen (fast schon zu Meßzwecken geeigneten) Mikrofonvorverstärkers und den restlichen Komponenten wie RME- Mulitface und Genelec Abhörsysteme. Bei Dir stimmt alles, selbst bei der Verkabelung, und Du überläßt nichts dem Zufall.
Allerdings hast Du eine Chance dies zu tun. Andere in diesem Forum vermögen dies nicht. Sei es, weil sie es nicht wollen, oder weil sie leider nicht so können wie sie wollen.
Das Du viele der Erfahrungen (inclusive Fehlkäufe aufgrund falscher Händlerberatung) vor denen Du warnst, auf die Du aufmerksam machen möchtest weil sie Dich sehr teuer zu stehen kamen, selbst gemacht hast; dies wird von einigen Kollegen dieses Forums gerne übersehen.
Aber hier gilt es wie bei allen emotionalen Themen, liebgewordenes wird man nicht gerne los, auch wenn die Realität sich völlig anders erweist als das Wunscherleben.
Und hier zeigt sich Deine völlig anders geartete Geisteshaltung. Du siehst nicht nur das Positive an einer Sache, sondern auch die Fehler bzw. deren Grenzen. Und wenn die Fehler zu sehr überwiegen, dann ziehst Du die Konsequenzen und orentierst Dich um, auch wenn es Dich mehr Mühe kosten sollte als alles beim alten zu lassen. Diese skeptische Geisteshaltung macht es Dir erheblich einfacher eine Situation von vielen Seiten zu erfassen, und das Bestmögliche aus der Situation herauszuholen. Dennoch verifizierst Du Deine Erfahrungen, ob die tontechnischen Modelle mit der Natur im Einklang stehen.
Somit kann man Dir nicht im geringsten nachsagen, das Du Dich nicht weiter entwickeln würdest, obwohl Du die physikalischen und künstlerischen Grenzen kennst.
Allerdings ist unter diesen Gesichtspunkten die Ironie der Situationen in diesem Forum besonders stark ausgeprägt, weil Du eben nicht nur emotional sondern auch Intelektuell ans Recording gehst.
Da gibt es die eine Fraktion, die nur die liebgewonnenen Großmembraner kennt, und die die eigene Unzulänglichkeiten zum Kult machen. Sowie Diejenigen die einfach nur auf einen gewissen Sound stehen, und deshalb ein [g=116]Mikrofon[/g] gleich mit als Effektgerät benutzen, auch wenn sie andere Alternativen im Schrank haben. Bei der Vorgehensweise der zweiten Fraktion gibt es nichts großartiges einzuwenden, hingegen bei der ersten Fraktion schon.
Aber hier kommt wieder die anfangs erwähnte unterschiedliche recordingphilosophische Sichtweise ins Spiel.
Die Einen wollen stets den für sie optimal erscheinenden Sound ...
... und die Anderen möchten eine möglichst natürliche Reproduktion des aufgenommenen Geräusches.
Und wenn ich mir die Technikentwicklung in den letzten Jahrhunderten so ansehe, dann brauche ich keine großartigen Erklärungen dafür welche Recordingphilosophie auf lange sicht die professionellere und erfolgreichere ist.
Mal von Modeerscheinungen und Stilmitteln einmal abgesehen.
In diesem Sinne ...
... liebe Grüße.