Wie viel Bearbeitung ist im Mix erlaubt?

[JakobRosemann]

Hi!
Meine Frage ist auf der einen Seite sehr banal, andererseits auch nicht (wie ich finde), da sie natürlich nicht pauschal beantwortbar ist. Dennoch würde mich eure Meinung interessieren!

Mir persönlich wurde, wenn ich für andere Leute mische, oftmals gesagt, dass meine Mixe schon ganz gut sind, aber den Originalsound doch seeehr stark verändern.
Wenn ich darauf achte, dann klingen meine Drums nach den Bearbeitungen auch tatsächlich immer wieder sehr ähnlich - egal, wie weit die Einzelsounds verschiedener Tracks am Anfang voneinander differierten.

Ich frage mich daher des öfteren, wie viel Bearbeitung/Veränderung wirklich ok ist.
In der Theorie heißt es ja immer, dass ein perfekt aufgenommenes Signal keiner Bearbeitung (bzw. weniger) bedarf.
Bleibt also die Frage, ob die Spuren, die ich zum Mischen bekomme, so weit von nem guten Sound abweichen, dass sie tatsächlich so starker Bearbeitung bedürfen oder ob ich es einfach übertreibe?

Aber mal ehrlich: Wenn ich ne Snare bekomme, die kaum Frequenzen unter 350 Hz hat, dafür aber bei 16 kHz noch volles Rohr gibt, aber keinerlei Attack, dann muss ich da ne ganze Menge Arbeit reinstecken, bis das Teil klingt.

Wie denkt ihr über das Thema?

 

[GeorgeT]

Du hast einen für Dich üblichen Stil Sounds zu bearbeiten...deshalb wirst Du einen für Dich (und Deine Ohren) mehr oder weniger typischen "Sound" produzieren. Das ist soweit normal...

Aber idealerweise bist Du dazu fähig, auf die klanglichen Vorstellungen der Künstler einzugehen. D.h. Du kannst / solltest das vorher so weit als möglich abklären, wie sich Dein "Kunde" das vorstellt...

Dazu könntest Du beispielsweise dem Kunden eine Deiner Produktionen mit einem für Dich "typischen" Sound vorspielen, und abklären ob ihn das so anspricht...alternativ kannst Du Deine Kunden darum bitten, die eine Platte als Sound-Referenz zu nennen, der Du Dich dann, soweit Dir das möglich ist, klanglich annäherst...oder beides in Kombination !!!

Ich denke ein guter Produzent sollte nicht zu eingefahren sein, sondern verschiedene Klangvorstellungen abdecken können...und eben das vorher so weit wie möglich abklären...

Sowas wie : Ich mach das so, das es "gut" klingt, ist IMHO Blödsinn...da ebenso Geschmackssache wie die Musik selbst...

Hoffe das hat irgendwie geholfen...

 

[tylerhb]

Erstmal ist das völlig vom Genre abhängig. Metal Drums sind ohne starke Eingriffe gar nicht machbar, ein Jazz Kit hingegen braucht bei guter Mikrophonierung fast nichts...

Darüber hinaus haben Bands natürlich völlig unterschiedliche Vorstellungen. Die einen wollen möglichst roh und authentisch klingen, die anderen "larger than life" und überproduziert...

Wichtig ist, solche Sachen zu besprechen, bevor Band und "Produzent" einen Deal abmachen und alle hinterher enttäuscht sind. Von daher sollten sowohl Band als auch Mixer immer ein paar repräsentative Beispiele zum Anhören liefern. Ich habe auch schon Jobs abgelehnt, weils einfach nicht gepasst hat.

Slayer mit Andy Sneap Sound passt halt einfach nicht, genauso wenig wie Dream Theater, von Rick Rubin produziert werden.

 

[Wennto]

Tja, das ist sone Sache wenn Du für andere mischt! Ich lasse meine Sachen auch mal gern von anderen mischen (meist Leute von hier) um zu sehen was da noch rauszuholen ist...Und ich bin auch einer der Kandidaten, die nen Mix nicht ok finden, wenn er zu stark von meinem Rohmix abweicht!
Oft hat man das Gefühl, das sich die Mischer den Rohmix nichmal angehört haben, da deren Mix dermassen von meinen Vorstellungen abweicht! Diesen WOW-Effekt bei einem eingehenden Mix hatte ich noch nie!

Im ersten Moment find ich alles was anderes als bei mir klingt, scheisse! Ich brauche immer gewisse Zeit um mich auf einen neuen Mix einzustellen - meist gefällt er mir dann aber besser als meiner Aber nicht immer!

Ich finde schon, dass man sich, wenn man für andere Mischt, an deren Soundvorstellung einigermassen halten sollte!

Ich bin auch immer dankbar dafür, wenn mich Leute schon vor dem Mischen auf ein evtl. "No Go"
aufmerksam machen.So dass ich z.B. einen Alternativsound suchen und einbauen kann!
Das ist mir lieber, als wenn der Mischer selbst an den Sounds mit Effekten ect. rumschraubt!

 

[JakobRosemann]

Ja, das hilft auf jeden Fall.
Ich sehe das ähnlich, bitte Kunden auch um Referenzmixe und um das Mitteilen von Klangvorstellungen.
Aber in der Regel kommt nur "nöööö, gibt nix zu beachten, wir vertrauen dir da voll..." bei rum.

Ok ok...sind auch meist nur HipHopper

 

[JakobRosemann]

@ Wennto: Ja, das mit der Empfehlung, selber Alternativsounds zu suchen, finde ich nen guten Kompromiss!

 

[Traumwandler]

Hi,

das ist normal wenn man Sachen mischen soll, die man nicht selber aufgenommen hat. Da stört einen immer was, weil man eben seine eigenen Klangvorstellungen hat, mal ganz unabhängig vom Style. Un dmanchmal sind die Sachen auch entweder einfach schlecht eingespielt oder schlecht aufgenommen. Da muss man dann eben viel Zeit aufwenden um das auszubügeln.

Kleiner Tipp am Rande, wenn die Snare so kacke ist dann würd ich sie glaub eher mit einem Audio to Midi-Plug-In bearbeiten und einen Sound aus ner Library verwenden als ewig dran rum zu machen. Generell ist so was auch in der Mischung erlaubt, kommt aber natürlich auch auf die Leute an für die Du arbeitest. Bei Metal ist es normal, z.B. die BD auszutauschen.

Alles außer Austauschen ist auf jeden Fall im Rahmen der Stilistik immer erlaubt und es darf auch experimentiert werden.

Grüße

 

[Signalschwarz]

Aber in der Regel kommt nur "nöööö, gibt nix zu beachten, wir vertrauen dir da voll..." bei rum.

Ok ok...sind auch meist nur HipHopper

Ach glaub mir, das ist ausnahmsweise mal ein negatives Phänomen was sich nicht auf diese Spezies eingrenzen lässt.

 

[Guitar_TT]

Also ich seh das so:

Seitdem es Autotune als totmach-Effekt gibt, ist eh alles erlaubt. Natürlich hängt das immer von den Wünschen ab, die man selbst oder der "Kunde" hegt. Wie du schon sagtest müssen manche Aufnahmen härter rangenommen werden als andere. Wobei ich da dann nicht von Verfremdung sprechen würde sondern das Wort Rettung und Schadensbegrenzung eher passen...
Es kommt auch immer aufs Genre an, wie viel und vor allem was man macht. Bei modernen Pop-Geschichten ist/war ja angesagt: tot, toter, am totesten! Auch wenn man das nicht steigern kann, so wurde es dennoch probiert. Bei der Klassik hingegen ist man immernoch weitaus subtiler und vorsichtiger unterwegs - es soll doch schön und natürlich klingen.
Ein weiterer Aspekt ist auch immer der Song selber: Wie wirkt er auf dich und wie soll er wirken? Was ist da und was soll rauskommen?
Solche Fragen werden beim Mischen wohl meistens unterschwellig beantwortet. Bei einem guten Mischer auch richtig
Oder schonmal ne Ballade mit verzerrter Stimme gehört? Ne. Das macht keinen Spaß.
Erlaubt ist was gut klingt und was gut klingt entscheidet jeder für sich. Im Nachhinein musst Du hinter deinem Mix stehen und klar sagen können: Ich hab das so gemacht, weil [es so gehört]. Wenn man die eigene Arbeit nicht vertreten kann, dann kann man auch nichts rechtfertigen und sollte vorsichtig sein. Wenn man aber weiß warum man das so macht, dann kann auch die schrägste Bearbeitung erlaubt sein.

 

[the_Emre]

dass ein perfekt aufgenommenes Signal keiner Bearbeitung (bzw. weniger) bedarf.

Man muss erst mal lernen vzw. wissen wie ein "gutes Signal" klingt Bearbeitet wird dann je nach Gerne eben mehr oder weniger. Ein Gitarren Akustik Stück wird in Relation weniger Bearbeitung benötigen als ein Dance Track mit diversen digitalen synthetischen Instrumenten und Effekten.

Im Grunde gibt es keine richtige Regel. Manchmal ist weniger mehr, aber worauf es immer ankommt ist einfach, dass das Ergebnis gut klingt.

Ansonsten bekommt man hier gute Einblicke in den kommerziellen Studio Alltag. Und du wirst sehen, in da wird teilweise wirklich viel getrickst :

http://www.youtube.com/show/pensadosplace?s=1


mfg
-E-

 

[JakobRosemann]

Vielen Dank für eure Antworten - finde es beruhigend zu wissen, dass ihr da auch nicht vor zurückschreckt, etwas mehr zu bearbeiten

die pensado-links schau ich mir mal demnächst in ruhe an - merci

ein ersetzen oder triggern der bestehenden drumssounds habe ich auch schon des öfteren in erwegung gezogen. es gibt da ja auch freeware, aber ich überlege, hierfür auf die cubase 6 version upzugraden. dort soll das ja besonders einfach sein...

 

[karumba]

kurz-antwort: soviel bis es passt.
ich bearbeite die signale z.T. auch extrem. da darf man nicht zu sehr zurückschrecken & muss konsquent entscheidungen treffen. das macht mE auch einen großteil des eigentlichen mixings aus - einiges ist technische bearbeitung, anderes kreative.

 

[Ewert]

Mir persönlich wurde, wenn ich für andere Leute mische, oftmals gesagt, dass meine Mixe schon ganz gut sind, aber den Originalsound doch seeehr stark verändern.
Wenn ich darauf achte, dann klingen meine Drums nach den Bearbeitungen auch tatsächlich immer wieder sehr ähnlich - egal, wie weit die Einzelsounds verschiedener Tracks am Anfang voneinander differierten.

das ist auch gut so und nennt sich "eigener stil" meine drums beispielsweise, oder auch meine akustikgitarren klingen alle sehr ähnlich. das ist halt "mein" gitarrensound.

ich finde das auch richtig und wichtig, es sei denn, mann muss sich nach den wünschen eines anderen richten.
aber ich erkenne viele leute an ihrem sound, das ist dann wie ein markenzeichen.

 

[JakobRosemann]

kurz-antwort: soviel bis es passt.
ich bearbeite die signale z.T. auch extrem. da darf man nicht zu sehr zurückschrecken & muss konsquent entscheidungen treffen. das macht mE auch einen großteil des eigentlichen mixings aus - einiges ist technische bearbeitung, anderes kreative.

ja, so versuche ich das auch zu sehen.
aber gerade die musiker/produzenten/Beatbauer etc. lassen dann schon mal verlauten, dass ihnen das ergebnis zu sehr vom original abweicht.

aber vielleicht ist der trick auch einfach zu lernen, wie man da ergebnis dann gut verkauft und sich nicht zu rechtfertigen

 

[karumba]

wenn man es verkaufen muss, kanns auch gut sein dass wirklich etwas faul ist & man den eigene sichtweise überdenken muss.
am besten ist es eigentlich wenn man mehrere blickwinkel bekommt, d.h. möglichst viel feedback einholen. wenn man beim ersten schuss aber komplett daneben lag (was natürlich auch am geschmack liegen kann), sollte man versuchen sich näher am original zu bewegen & da ev. den roughmix "in gut" zu machen. ich habe schonmal das stem-master für eine EP gemacht & den sound wirklich in top-form gebracht. hat dem kunden aber nicht gefallen. erst nachdem ich nurnoch wenige änderungen + limiter gemacht habe, hats ihm gefallen. dave pensado sagt ja auch, dass heutzutage ein mixing-engineer nichtmehr für seine technische fähigkeit bezahlt wird, sondern für seinen geschmack.

 

[kickback]

aber gerade die musiker/produzenten/Beatbauer etc. lassen dann schon mal verlauten, dass ihnen das ergebnis zu sehr vom original abweicht.

aber vielleicht ist der trick auch einfach zu lernen, wie man da ergebnis dann gut verkauft und sich nicht zu rechtfertigen

Wenn die Meinung von Produzent / Auftraggeber garnicht mit deiner zusammenpasst, solltest du dir vielleicht doch eine andere Taktik überlegen.
Ich kenn genügend Musiker die mit ihren Alben eigentlich nicht wirklich zufrieden sind weil sie sich - zugegen aus eigener Blödheit - das Ergebnis verkaufen haben lassen.

Nur: wie oft meinst du haben die einen mix engineer dann weiterempfohlen, der sich - aus enttäuschter Musikersicht - als wannabe-produzent herausgestellt hat?

 

[wissensdurst]

Puhhhh...

Ich find die Frage total schwierig, weil das ja alles subjektiv ist.
Sarkastisch könnte man sagen Du darfst so lange schrauben bis es gut klingt.

Das hilft Dir aber nicht weiter....

Ich habe mal für zwei junge Berliner RAP Freunde was gemischt.
Es war ihnen nie gut genug.
Beim 5 Mix, gut für meine Kasse, schlecht für meine Nerven, habe ich den Song bevor ich ihn abgespielt habe, mit nem Limitier so zusammengequetscht wie es nur ging, es tat mir zwar in der Seele leid um den Mix, aber die beiden Jungen Rapper waren vollauf zufrieden mit meiner Arbeit.

Mit der Anekdote will ich nur beschreiben wie schwierig das Feld zwischen demjenigen ist, der Mischen soll und demjenigen der es in Auftrag gibt. Das man die Soundvorstellung vom Anderen sofort trifft, ist unmöglich....gerade dann nicht wenn der Kunde keinerlei Studioerfahrung mitbringt.

Mit älteren Musikern die schon oft im Studio waren habe ich solche Probleme nicht, da kann ich ziemlich genau ausloten was die Hören wollen und mich gemeinsam mit dem Kunden antasten.

Hätten die zwei Rapper mir sagen könne, das sie keinen guten Mix wollen sondern einen Sound der keinerlei Dynamik mehr hat, wäre mir viel Arbeit erspart geblieben.