Manchmal, nicht immer

[Burkie]

Es fehlen die Ausschnitte, die von der Zeit nach dem irdischen Leben sprechen. Da wird durchweg das Bild vermittelt, dass die Reichen ihren Lohn eben jetzt schon erhalten haben, nachher jedoch für ihre Hartherzigkeit bestraft werden, während die Armen und Gepeinigten später getröstet und belohnt werden.

Ja, und weil das Leben nach dem Tod ja das ewige Leben ist, ist es besser, im jetzigen kurzen Leben zu leiden, um danach die ewige Glückseligkeit zu geniessen.

Damit ist alles nur Eigennutz, nämlich Tausch kurzer diesseitiger Qualen gegen ewige jenseitige Glückseligkeit. Reiner Egoismus also.
Und auch das Thema, um die Einfältigen im diesseitigen Leben dumm und unterwürfig zu halten.
Damit sich bloß niemand gegen die da oben auflehnt, und etwa Gerechtigkeit einfordert.
Religion ist Baldrian für's Volk.

Gruss

 

[Turquoise]

Ja, und weil das Leben nach dem Tod ja das ewige Leben ist, ist es besser, im jetzigen kurzen Leben zu leiden, um danach die ewige Glückseligkeit zu geniessen.

Wenn dem so einfach wäre - warum handeln dann nicht auch diejenigen so, die im Hier und Jetzt mit Reichtum und Wohlstand versehen sind? Sie könnten doch um des unermesslich viel größeren Reichtums später jetzt auf den ihrigen verzichten? Oder etwas davon abgeben? So ganz aus egoistischen Motiven?

Damit ist alles nur Eigennutz, nämlich Tausch kurzer diesseitiger Qualen gegen ewige jenseitige Glückseligkeit. Reiner Egoismus also.

So würde es der Egoist beurteilen, der nichts anderes kennt, als Egoismus. Frei nach dem Motto: was ich selber denk' und tu'...

In Wahrheit jedoch scheint mir die Akzeptanz des irdischen Leidens kein Ausdruck von Egoismus zu sein (auf soetwas können wohl nur sehr verdehte Hirne kommen), sondern eher die praktische Bejahung übergeordneter Prinzipien, denen auch dann nachgegangen werden sollte, wenn es für das persönliche Leben nachteilig wird. Eben weil hier jemand erkannt hat, dass das Gute eines solchen Prinzipes (bspw. keinen Menschen zu übervorteilen) immer und überall - unabhängig von Zeit und Raum - gut und richtig ist.

 

[Teestunde]

Hui! Ich hab noch nicht gründlich gelesen, weil ich zu tun habe. Ich lass euch erst mal diskutieren. Von mir kann ich nur so viel sagen: Mir ist in einem Moment geholfen worden, wo ich es am allerwenigsten "verdient" gehabt hätte. Die Geschichte ist allerdings sehr persönlich und ich will sie hier nicht ausbreiten. Danke erst mal für alle Beiträge. Ich bin echt erstaunt.

Was Diskussionen über den Glauben betrifft: Ich habe - gerade mit Gläubigen - auch schon sehr unangenehme Erfahrungen gemacht. Sie rechnen mich nicht mit dazu, weil ich nicht so glaube, wie sie es tun. Das ist mir umgekehrt bei Atheisten noch nie passiert. Die sind irgendwie "pflegeleichter".

 

[Kosaken-Kaffee]

Atheisten oder Agnostiker sind in der Regel offener und flexibler. Gläubige sind in der Regel engstirniger und intoleranter.

 

[Teestunde]

Mit christlichen oder religiösen Menschen haben ich immer so ein Problem: Man darf sie nicht wirklich auf ihren Glauben ansprechen, oder gar über ihren Glauben diskutieren, weil: Dann würde man ihren zarten zerbrechlichen Glauben irgendwie unfair leichtfertig erschüttern.

Das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Wenn ich zugebe, dass mich die Bhagavad Gita fast mehr anspricht, als das Neue Testament, fallen Kirchengläubige beinahe in Ohnmacht. Und dann verweisen sie mich auf die Krishna-Bewegung und fragen, warum ich da nicht mitmache. Dass man auch ohne Kirche glauben kann, ist für sie ein Sakrileg. Das geht bis zum persönlich Beleidigtsein. Deswegen habe ich mir abgewöhnt, überhaupt darüber zu reden. Ich will bestimmt niemanden beleidigen.

 

[Teestunde]

Johann Wolfgang Goethe

Faust:

Mißhör mich nicht, du holdes Angesicht!
Wer darf ihn nennen?
Und wer bekennen:
»Ich glaub ihn!«?
Wer empfinden,
Und sich unterwinden
Zu sagen: »Ich glaub ihn nicht!«?
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Faßt und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst?
Wölbt sich der Himmel nicht da droben?
Liegt die Erde nicht hier unten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau ich nicht Aug in Auge dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir,
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist,
Nenn es dann, wie du willst,
Nenn's Glück! Herz! Liebe! Gott
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsglut.

 

[Teestunde]

Manchmal, nicht immer genau zu den Zeiten,
die der Kalender bereithält dafür,
will man am liebsten der ganzen Welt sagen:
Dies ist die Straße und da ist die Tür.

Die Idee, das zusammenzufassen, gefällt mir. Aber ich bin inhaltlich beim Nachdenken davon weggekommen. Eigentlich will ich niemanden bekehren. Es geschieht zuweilen aus Begeisterung, dass man Andere auf diesen Weg holen will, doch ich lasse sofort davon ab, wenn ich mich dabei "ertappe". Meine Strophen würde ich gern so beibehalten.

 

[Teestunde]

Religion ist Baldrian für's Volk.

Ja. Wo sie allwissend daherkommt und sich im Besitz ewiger Wahrheiten glaubt. Und da, wo Ausbeutung mit dem Hinweis auf den Lohn im Jenseits gerechtfertigt wird. Andererseits gibt es auch Aufopferung und Nächstenliebe, die sich ihre Kraft aus dem Glauben holt... (Wobei ich ehrlicherweise sagen muss, dass ich da kein leuchtendes Beispiel bin.)

 

[Turquoise]

Atheisten oder Agnostiker sind in der Regel offener und flexibler. Gläubige sind in der Regel engstirniger und intoleranter.

Das dürfte daran liegen, dass Atheisten und Agnostiker nicht wirklich etwas zu verteidigen haben außer ihrem persönlichen Konzept von Freiheit, das alle einschließt außer jene, von denen sie ausgeschlossen werden. Sie ähneln damit ein wenig den Multikulturalisten, die alles tolerieren außer der Intoleranz. Das klingt im ersten Moment nicht schlecht, erweist sich aber bei genauerem Hinsehen oft als merkwürdig und in sich widersprüchlich.

Deshalb, @Teestunde , liegt Deine Enttäuschung eher an Deiner eigenen Erwartungshaltung Gläubigen gegenüber. Das Wesen des Glaubens ist ja eben gerade nicht universale Toleranz, auch wenn Frau Käsmann und Herr Bedford-Strohm das so behaupten. Man glaubt ja an Etwas, das heißt, man glaubt an das, was dieses Etwas negiert, bewusst nicht. Es ist also immer ein Inside-Outside-Ding.

(Zur Einordnung: ich bin aus der Kirche ausgetreten.)

 

[Teestunde]

(Zur Einordnung: ich bin aus der Kirche ausgetreten.)

Und ich bin NICHT in die Kirche eingetreten, weil ich mich für meine Art zu glauben sogar vor Gläubigen rechtfertigen müsste. Das ist mir zum Beispiel im Krankenhaus begegnet, als ich zum Gottesdienst ging. Der Pastor wollte mich am liebsten ausschließen, als ich zugab, atheistisch erzogen zu sein und erst später zum Glauben gefunden zu haben. Er schnaubte Luft durch die Nase und sagte wortwörtlich: "Nun produzieren wir uns hier schon vor Atheisten!"- Ich dachte immer, die Kirche ist für alle offen.

 

[Sylvi]

Von daher könnte man sowohl Reichtum als auch Armut als Prüfung verstehen, die der Mensch bestehen muss. Was wiederum die Frage beantworten würde, weshalb Gott so viel Leid und Ungerechtigkeit zulässt...

Das ist so nicht richtig, denn Gott hat den Menschen einen eigenen Verstand gegeben.
Nach oder mit diesem Verstand kann jeder nach seiner eigenen Fasson glücklich werden.
Gott macht die Kriege und das Elend auf Erden nicht. Das sind die Menschen ganz alleine, die jetzt gerade
wieder mit aller Macht dabei sind, die Umwelt zu zerstören und ständig neue Kriege anzuzetteln.
Warum sollte er da eingreifen ?
Der Mensch hat seinen Verstand bekommen, und den kann er einsetzen, wie es ihm beliebt.
Das und nichts anderes ist die Antwort auf die Frage, warum Gott soviel Leid zulässt.
Genauso hat die Kirche egentlich nichts mit Gott zu tun. Ob ich nun in die Kirche gehe oder nicht,
wen juckt das.
Die Kirche ist eine vom ´Staat finanzierte Einrichtung, und auch nur vom Menschen geschaffen worden.
Wenn ich nicht mehr in der Kirche bin, deswegen kann ich trotzdem an Gott glauben oder nicht.
Es soll welche geben, die gehen einmal im Jahr und das ist zu Weihnachten in die Kirche.
Was soll das denn bitte sein ?
Weil es da so schön feierlich ist ?

BG
Sylvi

 

[Turquoise]

Das ist so nicht richtig

Wieso? Es widerspricht doch dem, was Du schreibst, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Der von Dir genannte eigene Verstand ist doch gerade das Instrument, dessen man sich bedienen könnte, um die (wie ich es nannte) Prüfung zu bestehen.

Ich dachte immer, die Kirche ist für alle offen.

Schon, aber unter gewissen Bedigungen. Du kannst ja auch nicht in einen Schrebergartenverein eintreten und dann Deine Parzelle zu einem Freibad umbauen. Wer mitmacht, muss eben so mitmachen, wie es die Satzungen vorgeben. Dann steht die Kirche allen offen. Anderslautende Behauptungen sind Quatsch. Selbst wenn sie von den "Großkopferten" kommen.

 

[Kosaken-Kaffee]

Das ist so nicht richtig, denn Gott hat den Menschen einen eigenen Verstand gegeben.
Nach oder mit diesem Verstand kann jeder nach seiner eigenen Fasson glücklich werden.

Genau das hat mir meine Religionslehrerin auch immer eingetrichtert. Nur: Wenn Gott so allmächtig ist, dann hätte er wissen müssen, was er damit anrichtet und hätte es nicht machen sollen. Oder er findet einfach Gefallen daran, sich am Elend der Menschheit aufzugeilen.

 

[Turquoise]

Wenn Gott so allmächtig ist, dann hätte er wissen müssen, was er damit anrichtet und hätte es nicht machen sollen.

Mir gefällt die Vorstellung, dass das, was sich hier abspielt, eine Art Theaterstück vor dem ganzen Universum ist. Ein Mini-Planet, am Rande der Galaxie mit Leben, auf dem es drunter und drüber geht, der aber verglichen mit den Geröllwüsten unendlich schön und liebenswert ist, und dessen Bewohner eben nicht nur zu Bösem fähig sind, sondern auch lieben und neues Leben hervorbringen können - zwei Dinge, die den Neid der gesamten unbelebten Materie hervorrufen müssen.

Darum geht es in meinem Lied Surrunded by Silence, wo es heißt, we're a play for myriads of silent observers - wir sind ein Theaterstück für Myriaden stiller Beobachter

Oder er findet einfach Gefallen daran, sich am Elend der Menschheit aufzugeilen.

Kann ich mir nicht vorstellen. Ich denke eher, es wird ihm gehen wie Eltern, die mitansehen müssen, wie ihr Teenie total abdriftet, Drogen nimmt, versackt, in schlechte Gesellschaft gerät, kriminell wird usw. Da leidest du auch unglaublich mit. Wenn du aber gewaltsam eingreifen würdest und deinen Sprössling zur Therapie zwingen würdest, würdest du ihm seine Autonomie wegnehmen. Am Ende hasst er dich dann vielleicht genau deswegen und wirft dir vor, warum hast du mich wie einen Unmündigen behandelt?

 

[Teestunde]

Schon, aber unter gewissen Bedigungen. Du kannst ja auch nicht in einen Schrebergartenverein eintreten und dann Deine Parzelle zu einem Freibad umbauen. Wer mitmacht, muss eben so mitmachen, wie es die Satzungen vorgeben. Dann steht die Kirche allen offen. Anderslautende Behauptungen sind Quatsch. Selbst wenn sie von den "Großkopferten" kommen.

Er war aber extra von Aufenthaltsraum zu Aufenthaltsraum gegangen und hatte alle Interessierten eingeladen. Aber er meinte wahrscheinlich "seine Leute".

 

[Burkie]

Kann ich mir nicht vorstellen. Ich denke eher, es wird ihm gehen wie Eltern, die mitansehen müssen, wie ihr Teenie total abdriftet, ....

Da Gott ja allmächtig ist, kann er da ja auch einfach eingreifen, und dem Teenie wieder Vernunft und Ordnung ins Gehirn pflanzen, und schon ist sie wieder in der Spur. Allmächtigkeit kann sowas.

Gruss

 

[Kosaken-Kaffee]

Da Gott ja allmächtig ist, kann er da ja auch einfach eingreifen, und dem Teenie wieder Vernunft und Ordnung ins Gehirn pflanzen, und schon ist sie wieder in der Spur. Allmächtigkeit kann sowas.

Das wäre aber eine Zwickmühle für den alten Mann. Ist er ein logisch Denkender, dann kann er seine Allmächtigkeit nicht einsetzen, denn sonst wäre dies als Eingeständnis zu interpretieren, dass das Überlassen des freien Willens für den Menschen ein Fehler gewesen war.

 

[Burkie]

Ja, und weil das Leben nach dem Tod ja das ewige Leben ist, ist es besser, im jetzigen kurzen Leben zu leiden, um danach die ewige Glückseligkeit zu geniessen.

Wenn dem so einfach wäre - warum handeln dann nicht auch diejenigen so, die im Hier und Jetzt mit Reichtum und Wohlstand versehen sind? Sie könnten doch um des unermesslich viel größeren Reichtums später jetzt auf den ihrigen verzichten? Oder etwas davon abgeben? So ganz aus egoistischen Motiven?

Damit ist alles nur Eigennutz, nämlich Tausch kurzer diesseitiger Qualen gegen ewige jenseitige Glückseligkeit. Reiner Egoismus also.

So würde es der Egoist beurteilen, der nichts anderes kennt, als Egoismus. Frei nach dem Motto: was ich selber denk' und tu'...

Du drehst es dir grad so herum und im Wind herum, wie es dir passt, nicht wahr?

Ich finde deine Argumentation, jemandem der eine schlechte Motivation vorbringt, schon selber diese schlechte Motivation aufzusprechen, ausgesprochen unfair.

Das ist schlechter Argumentationsstil, finde ich.

Nach dem Motto, wer einen Betrug wittert, ist selber ein Betrüger.

So geht das aber nicht.

Gruss

 

[Burkie]

Da Gott ja allmächtig ist, kann er da ja auch einfach eingreifen, und dem Teenie wieder Vernunft und Ordnung ins Gehirn pflanzen, und schon ist sie wieder in der Spur. Allmächtigkeit kann sowas.

Das wäre aber eine Zwickmühle für den alten Mann. Ist er ein logisch Denkender, dann kann er seine Allmächtigkeit nicht einsetzen, denn sonst wäre dies als Eingeständnis zu interpretieren, dass das Überlassen des freien Willens für den Menschen ein Fehler gewesen war.

Hat er das denn getan?
Warum ist ein Allmächtiger überhaupt auf die Liebe oder Zuneigung oder Vertrauen seiner Kreaturen angewiesen?
Wie in der Geschichte vom Hiob, dem der Allmächtige allerlei Prüfungen auferlegt und ihn zum Spaß peinigt bis aufs Blut, um zu prüfen, oder Hiob ihn trotz allem immer noch liebt und sich nicht dem Teufel anvertraut.

Das ist nicht logisch, das ist doch alles Unfug.

Als Allmächtiger hat er sich sein Geschöpf Hiob ja schon so erschaffen, dass es ihn immer und stets lieben wird. Andernfalls wäre der Allmächtige ja nicht allmächtig.

Als Allmächtiger steht ja auch der Teufel unter seiner Macht, oder er wäre nicht allmächtig. Damit braucht er auch dem Teufel nichts "beweisen", denn auch der Teufel ist ja nur ein Wesen unterhalb seiner Allmacht.


Da der Allmächtige seine Kreaturen, also die Menschen nach seiner Allmacht erschafft, erschafft er auch ihre freien Willen zur Boshaftigkeit und zum Verbrechen. Damit braucht kein Verbrecher jemals ein schlechtes Gewissen zu haben, denn er befolgt ja bloß den Willen des Allmächtigen, so wie er ihn, den Verbrecher, in all seiner Verbrecherhaftigkeit erschaffen hat. Nicht wahr?

Gruss

 

[Teestunde]

Es soll welche geben, die gehen einmal im Jahr und das ist zu Weihnachten in die Kirche.
Was soll das denn bitte sein ?
Weil es da so schön feierlich ist ?

Lass sie doch in die Kirche gehen. Für mich ist es Ausdruck einer Suche. Bei Werner Bergengruen steht sinngemäß, die Suchenden wollen sich vom überwuchernden Drum und Dran reinigen, um wieder zum Eigentlichen durchzukommen. Wer dazu die Kirche braucht, bitteschön!
Locis und ich haben zu dem Thema schon mal ein Lied geschrieben, ich glaube, es ist noch hier im Archiv. Es heißt "Ganz allein". Vielleicht sagt es mehr, als meine Erklärungen es könnten.

Hab es gefunden: https://app.box.com/s/0yocy6eo0zyj4xtpk2q4