Neues Neumann U 67 oder beim Gefell M 930 bleiben?

[Pianist_Berlin]

Du kannst parallel auch in Deiner direkten Umgebung (100km Kreis) schauen, was man da anbieten könnte.

Warum 100 Kilometer? Meine Film-Auftraggeber sitzen ja auch in ganz Deutschland, und für die bin ich ja europaweit unterwegs. Also jetzt gerade natürlich nicht. Genau deshalb überlege ich ja, ob ich mich dann erst mal auf das Sprechen für andere verlege. Aber die können ja überall sitzen, sogar weltweit.

Matthias

 

[whitealbum]

Ich schrieb ja auch parallel schauen, Du kannst auch in USA überall auf der Welt anbieten.
Mir ging es nur darum, auch die Nähe zu erkunden, vergisst man schnell.

 

[Astronautenkost]

Nobert Langer ist auch ein toller. Habe auch schon mit dem zu tun gehabt. Deine Stimme ist für Voice Over doch prima. Allerdings ist der Markt an Sprecher*innen mit eigenem "Studio" sehr gesättigt. Die meisten haben da schlechteres Equipment. Vieles läuft über Unterbietungsplattformen wie Bodalgo. In Berlin hast du aber den Vorteil, viele Produktionsfirmen vor Ort.

 

[Pianist_Berlin]

In den vergangenen 25 Jahren habe ich ja schon mehr als 150 Auftraggeber gewonnen, für die ich Unmengen von Filmen gedreht habe. Die meisten sitzen ja hier in Berlin, und die Themen führen mich durch ganz Deutschland. Aber wenn ich jetzt für andere spreche, dann wende ich mich ja im Prinzip als Sprecher an meine Mitbewerber. Das ist schon eine eigenartige Situation. Also einerseits kann das gut sein, weil die dann wissen, dass ich weiß, was die brauchen. Trotzdem: für mich eine ganz neue Lage...

Mir geht es ja in erster Linie darum, auch jetzt in der auftragsschwachen Zeit eine halbwegs artgerechte Beschäftigung zu haben. Ich nage ja nicht am Hungertuch...

 

[mjmueller]

Da gibt es doch solche Plattformen wie diese:
https://www.stimmenkartei.de/index.html

 

[Pianist_Berlin]

Da gibt es doch solche Plattformen wie diese:
https://www.stimmenkartei.de/index.html

Ja, die schicken mir auch gelegentlich Werbung. Ich bin als Filmproduzent ja deren Zielgruppe. Ich weiß nicht, ob es so gut ist, wenn ich jetzt den Spieß umdrehe, aber schaden kann es ja auch nichts...

Kann mir kurz noch mal jemand den Unterschied zwischen M 990 und M92.1 erklären? Beides reine Nieren, beides Röhre - aber worin unterscheiden sie sich? Es muss ja einen Grund geben, dass es beide gibt.

Matthias

 

[Astronautenkost]

Bei allem Respekt vor den Kollegen. Mit dem Sprecher*innenmarkt kennt sich hier kaum jemand wirklich aus.

 

[RefinedRough]

Kenn mich damit nur in der CH etwas aus, wenn es in DE ebenfalls einen ähnlichen Verband gibt, so wie bei uns der hier https://www.vps-asp.ch/ dann würde ich mich dort mal registrieren.

Ich mische oft Sprecher für Filmchen und nehme sie auch gelegentlich auf. Die meisten machen's gleich daheim und werden dann entweder per Telefon, sonst einem Remotezeugs oder gar nicht begleitet. Das hängt immer von Kunden / Projekt ab.

Sprecher als Job ist auf jeden Fall lukrativ, ich würde es sofort machen, hätte ich eine brauchbare Stimme!

 

[Pianist_Berlin]

Sprecher als Job ist auf jeden Fall lukrativ, ich würde es sofort machen, hätte ich eine brauchbare Stimme!

Kann man so sagen. Ich weiß ja, was ich Leuten wie Norbert Langer oder Till Hagen zahle, die nagen schon nicht am Hungertuch. Auch wenn Till Hagen sicher "not amused" über die Verfehlungen eines gewissen Hollywoodstars sein dürfte...

Bei meiner eigenen Preiskalkulation muss ich zugeben, dass ich die Sprecherei eher günstig ansetze, weil ich den Film ja auch schon gedreht, geschnitten und getextet habe. Da mache ich immer vernünftige Gesamtpakete, wo die Sprecherei drin enthalten ist. Und der Marktwert einer bekannten Synchronstimme ist natürlich höher, zumal wenn es um Werbung geht. Aber meine Zielgruppe ist ja eine vollkommen andere, da geht es ja eher um journalistische Werke.

 

[Astronautenkost]

Sprechen ist ein Handwerk, dass man*frau lernen muss. Die Stimmfarbe ist zwar angeboren, also Glück oder Pech. Sprechen von Lyrik ist dagegen eine höchste Kunst. Die allermeisten Sprecher*innen, mit denen ich das Vergnügen hatte zu arbeiten, haben noch eine gute bis exzellente Ausbildung. Leider wird bei der Schauspielausbildung nicht mehr so viel Wert darauf gelegt wie früher, was man*frau im Theater wie im Film hört.

Till Hagen hat doch wie Günter Lamprecht bei Hilde Körber gelernt.

Aber jetzt werden wir Off Topic.

 

[Pianist_Berlin]

Ich finde das nicht mal "off topic", weil Stimme und Sprachaufnahme ja untrennbar mit einander verbunden sind. Im Prinzip gebe ich Dir Recht. In der Praxis von Film und Fernsehen ist es jedoch genau das größte Problem, dass die allermeisten Leute, die sich als Sprecher bewerben, aus dem Schauspielbereich kommen und zu "lyrisch" klingen. Und das ist genau das, was wir in der Regel nicht brauchen.

 

[Astronautenkost]

Das Problem ist , nicht, dass die zu "lyrisch" sprechen, sondern zu sehr auf Wirkung, statt auf Bedeutung. Die sprechen dann auch Lyrik schlecht. Wirklich gute Schauspieler*innen können Lyrik, Prosa, Theatertext und Doku auf gleich hohem Niveau.

 

[whitealbum]

...
Kann mir kurz noch mal jemand den Unterschied zwischen M 990 und M92.1 erklären? Beides reine Nieren, beides Röhre - aber worin unterscheiden sie sich? Es muss ja einen Grund geben, dass es beide gibt.

Matthias

Ich habe beide (allerdings das UM92.1s MP-Variante des M92.1s, klanglich bei Niere identisch)

Beide haben die gleiche Röhrenschaltung, aber unterschiedliche Kapseln, die den Hauptunterschied ausmacht.
Technisch
M990 hat die "M930" Kapsel, das M92.1s die M7-Kapsel, die wie früher hergestellt wird.

M990 hat einen höheren Output, bei ca. 30mV, sprich man braucht weniger Gain am Preamp, ist aber weder Vorteil noch Nachteil.
M92.1s hat ca. 19mV, ist somit etwas leiser als Dein M930 und merklich leiser als das M990.
Rauschen: M990 sehr gute 81dB für ein Röhrenmikro, M92.1s gute 79dB , Rauschen ist also kein Thema bei beiden.

Klanglich
Das M990 klingt so wie Du das M930 kennst, superbe Auflösung, die beste Auflösung bei allen mir bekannten GMKs.
Klingt klar, ausgeglichene Mitten, aber etwas heller als das leicht-hell klingende M930.
Dafür klingt es körperlicher, runder und smoother in den Höhen.
Die Stimme klingt 3-dimensionaler und nicht so nüchtern, im Grunde natürlicher.
Die Frikativlaute klingen runder, aber dennoch muss man hier auch etwas deessen wie beim M930.

Die letzten beiden Sätze gelten auch für das M92.1s, was aber in den Mitten etwas prominenter ist, die Stimme sitzt mehr vorne beim Hörer, wenn man über Monis hört.
Das M92.1s hat eine breitbandigere Anhebung aus den hohen Mitten in die Höhen hinein und auch nicht so viel wie das M990, somit klingt es etwas dunkler.
Frikativlaute werden gutmütiger übertragen. Das M92.1s hat etwas weniger Bass/Tiefmitten was bei 20-30cm Besprechung eine gute Sache ist, es mulmt nicht so schnell.
Muss man selten oder weniger absenken.
Auflösung ist sehr gut, kommt aber nicht ganz an die famose Auflösung des M990 heran, was aber auch nicht unbedingt sein muss.

 

[Ennui]

Nun frage ich mich, gerade in Zeiten der coronabedingten dezentralen Produktion: Bringt es was, wenn ich mal ein wenig akquiriere, und mich bei anderen Film- und Fernsehbuden als autarker Sprecher anbiete? Ich könnte ja jederzeit auch ganz kurzfristig angelieferte Texte aufnehmen und die Audiodatei zurückschicken. Oder machen das schon so viele Leute, dass da der Markt total gesättigt ist?

Spreche aus meiner langjährigen Erfahrung in Werbeagenturen:
Der Markt ist ziemlich voll, aber wir haben uns extrem viele Sprecher-Samples auf Sprecher-Portalen angehört, bis wir die richtige Stimme für ein Projekt fanden, wir (ich) waren da aber auch ein bisschen besessen. Usus ist, dass Agenturen mit der Zeit einen eigenen kleinen Sprecherpool entwickeln und immer wieder auf diesen zugreifen. Die Stimme macht da letzten Endes nur einen kleinen Teil aus. Uns war am wichtigsten, wie schnell die Ergebnisse kamen (manchmal brauchten wir ein paar zusätzliche Waves noch am selben Tag), wie bzw. ob wir nachbearbeiten mussten, ob derjenige richtig lesen konnte (Fachbegriffe aussprechen), welche Sprachen er tatsächlich beherrschte und ob auch nachträgliche Aufnahmen noch "wie aus einem Guss" zu Aufnahmen von vor ner Woche klangen.

Es gibt zwar diese Sprecheragenturen, aber die wollen ja letztendlich in ihrem eigenen Studio aufnehmen, also anderes Geschäftsmodell...

Kenne keine Sprecher-/Werbeagentur die in ihrem Studio aufnehmen geschweige denn Reisekosten von einem Sprecher übernehmen will. Viele wollen nicht mal kommen. Wir hatten einmal einen deutschen Class-A-Promi bei uns zur Aufnahme und der kam nur, weil er unsere Grafikerin heiß fand.

Dazu noch die zusätzlichen Mannstunden, wenn man jemanden am Aufnahmeknopf braucht und die Mehrzahl an Takes, bis es mal sitzt. Den Stress gibt man an den Sprecher daheim ab und verlangt als Agentur dann Nachkorrektur, bis es passt (hier aufpassen, dass man sich nicht ausbluten lässt und bei Dreistigkeiten ruhig Nachbearbeitungsstunden verlangen).

Eine gute Idee finde ich tatsächlich, mal proaktiv ein Eletronic Press Kit an Agenturen zu schicken, gerne auch kleinere Agenturen. Wir haben regelmäßig Portfolios von Möchtegernmodells gekriegt, aber nicht einen Sprecher. Weiß nicht ob das in der Szene als anbiedernd gilt, ich persönlich hätte mich über neue, frische Stimmen gefreut.

 

[Pianist_Berlin]

Würdest Du denn lieber anhand einer trockenen Solo-Aufnahme entscheiden, oder wäre es besser, eine Probe zu produzieren, wo die Stimme bereits in die fertige Mischung eingebettet ist? Oder beides? Anhand der reinen Sprachaufnahme kann man ja vor allem die technische Qualität besser beurteilen, aber anhand einer fertigen Mischung können sich die Leute vermutlich besser das Ergebnis vorstellen...

Andererseits möchte ich natürlich niemandem die Arbeit wegnehmen, der die Kohle vielleicht dringender braucht...

Matthias

 

[Astronautenkost]

Für Kunden aus Werbeagenturen und Endkunden aus Industrie empfiehlt sich immer ein bearbeitetes File.

 

[Ennui]

Würdest Du denn lieber anhand einer trockenen Solo-Aufnahme entscheiden, oder wäre es besser, eine Probe zu produzieren, wo die Stimme bereits in die fertige Mischung eingebettet ist? Oder beides?

Beides. (EDIT: Halt! Du hast geschrieben "trockene Solo-Aufnahme"! Nix unbearbeitetes schicken! Der Kunde sollte nichts mehr schrauben müssen. Aber deine Stimme darf auch ruhig solo in Files sein. Ich habe öfters mal Samples runtergeladen und gleich ins Video mit Musik etc. gekloppt, um ungefähr zu sehen wie's wirkt.)

Vorsichtig wäre ich damit, Videos zu schicken, wenn diese nicht mindestens einem gewissen Industriestandard entsprechen. Ein schlechtes Video drückt meiner Meinung nach auch automatisch die Qualität des Sprechers. Meistens entscheiden nicht irgendwelche Vollprofis, wer Sprechen soll; da blendet man das Visuelle nur schwer aus.

Andererseits möchte ich natürlich niemandem die Arbeit wegnehmen, der die Kohle vielleicht dringender braucht...

Der Gedanke ehrt dich, aber erstens ist das gar nicht so leicht und zweitens gibt es im kreativ-schaffenden Sektor eine knallharte Dog eat Dog Mentalität. Wenn manche könnten, würden sie Konkurrenz mit Betonschuhen im See verschwinden lassen ohne schlecht zu schlafen. Ich hätte an deiner Stelle kein schlechtes Gewissen und es ist auch wirklich extrem selten, dass Sprechen das einzige Standbein ist, an dem die Existenz hängt.

 

[Ennui]

Hab oben nochmal schnell was ergänzt.

 

[Pianist_Berlin]

Ich meinte ja nicht "unbearbeitet", sondern fertig, aber ohne Mischungs-Kontext, also ohne Musik, Atmos, und so weiter. Und ich würde tatsächlich nur Audiofiles schicken, obwohl die Qualität meiner Filme über jeden Zweifel erhaben ist...

 

[Astronautenkost]

Bei Leuten aus dem Industrie- und Agenturbereich ist wenig Vorstellungsvermögen vorhanden. Die brauchen das so konkret wie möglich.

Du kannst davon ausgehen, dass der Werber*in das noch mindestens dem Marketingfuzzi seines Kunden vorspielt.