Musikern die Mikrophonangst nehmen

[Burkie]

Hallo,

wie kann man Musikern, die eigentlich einen sehr guten Song zum Aufnehmen mitbringen, die Mikrophonangst, das Lampenfieber nehmen?
Damit sie einfach so unbeschwert losspielen?
Dass der/die Sängerin vor dem Mikro so richtig so aus sich rauskommt, und alle Emotionen in den Song einfliessen lässt, und alles um sie herum vergessen?
Dass ihnen bei der Aufnahme nichts peinlich wird?
Dass die Sänger am Mikro ihre Emotionen reinbringen, Wut und Verletzlichkeit, Persönlichkeit?
Dass sie erst beim Rough-Mix am Ende der Session merken, dass ich bei den Aufnahmen die emotionalen Textstellen, die ihnen vieleicht erst mal peinlich waren, aufgehoben habe? Die im Mix erst den Song aufgrund der Emotionen nach vorne bringen?
Bei einer Session mit einer Gitarren-Sängerin mit ihrem eigenen Song hatte ich sie zuerst gebeten, ihren Song einfach mal so ohne Mikros und Aufnahme zu spielen.
Danach hatte ich ihr angeboten, zum clicktrack einen Guidetrack live mit Gitarre und Gesang aufzunehmen.
Zum Clicktrack konnte sie das Tempo nicht halten, also hatte ich zum clicktrack mal rasch ein paar Takte 08/15 Drums eingespielt und geloopt, zum Takthalten.
Danach hatte sie ihre Akustik-Gitarre eingespielt. Das brauchte ein paar Anläufe, um den Sound hinzubekommen. (Mikrophonpositionierung...)
Danach E-Gitarren-Overdubb von ihr. Ging recht flott.
Danach Gesangs-Overdubbs.
Es gab ein paar durchgehende Takes. Auf den besten Take hatte ich sie angeregt, kleinere Fehler über Punch-In zu verbessern. Leider hatte ich auch nicht immer bei allen Punch-Ins funktioniert, d.h. bei einigen Punch-Ins war die Aufnahme nicht scharf geschaltet.
Über diesen ersten Vocal-Track Doppelungs-Vocals gelegt. Ich hatte ihr gesagt, sie möge exakt wie beim ersten Track drüber singen, mit allen Phrasierungen und Betonungen. Da mussten wir auch noch einige Male ausbessern.

Ich höre den Song jetzt in meinem besten Mix. Aber er klingt nicht so unbeschwert, so überzeugend. Es ist ein sehr guter Song, aber meine Aufnahme davon bringt das volle Potenzial des Songs nicht wirklich rüber, und das ärgert mich.

Frage: Was habe ich bei den Sessions falsch gemacht? Wo an welcher Stelle habe ich die Gitarren-Sängerin zu sehr verunsichert? Wo und wie hab ich versäumt, der Gitarren-Sängerin eine angenehme Aufnahmesession-Atmosphäre zu vermitteln? Ein Stimmung zu vermitteln, dass Sie etwas großes gutes macht, und es immer nur nach vorne geht und besser wird?


Ich kann mir denken, dass Click-Trackmässige Aufnehmen ihrer Gitarren (akustik, elektrik) vor dem Gesang hatten sie etwas mürbe gemacht, sodass sie wegen der ganzen genauen Gitarreneinspielerei schon von der ganzen Technik ermüdet war, und die Lust teilweise raus war...

Wie kann man Sessions besser gestalten?

Grüß3

 

[Einfach]

Wozu den Clicktrack?

Habe ich das richtig verstanden, sie hat ihren Song zwar gesungen und gespielt aber du hast ihn nicht gleich mit aufgenommen? Das wäre der Clicktrack (Schmutzspur ) gewesen. Hm, vermutlich habe ich das falsch verstanden.

 

[sweetlizzard]

Das war jetzt spontan mein erster Gedanke
Gitarre und Vox evtl. nicht am gleichen Tag, wenn das überhaupt möglich/bezahlbar ist.
Schwierig, weil jeder tickt anders......

 

[sweetlizzard]

Ich kann mir denken, dass Click-Trackmässige Aufnehmen ihrer Gitarren (akustik, elektrik) vor dem Gesang hatten sie etwas mürbe gemacht, sodass sie wegen der ganzen genauen Gitarreneinspielerei schon von der ganzen Technik ermüdet war, und die Lust teilweise raus war...

Sorry hat sich überschnitten-DAS meinte ich

 

[thomasvonwelt]

Viele, sehr viele Künstler kommen mit so dogmatischen Dingen wie "Click-tracks" nicht zurecht... da bleibt dann manchmal....oft.... das "Gefühl" auf der Strecke, von dem die Musik nunmal aber lebt... jedenfalls wenn sie mehr transportieren soll als reinen info... .

Manch einer fühlt sich gehetzt, gejagt von dem clicken, eingeengt in seiner künstlerischen Interpretation wärend des recordens wenn er permanent von einem Takt diktiert bekommt in welcher Zeit er nun SEINEN SONG singen "muss"....

...ja, es ist ein weiter Feld...

 

[Marc1610]

Erstmal, würde ich garkeinen Klick nutzen und gleich Drums fürs Gitarren und Bassspiel laufen lassen, das klingt gewohnt, Musik wird auch mit einer B-Drum gespielt.

Den Gesang würde ich auf ein Playback singen lassen und wenn du da irgendwas anfertigts, sollten noch Instrumente eingespielt werden müssen.

Dann kommt es auch sehr auf den Künstler an, wie er/sie gestrickt ist, etwas eigenengagement muss schon vorhanden sein, auch wenn man es für Lau macht, oder aus Spass an der Freude.

Anfänger haben leider keine Erfahrung, da muss man eben selbst die Geduld bewahren und auch wenns nervt, Ruhe ausstrahlen.
Dein Gegenüber bekommt mit, wenn man etwas genervt ist, an der Haltung den Blick und am Ton der Stimme.

Da sie eh schon etwas verunsichert sind, wird es das nur verstärken und sie fühlen sich bestätigt, wenn das passiert, kann man noch so oft beteuern, das es alles garnicht so schlimm ist, alles sei ok und blablabla, es ist vorbei.
Dann bleibt nur noch, der Nächste bitte,oder komm in zwei Tagen, einer Woche wieder.

Nimmst du weiter mit der Stimmung auf, wird es so klingen wie von dir beschrieben, oder noch schlechter.

Manchmal muss man sich aber auch eingestehen, das es einfach NULL bringt es weiter zu führen.
Vorallem Anfängern muss man es schon mal vorführen, was Betonung, Phrasierungen angeht, das bringt schon Verkrampfung, er/sie fühlen sich dann wohl etwas eingeschränkt, oder gar Minderwertig und singen nicht, sie sind bemüht zu funktionieren, was dann natürlich in die Hose geht.

Der erste Eindruck ist ebenfalls wichtig, wo kommt man rein, welche Räume betritt man, wie werde ich begrüsst, wie wirkt die Begrüssungs Person auf einen.

Dann sollte man sich etwas Zeit nehmen, nicht gleich anfangen mit dem was man vor hat, sich erstmal etwas kennenlernen und zumindest so tun, als würde man sich für die Persohn die jetzt gleich singt oder einspielt interessieren.
Das kann schon mal eine halbe bis Stunde dauern, dabei merkt man ob jemand nervös ist, man kann sich mit der Umgebung etwas vertraut machen.

Wer freundlich und gelassen wirkt, wird es leichter haben.
So lange es geht Positiv wirken und Zustimmung geben.
Es liegt nicht immer am Künstler.

Aber wenn es garnicht geht, sollte das Eingeständniss kommen und man sagt sich freundlich und Tschüss.
Du bist ja schliesslich kein Musik/Gesangslehrer.

 

[L0rdVetinari]

Wie wäre es denn mit nem Glas Sekt, oder Wein oder Bier oder etwas Gras?

 

[lala-mann]

Du solltest gut vorbereitet sein, damit während der Session zumindest technisch keine Probleme auftreten, die Unsicherheit vermitteln könnten.
Ruhe ausstrahlen, freundlich sein und die Sache relaxt angehen nimmt den Sängern oft schon die erste Nervosität. Vorab kennenlernen, n Käffchen schlürfen und für ne nette Atmosphäre sorgen hilft auch.
Während der Aufnahmen auf Probleme eingehen oder auch unterstützen, falls Dinge unklar sein sollten (studio-/ gesangstechnisch).
Da muß man sich halt schonmal die nötige Zeit nehmen und einen eventuellen Zusatztermin vereinbaren. Aber solang das Ergebnis stimmt ...

 

[cello]

Versuche, keinen Stress rüberkommen zu lassen.
Gib Zeit zum Einspielen/Einsingen - auch in der Kabine.
Gib nicht die eigene Stimme zu laut auf den Monitor - dann macht Musiker mehr

Clicktraks sind für viele Musiker Mord - da fühlt sich Musiker zur Maschine degradiert, Drumspur (wie von dir dann gemacht) ist da 1000 mal besser (und subjektiv viel einfacher)

 

[Burkie]

Hallo,

ja, ihr habt recht. Ich habe mich ja bemüht, keinen Stress zu machen.
Nachdem die Schmutzspur nach zwei Probeläufen zum Clicktrack immer nach ein paar Takten aus dem Ruder lief, hatte ich dann zum Clicktrack ein paar Takte Bumm-Tschak-Bummbum-Drums aufgenommen und geloopt.

Ich habe an der Stelle auch nicht gesagt, OK, DU kannst nicht zum Clicktrack spielen, sondern eher sowas wie, hmm, das funktioniert so nicht, nehmen wir lieber zum Schlagzeug auf. Also, vermeiden von Schuldzuweisungen. In Zukunft würde ich erst gar nicht mit Clicktrack anfangen, sondern gleich mit Drums.

Ich finde die Entscheidung für oder gegen Metronom schwierig. Nimmt man ohne Metronom oder Clicktrack oder ohne Drums nach Clicktrack auf, so kommt es leicht vor, dass der Song dann eiert. Das merkt man dann schmerzhaft, wenn schon einige Spuren aufgenommen sind und weitere Overdubbs dann nicht mehr einspielbar sind, weil halt das Grundgrüst eiert.

Von daher würde ich in Zukunft bei solchen Sessions zu Beginn einfach ganz einfache Takthaltungs-Drums einspielen und loopen.

Ich habe den Eindruck, dass viele Musiker beim Aufnehmen gerne schnell fertig werden, also die Sache gerne hinter sich bringen. Obwohl sie ohne Aufnahme beim Konzert den Song gerne auf über 10 Minuten auswalzen...

Wie kann man Musikern auch bei der Aufnahme einen Spaß vermitteln, den Song ein paar Mal zu wiederholen? So, dass sie einfach Freude daran haben, den Song zu spielen oder zu singen?

Wie geht Ihr eigentlich bei Aufnahmesessions vor? Wie läuft das bei Euch ab? Wie schafft Ihr es, aus den Musikern und dem Song das beste heraus zu stellen?

Grüße

 

[Saurus]

Ne schöne Atmosphäre finde ich auch wichtig - schummeriges Licht oder gar viele Kerzen - und wie Cello auch schon sagte, Stimme eher leise zum Playback, damit der/die Sänger/in mehr "ausschüttet".

 

[lala-mann]

Clicktrack ist tatsächlich eher ein "Stimmungskiller". Lieber die "bumm-tschack" Variante!

Sänger sind ja auch schonmal öfter "Diven". Die mögen es sehr, wenn man sich kümmert. Im Vorfeld könnte man so aufmerksam sein und schonmal fragen, was es denn zu trinken sein darf ... Mit diesen Kleinigkeiten hab ich gute Erfahrungen, um das Eis bereits vor der Session zu brechen

Um die Sänger zu motivieren (wobei die Leute, die ihren Kram aufnehmen wollen doch für gewöhnlich motiviert sind...?!) kann man auch mal zeigen, wo eine Produktion gesangstechnisch (bzw soundtechnisch) hingehen kann. Dies bezogen auf Gesangs-Neulinge, von denen man ja gerne zu hören kriegt "wie komisch die Stimme plötzlich aus den Lautsprechern klingt", irgendwie "dünn" und "ganz fremd" ...

 

[altessockenfach]

Mir persönlich ist auch immer wichtig, dass meine Monitormischung stimmt und dass ich mich so höre, dass ich intonationsmäßig gut klar komme.
Jeder Sänger hat ja andere Techniken, der eine beide Hörer, der andere nur einen, ich mag am liebsten Hall aufm Monitor, das sind alles Sachen, die mich stark verunsichern, wenn das nicht stimmt. Grade bei einem Anfänger, der noch nie in einem Studio gesungen hat, ist das glaub ich das wichtigste. Oftmals, und vor Allem, wenn sie sich mit der Technik nicht auskennen, sagen die Musiker auch nicht, was ihnen noch auf dem Kopfhörer fehlt. Da muss man immer gut drauf eingehen.

 

[DaVogi]

du lässt ne singer/songwriterin beides getrennt einspielen/singen zu nem clicktrack? das ist wie das überschungsei der vibekiller.... 3 fehler auf einmal.

1) gitarre gesang ist hier als einheit zu betrachten in den meisten fällen. d.h. lass die künstlerin das auch gemeinsam einspielen. die performance einzufangen hat hier oberste priorität.
wenn man das per overdubbing zerpflückt dann haben die sänger nichts mehr an was sie sich festhalten können. und vor allen dingen schafft man eine ungewohnte situation.

sound/bearbeitungseinschränkungen durch diesen prozess muss man halt in dem fall akzeptieren.

2) konstantes tempo ist irrelevant in diesem fall, wenn da was stark rytmisches dazu kommt muss man das gemeinsam live einspielen und die künstlerin in ne iso booth stecken... dann wandert das tempo eben ein wenig... nicht das ende der welt.

nen clicktrack jemanden aufzubrummen der das nicht gewohnt ist funktioniert praktisch in 90% der fälle nicht... ein einzähler um das tempo grob vorzugeben ist ok.

3) die egitarre kann man ja auch auf ein klein schwankendes playback rauf spielen. muss man ein paar krumme einstiege / passagen halt öfters probieren und sich drauf eingrooven.

 

[goofy]

Ich denke es ist wirklich wichtig im Vorfeld darauf hinzuweisen, wie eine Recording Session abläuft. Viele haben damit noch überhaupt keine Erfahrung und verstehen zum Besipiel nicht warum sie nicht einfach drauf los singen können, oder warum sie jetzt plötzlich einen Kopfhörer aufziehen müssen.

Bereite so viel wie möglich vor (aufräumen, patchen, etc...) aber mach der Person gleich (am Besten schon bevor sie erst ins Studio kommt) klar, dass es einige Zeit brauchen wird alles einzustellen und vorzubereiten.
Dann weiß sie, dass es nicht an ihr liegt.
Erklär auch, dass ihr ein gutes Ergebnis haben wollt also mehrfach durchgehen werdet, und dass du bemüht sein wirst Fehler freundlich aufzuzeigen.
Erklär einfach genau was zu erwarten ist. Viele denken sie stellen sich vor's Mikro und das klingt dann halt einfach.
Führ die Person ein und gib ihr ruhig Zeit mit dem Mikro und dem Sound auszuprobieren und sich daran zu gewöhnen.

Ich denke es ist schon gut ein Tempo vorzugeben. Außer wenn du jemand professionelles oder jemanden mit viel Erfahrung vor dir hast.
Temposchwankungen können auch was sehr schönes haben und geben wenn richtig angewandt manchmal 'das' letze Stück das den Song zum klingen bringt. Aber es muss einfach stimmig sein.

 

[Burkie]

Hallo,

ja, da waren viele Hinweise dabei, danke sehr.
Ich glaube, ich war dabei etwas zu sehr von mir aus gegangen. Ich nehme mich seit Jahren selber auf, weiß, wie das geht, dass der Sound erstmal nicht so stimmt, dass probiert werden muss, dass man mehrere Durchgänge macht.
ich fand's immer sehr entspannend, hatte ich einen brauchbaren Take gemacht, gleich noch einen zu machen, mit mehr Risiko , aber auch mit mehr "Gefühl". Falls es schiefgeht, hat man ja immer noch den ersten guten brauchbaren Take.
Zum Schluss, wenn alles beisammen war und nur noch die Vocal aufzunehmen waren, hatte es mir am meisten Spaß gemacht. Vocals 5, 8, 10mal zu singen. Vocaldopplungen 20 mal zu machen. Für mich war das immer Spaß vor dem Mikrophon.

Von daher fällt es mir glaub ich etwas schwer, mich völlig in die Situation desjenigen zu versetzen, der sowas zum ersten Mal macht und gar nicht weiß, wie es läuft.

Ich denke, ich müsste in Zukunft viel mehr einführende Worte sprechen, die die Musiker ermutigen, Spaß bei der Session zu haben. Keine Angst vor Fehlern oder Risiken zu haben.

Bezüglich des Tempos, da hatten wir zum Schluß die Bumm-Tschack-Bumm-bumm-Drums rausgedreht, damit sie den Schluß auf der Gitarre langsamer werden konnte.

Grüße

 

[sixstringwarrior]

Hand- statt Großmembran-Mikro probieren, Ruhe und Geduld ausstrahlen, Hall auf den Monitor geben, Stimmung mit Humor auflockern, keine zu fachmännisch-professionelle Atmosphäre erzeugen, vorschlagen zunächst einen anderen Track zu probieren und in ganz, ganz argen Fällen der Person nahelegen sich auf den Studioaufenthalt besser vorzubereiten.