Zweisamkeit

[artname]

Ich nahm die Form eines Gedichtes von Rilke und füllte sie mit eigenen Worten. War gespannt auf die Wirkung dieses Experimentes und bin für meine Wenigkeit ergriffen!

Die Zweisamkeit ist wie ein stiller Segen
Sie schwingt wie Luft in jedem Spalt des Lebens,
Etwas, das uns alleine nicht gegeben
entweicht dem Herzen, springt uns ins Gesicht -
Die Liebe lächelt - und wir merken ‘s nicht!

Bleib bei mir, Bleib bei mir
Bin blind und taub und doch
Ich fühle dich
Bleib bei mir, bleib bei mir
Aller Einsamkeit zum Trotz
Ich liebe dich

Dein leises Lächeln folgt mir durch die Straßen
Supermärkte, Parks und Autobahnen
Ein kleines Licht, am Ende allen Ahnens
verspricht mir Glück, solang sie nicht verinnt
die Zweisamkeit - und Einsamkeit beginnt

Bleib bei mir, Bleib bei mir
Bin blind und taub und doch
Ich fühle dich
Bleib bei mir, bleib bei mir
Aller Einsamkeit zum Trotz
Ich liebe dich

Die Zweisamkeit ist wie ein stiller Segen
Sie schwingt wie Luft in jeden Spalt des Lebens
Demut die uns alleine nicht gegeben
entweicht dem Herz und springt uns ins Gesicht
Die Liebe lächelt - und wir merken ‘s nicht...

 

[Graham]

Kommt pünktlich zu meinem Einjährigen Keinen anderen Menschen berührt Jubiläum.

Sie schwingt wie Luft in jeden Spalt des Lebens

Das scheint mir etwas sperrig..

 

[Teestunde]

Was mich beschäftigt ist dieses "...und wir merken's nicht...". Ich bilde mir ein, schon die kleinste Regung der Liebe in meinen jeweiligen Gegenübern bemerkt zu haben. Aber vielleicht beziehe ich das zu sehr nur auf die Zweisamkeit.

 

[artname]

Danke, @Graham. Stimmt, wenn du etwa auf Corona anspielst, bekommt der Songtext eine spezielle Note! So wichtig ist eben Zweisamkeit.

Zweisamkeit wie „Luft in einem Spalt des Lebens“ zu vermuten erscheint dir sperrig? Ja, kann mir mir ein Fremdeln mit diesem Vergleich schon vorstellen. Da stand anfangs tatsächlich auch etwas Gängigeres.

ABER ich finde es suboptimal, gängige Klischees zu benutzen. Ich lasse gängigen Bilder erstmal als Platzhalter stehen, suche aber weiter. Aus metrischen Gründen bot sich dann „Spalt“ an. Auch ich fühlte etwas Sperriges - und dachte nach. Ein Spalt hat nichts Wohnliches und dennoch kann er tausenden Insekten oder gar größeren Tiere Unterschlupf bieten. Ja, ich landete sogar bei den Spurenelementen der Luft. Auch ein Spalt enthält Lebensenergie, die man dort gar nicht vermutet. Für die man eben oft auch bei der Betrachtung vom Zweisamkeit blind und taub wird.

@ Teestunde, danke für deine Zustimmung!

Hm, wenn du dir einbildest, jede Regung der Liebe in deinem Partner zu spüren, will ich dir das eigentlich gar nicht ausreden.

Ich seh das aber so, dass in fast jedem Streit Missverständnisse, verletzte Eigenliebe mitschwingt. Und wenn dann Eigenliebe gegen Eigenliebe kämpft, wird man blind und taub für das, was man zärtlich „Zweisamkeit“ nennt.

Eine Zweisamkeit, in der nicht gestritten würde, fänd ich übrigens langweilig!

 

[Teestunde]

Eine Zweisamkeit, in der nicht gestritten würde, fänd ich übrigens langweilig!

Oh! Da kann ich dich beruhigen. Richtig streiten hab ich erst in meiner Ehe gelernt. Und es ist ihr gut bekommen. So ein reinigendes Gewitter kann sogar Spaß machen.

 

[artname]

Oh! Da kann ich dich beruhigen. Richtig streiten hab ich erst in meiner Ehe gelernt. Und es ist ihr gut bekommen. So ein reinigendes Gewitter kann sogar Spaß machen.

Jetzt sind wir im Zentrum meines Songtextes angelangt! Wenn wir uns nach einem Streit versöhnen, kehren sich mE schlagartig die Gefühle um. Je stärker gerade noch die Wut war, umso tiefer die Dankbarkeit, am Ende doch noch verstanden worden zu sein. Leider vergessen wir bei der Versöhnung die großen, gefährlichen Unterschiede, die in der Zweisamkeit automatisch und für immer bleiben.... und damit bleibt die Zweisamkeit ewig gefährdet...

Das mag ich selber an diesem Text: Tiefere Gedanken, die sich aber nur leise mitteilen. Vom Tonfall dem Thema angemessen

 

[Teestunde]

und damit bleibt die Zweisamkeit ewig gefährdet...

Stimmt. Es soll ja Menschen geben, die absichtlich einen Streit vom Zaun brechen, um sich dann "völlig zu recht" vom Partner ab- und einer neuen Beziehung zuwenden zu können.

 

[artname]

Ja, und es gibt Partner, die suchen Streit, damit BEIDE Partner ihre Weltsichten äußern!! Ich beispielsweise suche in meinen Projekten durchaus Streit, um Positionen, Ideen oder Bilder aus meinen Partnern heraus zu kitzeln, die nützlich für das Projekt sein können. Und
unausgesprochen - schnell mal in Einsamkeit münden...

 

[Teestunde]

Das ist zwar riskant, manchmal aber der einzige Weg. Da werde ich also nicht in Deckung gehen, falls das mal (wieder) passiert.

 

[artname]

Richtig! Nicht in Deckung gehen!! Anzeichen von Respekt reichen völlig aus.

 

[Teestunde]

Vom Tonfall dem Thema angemessen

Ich hab als erstes an Rockmusik gedacht. Kein bestimmter Titel, nur allgemein. Und der Gesang als schmerzliche Offenbarung mit großer Selbstüberwindung vorgetragen.

 

[artname]

Oops Teestunde - sehr interessant! - Mir schwebte da eine ganz andere Atmosphäre vor.

Frage an mitlesende Musiker: Regt diese Form zur Vertonung an - und wenn ja, wie?

 

[Teestunde]

Mir schwebte da eine ganz andere Atmosphäre vor.

Verrätst du mir, welche? Oder willst du die Musiker hier nicht beeinflussen, bevor sie dir nicht gesagt haben, was IHNEN vorschwebt?

 

[artname]

Ja, möchte eigentlich noch auf eventuelle reactions warten.

Das Gedicht hat allerdings auch etwas mit unserer Diskussion zum tun! https://recording.de/threads/wie-greife-ich-nach-einem-stern.238433/

Ich habe bei diesem Text nämlich ein neues Experiment gestartet. Ich habe ihn auf das Schema (Metrik, Reim) eines Rilke-Gedichtes geschrieben. Eigentlich wollte ich dir nur zeigen, wie Rilke eine Aussage über mehrere Verse zieht. Und damit Ruhe produziert. Dann ist daraus in Windeseile dieses Gedicht entstanden.

Automatisch bin ich dabei auch in einen anachronistischeren Sprachstil verfallen, aber ich lese unheimlich viel und deshalb gehören auch mehrere Sprachstile zu meiner Persönlichkeit. Vielleicht würde ich hier sogar mit klassischem Orchester arbeiten. Aber mit grosser und offener Seele

 

[Teestunde]

Vielleicht würde ich hier sogar mit klassischem Orchester arbeiten.

Ich muss unwillkürlich an die Vier letzten Lieder von Hesse, Eichendorff und Strauss denken. Besonders das letzte: Wir sind durch Not und Freude gegangen Hand in Hand...

 

[artname]

Ja, der Sprachduktus würde wohl auch eine solche Vertonung zulassen. Fände ich sogar sehr interessant! Hm... das bringst mich auf eine weitere Idee. Ich betexte sowieso gerade Musikmotive großer Werke der Klassik. Wenn man die mit den Gedichte-Formen von Goethe, Trakl oder E.A.Poe verbinden würde...

Aber mir gehen für diesen Text durchaus moderner Vertonungen durch den Kopf

 

[Teestunde]

Ich betexte gerade Musikmotive großer Werke der Klassik.

Klingt spannend. Machst du das für dich oder ist da was am Kochen?

 

[artname]

Das nenne ich in erster Linie Pflege des eigenen Handwerks. In diesem Falle hatte ich ursprünglich einen Workshop „Musiktexte“ vorbereitet. Dazu fiel mir irgendwann ein, dass man Metrik, Reimschema und Atmosphäre sehr gut an Hand klassischer Motive von Instrumentalwerke demonstrieren und üben kann.

Nach den ersten Versuchen kam ich natürlich auch auf die Idee, Musical- Komponisten oder Opern-Häuser etwas in diese Richtung anzubieten. Klappern gehört zum Geschäft. Man kann ja nie wissen... und ein Dichter muss ja sowieso immer schreiben. ob er will oder nicht....

 

[Teestunde]

Der Vater von Charles Kalman hat nur auf Bestellung gearbeitet. Nee, Spaß beiseite. Ich nehme mir manchmal irgendein Volkslied oder auch eine Schlagermelodie und texte was ganz Anderes drauf. Einfach so. Meistens kriegt keiner mit, wo ich das hergeholt habe.
Tja, dann weiterhin frohes Schaffen! Vielleicht kommt es ja doch zu dem Schreibkurs, wenn Corona endlich besiegt ist.

 

[artname]

Der Vater von Charles Kalman hat nur auf Bestellung gearbeitet.

ich habe mit Charlie mal ein paar Filmsongs geschrieben. Das waren mit die lustigsten Erlebnisse meine Karriere. Kennst du ihn auch? Hatten wir nicht darüber schon mal geschrieben?

Naja, ich habe die Klassik gewählt, weil die gemeinfrei ist. Und ich bei vielen Workshop/ Teilnehmern voraussetzen kann, dass einige Motive von Bach, Beethoven, Mozart, Händel, Tschaikowski, Ravel usw. im Kopf verankert sind... und dazu auch noch ohne Text.

Du hast ja immer wieder das Problem, dass du auf Werken trainierst, für die es noch Urheberschutz gibt... woran ich dich ja gelegentlich ... na du weißt schon.