Taktgefühl lernbar?

[savameta]

Hallo Forengemeinde,

eine Freundin und ich, wir schreiben öfter mal Songs zusammen. Sie kommt dann mit einem Text und einer Gesangsmelodie und ich bin für die Instrumentierung und die Aufnahme zuständig. Ihre Texte und Melodien sind auch echt gut, es gibt da nur jedes Mal das gleiche Problem.

Sie hat zuerst den Text und sucht dann eine Melodie dazu. Das Problem dabei ist, das sie nicht merkt das ihre Worte/Zeilen einfach nicht in einen Takt passen. Sie singt ihre Zeile einfach durch und merkt nicht das Sie dabei außerhalb des Taktes, also im nächsten Takt landet. Irgendwo mitten im nächsten Takt beginnt dann die nächste Zeile.

Jetzt will sie aber eher einfachere Pop/Rock Songs schreiben, und keine progressiven Meisterwerke im 7/4 Takt….
Das ist jedes Mal ein Kampf ihr klar zu machen was da jetzt genau nicht passt. Wenn der Song nachher dann mal steht und sie ihre Vocals einsingt, ist das kein Problem. Sie bleibt im Takt, singt toll, und hat auch beinahe 20 Jahre Bühnenerfahrung in einer Coverband. Aber ihre eigenen Zeilen in ein bestimmtes Taktraster zu bringen fällt ihr einfach so schwer.

Kennt jemand solche Situationen? Kann man sowas lernen? Ich habe schon versucht ihr zu helfen indem wir eine Metronom App auf ihr Handy geladen haben. Da kann sie das Tempo einstellen und ihre Zeilen zum Takt singen. Aber selbst da merkt sie nicht so richtig wann ein Takt zu Ende ist und der nächste beginnt.

Ich bin echt kein großer Musik-Theoretiker, aber ich hatte Glück und habe ein recht gutes Taktgefühl mitbekommen. Aber erklären kann ich es ihr nicht richtig.

Bin für alle Ideen dankbar wenn jemand auch solche Erfahrungen gemacht hat.

Gruß
Pauli

 

[Mike3000]

Sie singt ihre Zeile einfach durch und merkt nicht das Sie dabei außerhalb des Taktes, also im nächsten Takt landet. Irgendwo mitten im nächsten Takt beginnt dann die nächste Zeile.

Das ist ja durchaus möglich und auch so gewollt. Es wäre ja langweili wenn jede Zeile auf der 1 beginnt, und zwangsläufig auf dem letzten 16tel ienes Takts enden muss.

Wenn deine Freundin 20 Jhare auf der Bühne singt, wird sie Taktgefühl haben.

Was anscheinend mangelt, ist ein Gefühl dafür, wo welche Worte (mit entsprechenden Betonungen?) im Taktgefüge landen sollen.

Spielt sie denn ein Instrument? Wenn nicht, dann sollte sie jetzt vielleicht doch mal eins lernen, oder zumindets ihre Texte zum Tambourin, Bongo o.ä. ausprobieren.

Ein Metronom ist für solche Zwecke grässlich, und kann SEHR demotivieren, da es gnadenlos "TOK-tok-tok-tok" durchzählt

 

[Manoloco]

Ich habe schon versucht ihr zu helfen indem wir eine Metronom App auf ihr Handy geladen haben. Da kann sie das Tempo einstellen und ihre Zeilen zum Takt singen. Aber selbst da merkt sie nicht so richtig wann ein Takt zu Ende ist und der nächste beginnt.

Zusammen "We will rock you" von Queen singen und mitpatschen. Ein (Körper-) Gefühl dafür erhalten und den Automatismus langsam Überhand nehmen lassen.

 

[Mike3000]

Ein (Körper-) Gefühl dafür erhalten und den Automatismus langsam Überhand nehmen lassen.

GEnau, und irgendwann läuft der Rhythmus "im Hinterkopf", "Bauch" oder wo auch immer ständig mit.

 

[TheNokBln]

das sie nicht merkt das ihre Worte/Zeilen einfach nicht in einen Takt passen

hat auch beinahe 20 Jahre Bühnenerfahrung

Aber erklären kann ich es ihr nicht richtig.

Oh je! Da sehe ich eher schwarz. Ich kenne da auch so jemanden (Schlagzeuger). Aber wenn sich das im Laufe der Zeit nicht von selbst eingestellt hat, wird das eher nichts mehr werden. Evtl. mit ganz ganz viel Arbeit. Aber wenn sie selbst nicht mal erkennt, dass da etwas nicht stimmt, sieht es schlecht aus.

Ich denke mal, das ist wie bei Legasthenikern ein genetischer/neurologischer "Defekt" (in Anführungszeichen, weil es nicht abwertend gemeint ist).

 

[TGud]

aber ich hatte Glück und habe ein recht gutes Taktgefühl mitbekommen.

Das wirst Du brauchen, wenn Du ihr sagen musst, dass das nichts mehr in diesem Leben wird. Wenn sie es in 20 Jahren nicht gelernt/entwickelt hat such nach einer anderen Lösung.
Diese könnte darin bestehen, das Du mit deinem guten Taktgefühl zunächst den Gesang komponierst
und einsingst. Daran kann sie sich dann orientieren. Halt wie beim Covern.

Gruß
Thorsten

 

[savameta]

Also nicht das das jetzt hier falsch verstanden wird:

Prinzipiell ist da schon Taktgefühl. Wenn der Song erstmal steht, und alle Wörter in ein musikalisches Taktraster "gepresst" wurden, hat sie auch überhaupt kein Problem mehr im Takt zu singen. Das einsingen geht aufgrund ihrer Erfahrung immer recht zügig, und da muss ich auch gar nix mehr zum Takt erklären, das kann sie. Es geht also nicht darum das sie keinen Takt halten kann. Wenn das so wäre hätte sie vermutlich auch in keiner Coverband überlebt....

Es fällt ihr nur so schwer einfach zu sehen das ihre selbstgeschriebenen Zeilen teilweise zu lang sind und in kein Taktraster so richtig rein passen. Ein Instrument spielt sie leider nicht, das wäre bestimmt eine Hilfe.

Im Moment läuft es eigentlich immer so das sie mir was vorsingt, ich ermittel ungefähr das Tempo, mach nen einfachen Beat, kuck mir an welche Akkorde passen und sag ihr dann wo sie entweder etwas kürzen muss am Text oder auch eine Pause machen muss damit es wieder passt.

Es ist von ihr auch nicht beabsichtigt das es etas "krumm" wird oder von einem "normalen" 4/4 Takt abweicht, sie mag es simpel und straight.

Aber ich denke auch das ist etwas was man entweder hat, oder eben nicht. Glaube auch ehrlich gesagt nicht das sich das noch merklich bessern wird.
Ich suche eher nach einem Weg der es für mich leichter macht ihre wirklich schönen Ideen in einen Song zu packen der für sie richtig ist, ihr zu vermitteln wie sie ihre Zeilen aufbauen sollte.

 

[savameta]

das sie nicht merkt das ihre Worte/Zeilen einfach nicht in einen Takt passen

hat auch beinahe 20 Jahre Bühnenerfahrung

Aber erklären kann ich es ihr nicht richtig.

Oh je! Da sehe ich eher schwarz. Ich kenne da auch so jemanden (Schlagzeuger). Aber wenn sich das im Laufe der Zeit nicht von selbst eingestellt hat, wird das eher nichts mehr werden. Evtl. mit ganz ganz viel Arbeit. Aber wenn sie selbst nicht mal erkennt, dass da etwas nicht stimmt, sieht es schlecht aus.

Ich denke mal, das ist wie bei Legasthenikern ein genetischer/neurologischer "Defekt" (in Anführungszeichen, weil es nicht abwertend gemeint ist).

Sie nennt es selber immer ihr Defizit...

 

[tomric]

Zählzeiten/Betonungen mitklatschen und/oder konsequent mit dem Metronom arbeiten, dann kann man da bestimmt noch was verbessern. Ggf. auch einfach mal Worte in Silben zerlegen und damit bei langsamer Geschwindigkeit auf Grundlage des Taktes experimentieren. Ein Grundgefühl für Rythmik ist unerlässlich und das können manche Leute einfach nicht lernen, aber das scheint bei ihr ja vorhanden zu sein…

 

[Kollege]

Hier ein Buchtip:
Die Rhythmik-Lehre von eddi marron.

Sind einfache Übungen die sich immer bischen steigern.

 

[sixstringwarrior]

In Grenzen und mit viel Übung ist das erlernbar. Ich gehöre zu der Sorte Musikern, die zwar ein hervorragendes Gespür für Melodien haben, deren Live-Fähigkeiten aber eher in der Kategorie Rhythmus-Krüppel einzuordnen sind So ganz bekommt man solche Schwächen also scheinbar nie weg. Das ist wie mit den Mathematikern und den Sprachgegabten. Jeder kann sich Fähigkeiten der anderen Seite aneignen, aber so richtig gut in seinem Gebiet ist nur der Naturbegabte.

 

[Cell_o_Chromos]

Das klingt nicht danach als wenn sie ein Problem mit Rhythmus hätte.

Sondern ein Problem mit Metrik, auch "Versmaß" genannt.

Im allereinfachsten Fall erstmal Silben zählen und für jeden Schlag eine Silbe einbauen. Das wird am Ende nicht sehr spannend, dürfte aber helfen das Prinzip zu begreifen und zu verinnerlichen.

Dann als nächstes wird man merken, dass manchmal die natürlichen Wortbetonungen nicht mit den natürlichen musikalischen Gewichtungen zusammengehen, das muss man dann irgendwie glätten.

Probiert es mal so rum: Du gibst ihr ne Beatstruktur vor, und sie soll den Text einfüllen. Auf Papier aufgemalt, mit nem Punkt für jeden Schlag und sie schreibt die Silben drunter. Ein Punkt, eine Silbe... Gern erstmal einen Quatschtext über Goldfische und Kartoffelsalat, damit sie sich auf die wesentliche Aufgabe konzentriert.

Mechanisch betrachtet ist das eigentlich eine sehr einfache, reine Kopfaufgabe. Und ich bin sicher das kann sie begreifen, wenn ihr den richtigen Weg findet es zu erklären und zu erleben.

Die Kunstfertigkeit kommt dann hinzu, wenns am Ende gut&spannend klingen soll und einen textlichen Sinn ergeben muss.
Aber das ist dann für später und wenn ihr schon erfolgreich Musik zusammen macht, wird der Teil einfacher für sie, wenn sie erstmal das Prinzip "gefressen" hat.

 

[savameta]

Das ist doch mal ein interessanter Ansatz, kein rhythmisches Problem, sondern eher ein Metrik-Problem.
Danke für die Anregungen und Tipps, da werd ich sicherlich mal etwas von ausprobieren!

 

[cherry50]

Ich vergleiche das mal, mit einer zweiten Stimme singen.

Wenn diese musikalischen Eigenschaften auch Talent genannt nicht gegeben sind, wird es sehr schwer sein, das zu erlernen,

Wenn sich dann vielleicht nach Jahren ein gewisser Erfolg durch Routine einstellt, ist es immer noch etwas anderes, als wenn ich von Natur aus begabt bin.

Es ist immer gut, wenn gewisse Voraussetzungen einfach vorhanden sind. Zum Beispiel auch, beim Gitarre spielen lernen. Auch wenn ich noch nicht weiß welche Harmonie gegriffen werden muß, sollte man aber überhaupt hören, wann man wechseln muß.
Das kann schematisch nur bis zu einer gewissen Grenze geübt werden.

Trotzdem kann man aber auch Musik machen, wenn es Freude macht, und wie gesagt, einiges läßt sich erlernen.

LG Cherry50

 

[tylerhb]

Ich bin ja sonst mehr so der Metal Mensch, aber was die Metrik von Gesang angeht kann man wirklich hervorragend aus guten HipHop und Rap lernen. Viele Varianten lassen sich dann auch abgewandelt auf normale Vocals anwenden, die dann dadurch viel interessanter werden.

 

[birdseedmusic]

Moin

Ich kenne das Phänomen bei meinem Keyboarder auch. Wenn er erst einmal aus dem Takt raus ist, schafft er es irgendwie nicht mehr, richtig reinzukommen. Er ist dann oft einen ganzen Schlag von der Eins weg. Wir spielen schon lange zusammen. Ich als Gitarrist komme innerhalb von Mikrosekunden wieder in den Groove, aber er muss dann komplett stoppen und neu ansetzen.

Ich denke also, es ist so etwas wie eine Begabung, die man hat und die man nicht hat. Ich z.B. singe seit 8 Jahren, bin aber bis heute nicht zufrieden mit mir, zudem komme ich in bestimmte Tonlagen einfach nicht rein.

Aber es ist alles gar nicht so schlimm! Das Geheimnis besteht darin, um die Defizite herum zu arbeiten. Deine Sängerin muss den Song so oft singen, bis er quasi "aus dem Rückenmark gesteuert" kommt. Wenn man den Takt nicht natürlich spürt, kann man ihn quasi "motorisch" lernen, wie eine einprogrammierte Sequenz im Hirn, die immer nach dem gleichen Schema abläuft.

So machen wir es halt auch. Nach mindestens 40 - 50 Wiederholungen (!) ist ein Song bei uns live-spielbar. Wir müssen also mit viel Fleiß unser fehlendes Talent ausmerzen.

Wichtig finde ich halt, dass ihr mit Spaß und Leidenschaft an die Sache rangeht, und dass ihr lange lange lange als Musiker zusammenarbeitet. Ein Musikprojekt, das wie ein "gut eingeöltes und eingefahrenes Getriebe" arbeitet, kann gegen "talentierte Newcomer" immer gut mithalten! Wichtig ist, dass innerlich die Leidenschaft weiter brennt, dann kommt man auch mit fehlendem Talent zurecht. Man muss geduldig sein und abwarten können!

lg
bird

 

[Cell_o_Chromos]

Auch wenn ich noch nicht weiß welche Harmonie gegriffen werden muß, sollte man aber überhaupt hören, wann man wechseln muß.

Hier muss ich entschieden widersprechen, Cherry.
Allein die Tatsache, dass es Weltweit sehr verschiedene Tonsysteme gibt beweist dass daran nichts angeboren ist, sondern nur aus Gewohnheiten augfebaut ist.
Warum kommt uns westlern die arabische Musik oft so... befremdlich vor? Wegen anderer Töne. Ich bin sicher, umgekehrt geht es jemandem der mit Arabischer Musik aufgewachsen ist nicht anders.

Ein ganz konkretes Fallbeispiel bin ich selber: Als ich vor gut 3 Jahren mit dem Cello begann beschränkten sich meine Musikalischen Vorerfahrungen darauf, dass ich mir aus dem Mittelstufenmusikunterricht gemerkt hatte was ein Intervall ist. Nicht wie es sich anhört, sondern wie es auf dem Papier aufgemalt aussieht, wohlgemerkt.
Mein Gehör war null geschult. Ich habe nichtmal Töne (und so ein Streicher hat ganz schön viele davon...) erkannt, geschweige denn Harmonien oder Akkorde oder irgendsowas. Nichts dergleichen.
Da war ich ausgesprochen politisch korrekt. Töne aller Art waren mir gleichwertig, und geheiratet werden durfte auch ganz frei untereinander.

Heute merke ich natürlich viel mehr, denn ich habe gelernt und erfahren.

Warum erzähle ich das alles?
Weil ich gern den Mythos des Gottgegebenen "Talents" ausräumen möchte, der Menschen davon abhält, Dinge zu tun, die sie eigentlich gern täten, weil sie glauben "ich hab doch kein Talent dafür".
Es gibt sicher frühkindliche Erfahrungen/Förderungen, die einen Vorsprung bedeuten und damit das Lerntempo beschleunigen. Das ist am ehesten das was "Talent" genant wird.

Aber die "so talentierten" Musiker die in der Philharmonie sitzen, sitzend da nicht wegen des "Talents", sondern weil sie seit früher Kindheit ständig üben, einige Stunden am Tag.

Wenn ich Bewegungslegastheniker und Musik-DAU es schaffe Cello zu lernen, kann auch jeder andere Mensch Singen oder ein Instrument lernen.

 

[birdseedmusic]

Moin

Weil ich gern den Mythos des Gottgegebenen "Talents" ausräumen möchte, der Menschen davon abhält, Dinge zu tun, die sie eigentlich gern täten, weil sie glauben "ich hab doch kein Talent dafür".
Es gibt sicher frühkindliche Erfahrungen/Förderungen, die einen Vorsprung bedeuten und damit das Lerntempo beschleunigen. Das ist am ehesten das was "Talent" genant wird.

Ich bin da eher bei Cherry. Der Zeitgeist flüstert uns gerne ein, dass alle Menschen alles erreichen können, wenn sie nur fest an sich glauben. Aber ich denke, entweder man hat Talent, oder man hat kein Talent.

Wenn man kein Talent hat, dann sollte man es einfach akzeptieren und aus dem fehlenden Talent das beste machen. Gerade das "Heraushören von Rhythmusmustern aus Schwingungsverläufen" ist in dem Bereich "Mustererkennung" verortet. Ähnlich wie die Fähigkeit, in einer Menschenmasse einen potentiellen Terroristen zu erkennen. Da sind einfach die Gehirne unterschiedlich verschaltet, manche können das besser, andere schlechter.

Was man üben kann ist, "um das fehlende Talent herum" zu denken. Also z.B. die motorischen Abläufe zu trainieren, die Pausenlängen zu denken, anstatt auf den Rhythmus zu hören.

lg
bird

 

[cherry50]

@ Chromos schreibt

Weil ich gern den Mythos des Gottgegebenen "Talents" ausräumen möchte, der Menschen davon abhält, Dinge zu tun, die sie eigentlich gern täten, weil sie glauben "ich hab doch kein Talent dafür".

Da habe ich dann ja in meinem letzten Satz noch geradeso die Kurve bekommen, denn ich habe ja auch gesagt, dass man trotzdem Musik machen kann, und nicht vom Gottgegebenen Talent gesprochen.

Ist ja richtig was Du sagst.

Ich würde aber lieber mit einem sich ständig weiter entwickelnden Phänomen argumentieren, welches sich ständig im Vormarsch befindet und von sich behauptet: Um Musik machen zu können, brauche ich keine Kenntnisse in Noten, Harmonielehre, Talentlos. Wie bitte soll das funktionieren auf Dauer ?
Die Ergebnisse kann man täglich hören.

LG Cherry50

 

[buffi]

Das ist wie mit den Mathematikern und den Sprachgegabten. Jeder kann sich Fähigkeiten der anderen Seite aneignen, aber so richtig gut in seinem Gebiet ist nur der Naturbegabte.

ganz genau!