Das mit dem Gehör ist schon eine komische Sache. Ich kann es nicht kontrollieren, beliebig aufrufen, aber es meldet sich regelmässig von selbst, wenn irgendwo etwas auftaucht, was meinem Verständnis von Musikharmonie nicht entspricht. Wie ein eingebauter Alarm. Aber ich kann es auch nicht abstellen, bin dadurch wohl etwas eingeschränkt, wenns mal darum geht, den üblichen Sound zu verlassen.
Der Witz ist...es ist die einzige Sache, die sich an mir in all der Zeit nie verändert hat. Sonst fängt man ja mit etwas an, am Anfang ist es erst naja, und es entwickelt sich dann im Lauf der Zeit immer besser. Mein musikalisches Gehör war aber schon immer vorhanden und ist auch so geblieben, wie es am Anfang war.
Seinen ersten Auftritt erlebte ich sehr früh und werde es wohl in meinem ganzen Leben nicht mehr vergessen: Ich war fünf, und mein Bruder nahm mich damals öfter mit zu unserem Cousin. Der hatte (bzw. hat sie heute noch) eine wunderbare Hammond-Orgel mit einem riesigen Lautsprecher und spielte darauf meist klassische Sachen. Ich liebte diese Klänge, besonders wenn das Leslie mitlief, und war dementsprechend oft dabei, wenn er dransaß. Irgendwann fragte er mich, ob ich es nicht auch mal probieren wolle. Ich wollte, nahm neben ihm Platz und legte eifrig meine Hand irgendwie auf die Tasten. Aber ich zog sie so schnell zurück, als wäre es dort heiß - so sehr hatte mich die aufklingende Disharmonie erschreckt. Ich fragte meinen Cousin besorgt, wieso es denn nicht so schön klingt wie bei ihm. Er sagte mir dann, daß die Töne auch zusammenpassen müssen, und ich solle doch einfach mal versuchen, drei Tasten zu finden, die gut harmonieren. Kurz darauf spielte ich meine ersten Akkorde, ohne weitere Anleitung, indem ich einfach die Tasten der Reihe nach durchging und bei schrägen Tönen, die sofort "Alarm" auslösten, einfach die nächsttieferen oder höheren nahm, bis es passte.
Ich hatte natürlich keine Ahnung, was ich da genau tat, und warum mein Cousin so begeistert davon war, obwohl es - natürlich - nicht annähernd so toll klang wie bei ihm. Aber in den folgenden Wochen bestürmte er meine Eltern und Großeltern, mir doch eine Orgel oder ein anderes Instrument zu kaufen. Naja...und zwei Monate später hatte ich dann meine erste Orgel, gleich eine "richtige" mit zwei Manualen und Bässen. Und einen Volksmusiklehrer, der mir damit die nächsten sieben Jahre auf die Nerven gehen sollte...aber das ist eine andere Geschichte
