na, da hab ich ja was losgetreten
erfreulich, dass die bandbreite nach kurzer zeit dann doch über die üblichen themen-verdächtigen hinausging, dafür danke. dann verrühr ich meinen senf mal auch dazu:
ich kam zu der frage über zwei wege. erstens eine kundin mit massivem talent in diesem bereich, die ich seit jahren versuche in diese richtung zu schubsen, und zweitens eine bekannte, die sich in dem bereich engagiert und workshops für jüngere mädels angeboten hat.
meine eigene position ist da einerseits feministisch in dem sinne dass ich persönlich selbst bei unterstelltem maximalen männer-egoismus längst in einer position bin, dass jegliche entwicklungen mich da nicht mehr negativ tangieren können. mich interessiert das thema insofern nur durch die linse meiner beiden töchter.
andererseits bin ich genau wegen den beiden hüpfern aber auch "skeptisch-feministisch". es gibt zwar eine menge systemische ungerechtigkeiten, aber es gibt auch bereiche wo frauen derart sperrangelweit alle türen offen stehen, dass es einem glatt den atem verschlägt - und sie gehen trotzdem manchmal nicht durch. wer an dieser stelle sich auf einem opfernarrativ ausruht, der tut sich selbst keinen gefallen.
diesen mix aus "die welt ist doof" und "manchmal seid ihr auch selber doof" versuche ich irgendwie pädagogisch halbwegs sinnvoll zu verpacken
und damit zu meinen beiden beispielen. da ist also diese talentierte junge dame anfang zwanzig. die hatte als kundin (und aufgrund betreuung in einer TV show ein stück weit auch schutzbefohlene) bei mir ein album aufgenommen. wissend um die dynamik solcher TV shows (kurze bekanntheit mit darauffolgendem absturz) haben wir schon während der produktion da fröhlich witze drüber gerissen. sie machte sich keinerlei illusionen darüber, dass sie nach diesem album wahrscheinlich so schnell kein zweites produzieren würde, und ich wäre ein lügner gewesen wenn ich widersprochen hätte.
stattdessen schlug ich vor, ihr dabei zu helfen sich auf eigene füsse zu stellen. also nahmen wir einen kleinen teil des budgets und kauften ihr ein kleines laptop. ich habs ihr eingerichtet (damals wusste sie technisch noch nix von gar nix), ein bequemes template gebaut, sie beim minimal-equipment beraten etc.
schon während der produktion fiel mir auf, wie sie die thematik regelrecht aufsog. voll ihr ding. absolut alles sofort gecheckt. nach ende der produktion zog sie mit ihrem laptop von dannen und meldete sich alle paar tage mit der einen oder anderen frage. nach ner woche gings um verschiedene ampsimulationen. nach zwei um streicherprogrammierungen. nach drei wochen um meinen leadvocalchain...nach 2 monaten waren die gespräche mehr so von der art "ey, immer wenn ich mastere und versuche das genauso laut zu bekommen wirds tendenziell bisschen flach...ich hab mal versucht im tiefbass aufzuräumen aber was machst du da anders dass es bei dir immer noch so punchy klingt"...also im schnelldurchlauf bis zum ende des signalwegs durchgelatscht, die kollegin
absolutes naturtalent, und arrangieren kann sie auch. und tontechnischen instinkt hatte sie von anfang an, inzwischen gepaart mit dem dazugehörigen fachlichen verständnis.
und ich so ey, das ist doch dein beruf! *das* musst du machen. und das ist in dem fall auch kein leeres geschwafel...wenn die zu der TV produktionsfirma laufen würde, und die hätten ne offene stelle frei, die würden schon ohne das totschlags-empfehlungsschreiben dass ich ihr an die stirn pappen würde sie trotzdem mit handkuss nehmen. endlich mal wenigstens EINE frau im technischen flügel der studiolandschaft. was würden die luftsprünge machen. und die kennen die ja aus ihren eigenen shows und wissen, dass die locker drauf und maximal teamfähig ist.
also, eine offenere tür zum durchlaufen gibts echt nicht mehr. und sie so...jetzt kommt meine frauendiagnose nr.1..."ach nee...ich bin doch gar nicht gut genug".
das ist so krass. sie macht das jetzt privat seit 2 jahren und ihre produktionen sind extrem aufwendig (alles immer noch auf dem kleinen schrottlaptop mit 95% freeware
), und ich krieg ihr diesen nicht-gut-genug-bullshit nicht ausgeredet.
und das ist tatsächlich ein fundamentaler mann-frau-unterschied. ich lasse mal beiseite, wieviel davon genetische und wieviel davon gesellschaftliche prägung ist (ich schätz mal 30 zu 70, aber whatever...nur von argumenten es sei 0 zu 100 oder 100 zu 0 halte ich nix). als ich selber so alt war wie sie, hatte ich vielleicht ein zehntel soviel ahnung. hat mich das aufgehalten? nope. und das ist dann der punkt, wo man gerne über die ach so testosterönlichen männer lästert, aber ich finde, da kann man was von lernen. das ist eine gesunde form des zweckdienlichen grössenwahns. wusste ich tief in mir drin, dass ich wohl kaum der beste produzent der welt sein kann, wenn ich noch nichtmal genau begriffen habe wie man einen compressor einstellt? natürlich. aber instinktiv weiss man doch, wenn man nicht mit einer hinreichend übertriebenen euphorie an sich selber glaubt, dann kann man so nen maximalriskanten job wie musikproduzent auch gleich bleiben lassen. man braucht diesen grössenwahn doch am anfang. und man braucht ganz definitiv keine "ach, lass mal, nicht gut genug, denk an alle meine bildungslücken" litanei die einen nur bremst und runterzieht. für abgeschmackte selbsthinterfragung ist später noch zeit genug.
jo, das ist also das eine kuriosum.
und die andere episode war die mit einer kollegin, die aktiv was dagegen tut und mit verschiedenen leuten workshops dafür macht. da ist mir auch ein detail massiv ins auge gestochen.
die ist also bisschen mehr traditionell feministisch und kann sichs schon nicht verkneifen, das ganze zumindest mit einer prise opfer-narrativ zu verkoppeln. ich halts zumindest im kontext mit diesem fach für kontraproduktiv (wie gesagt, das mädchen aus der geschichte eins weiter oben müsste nur einmal mit dem finger schnippen und könnte sofort bei einer der grössten TV produktionsfirmen des landes sitzen), aber bitte, wers mag.
aber dann beschreibt sie mir son bisschen, was da kommuniziert wird, und da kam dann unter anderem die mangelhafte wertschätzung von aussen drin vor, und da *musste* ich reingrätschen.
wertschätzung von aussen? no way. vollkommen falscher blickwinkel. die wertschätzung von aussen muss dir EGAL sein. als musikproduzent doch doppelt und dreifach. wir musiker sind eine von natur aus extrem eifersüchtige, missgünstige sippe. jeder kennt das. die musiker, die weiter hinten im konzertsaal stehen und skeptisch dreinkucken. machen wir uns nix vor - wir gönnen anderen den erfolg eher aus gründen der etiquette denn von ganzem herzen, denn das ist ja erfolg, den WIR hätten haben können. es dauert viele jahre, bis man über diesen natürlich impuls zur missgunst hinwegkommt.
und die erzählt jungen mädels in workshops, dass die welt ihnen mehr wertschätzung für ihre musikproduktionen schuldet? junge junge, da musste ich mich aber erstmal bisschen mit ihr zoffen. das absolute gegenteil ist der fall. wenn die mädels nicht von der startlinie weg eine mentalität gelernt haben, die da besagt "die wertschätzung von aussen kann labern was sie will, ich weiss für mich selbst was ich von mir halte", können sie das ableton-laptop gleich wieder zuklappen. mit sowas kommste nicht weit. egal ob mann oder frau.
will sie interessanterweise in dem fall nicht hören, das argument. aber da setzt dann echt mein fachidioten-klugschiss-gen ein. diese diskussion wird insofern mittelfristig nicht unbedingt leiser werden
und ja, klar spielen auch themen wie zumindest statistisch unterschiedliche interessensprägungen und auch unschönere themen wie leichter narziss mit rein (dass etwa auf eine bassistin 5000 sängerinnen kommen kann man mit verlaub jetzt echt nicht auf "das system" schieben). ich finde aber, dass die als erklärung nicht ausreichen. die erklären einen niedrigen frauenanteil so wie es bei manchen fächern in der naturwissenschaft oder dem ingenieurswesen der fall ist, aber warum der eigentlich deutlich künstlerische musikingenieur dann *noch* weniger hat erklärt sich dadurch für mich nicht vollständig.
je nun. finds ein interessantes thema. danke für die 23864974 posts von haudrauf bis wohlbesonnen
