ich habe ein paar ausführlichere Cents und Gedanken beizusteuern, auch um Digial Dominions Auslegung ein klein wenig zu widerlegen, vor allem weil mich dieser Satz
nach visueller Prüfung, scharfe, kurze Transienten aufweist die er trotz Kompressoreinsatz auf den Einzelsignalen nicht wegbekommen hat.
sehr stutzig gemacht hat ... Ist nicht böse gemeint, aber ich glaube entweder haben wir die Fragestellung unterschiedlich verstanden oder da hat sich ein kleines Missverständnis eingeschlichen, ich versuche es mal ausführlich zu machen.
Klar, was man nicht hören kann, ist auch erst mal kein Problem und kann super klingen und effektiv gleich klingen. Also was gut ist, ist gut. Aber besser geht´s vielleicht trotzdem.
Wenn Du überflüssige Peaks direkt und unmittelbar da bekämpfst wo sie passieren, ist das auf jeden Fall sachdienlicher und gezielter und individueller und Verlust- und Nebenwirkungsfreier. Du hast weniger Probleme beim gegeneinander Aussteuern aller Spuren weil nicht irgendein Signal einen Großteil der Bandbreite für sich beansprucht und Du musst alles andere sehr viel leiser mischen, nur weil da bei wenigen perkussiven Signaleen was über die normalen Grenzen hinaus peakt. Du bringst der kurzen Spitze nachgelagerte Kompressoren (die auf Peak und nicht RMS Analyse eingestellt sind) nicht so leicht durcheinander bzw. läufst nicht so leicht Gefahr, die Kompressoren falsch einzusetzen.
Außerdem finde ich inzwischen, dass es selten gut ist, Kompressoren mit sehr sehr kurzen Attack Zeiten zu fahren. Eingriffe in die Attack/ Transienten Phase mit einem normalen Kompressor sind normalerweise eigentlich nicht gewünscht, das kann ein (Brickwall-) Limiter deutlich besser und mit weniger Nebenwirkungen (jajaja ... ist im Prinzip auch ein Kompressor aber vorrausschauend arbeitend und für diese Aufgabe optimiert !).
Außerdem bügelt der Kompressor wenn er normal angewendet wird, keine Pegelspitzen weg, sondern verstärkt das Problem : Attack = 0 geht bei analogen Kompressoren gar nicht und bei digitalen ist die Wirkung davon i.d.R., ausser bei Spezialfällen, nicht gewünscht. (z.B. man will einen nach 90er und frühen 2000der digitalen 16 Bit Projektstudio "pöckenden" oder klangverändernden Charakter mit Absicht erreichen.)
Ein Brickwall Limiter tut´s auf jeden Fall besser. Der typische Kompaktstudio 16 Bit Snare- "Pöck" der völlig ausser Mode ist ist eine der Nebenwirkungen dieser Vorgehensweise : Du plättest diesen kurzen Peak mit einem Kompressor nicht, Du hebst ihn im Endeffekt an : Der Peak haut durch, die Wellenform wird nach bzw. beim zeitlichen Übergang der Attack Phase geformt, indem das Signal nach gewissen Regeln nach unten geregelt wird.. Den Lautstärkeverlust holst Du mit Makeup Gain bzw. Volumen Regler wieder auf.
Jetzt kommt das klasse Phänomen : Der kurze Peak wird dadurch vielleicht noch kürzer und der Unterschied von der Spitze bis zum normalen Pegel der Wellenform wird größer, d.h. der Peak im Verhältnis zum Rest noch heftiger. D.h. ein so falsch eingestellter Kompressor kann das Problem verstärken oder sogar im Extrem auch (mit) verursachen oder erst zu einem Problem machen.
Außerdem wirken sich zu kurze Attack Zeiten auf das Bass- und Tiefmittenverhalten der Wellenform oft schwer nachteilig aus, es wird matschig und undifferenziert und man neigt dazu, das mit extremen und chirurgischen EQ- Eingriffen zu kompensieren --> hinterher klingt´s schlechter und mulmig, nicht mehr punchig und undifferenzierter und unnatürlich. Ich hab´s jahrelang falsch gemacht, aufgrund dessen weil ich den Sinn des Kompressors darin sah, Sachen bombastisch und das dann auch noch am liebsten immer und überall, aufzublasen, anstatt das Signal nach gewünschtem Wohlklang bzw. An- und Abklingverhalten im musikalischen Kontext passend zu formen.
Ach ja, und ein Kompressor der auf Peaks und nicht RMS reagiert, der regelt dann sonst auch noch viel zu früh und zu schnell und zu heftig und neigt zum unerwünschten Pumpen.
In der Summe ist es auch so, dass auch dieser klitzekleine Peak natürlich selbst bei kurzen Zeitfenstern schon hochfrequente Informationen anderer Instrumente enthält. Wenn Du die mit wegknipst, hast Du eine Verzerrung mehr. Ob man die jetzt unbedingt so stark hört, ist eine andere Geschichte, d.h. das Ergebnis kann in der Praxis für das menschliche Gehör immer noch passend und gut und identisch mit der anderen Methode klingen, aber rein theoretisch stellt es eine Verschlechterung des Signals gegenüber dem eigentlich Möglichen dar.
Deshalb mein Fazit aus der Sache : bekämpfe *unnötig* ausschlagende perkussive Peaks da wo sie passieren bevor Du sonst irgendwas mit dem Signal anstellst, dann geht es verlustfreier und Du erleichterst Dir die nachfolgende Mixarbeit und die Kompressoranwendung massiv, das gleiche oder bessere Endergebnis wird es Dir wahrscheinlich eher danken und ist schneller erreicht.
Was nötig und was unnötig ist, da kann man sich täuschen, d.h. wie bei allem, ist Vorsicht geboten D.h. letztendlich ist entscheidend, was "hinten" rauskommt bzw. was Deine Ohren Dir sagen, aber auch die lügen, das Visuelle kann dabei helfen, aber natürlich sollte man das auch nicht übertreiben und nicht gleich bei jedem kleinen perkussiven Peak die Alarmglocke angehen
Der Weg zum Ziel, spielt keine Rolle, aber man kann ihn sich schwerer machen und man kann ihn sich erleichtern.
Jedenfalls bin ich mir sicher, dass von diesen Phänomenen auch z.T. (nicht nur) das Gerücht herkommt, digital sei "kalt" und "harsch" und analog sei "warm" und "weich" bzw. angenehmer.
