Seid ihr selbstständig im Musikgewerbe?

[Rajmund]

Also ich kenne auch so Kandidaten. Aber mal im Ernst, mir ist das Rille. Das ist Eigenverantwortung, sowas kennt aber irgendwie keiner.

Jeder muss sein Lebensmodell entwickeln. Wer mit 30 nur Spass haben will, nichts zurücklegt und die Idee, 70 zu sein, absurd findet - warum nicht?

Ich hab mich in "jungen Jahren" oft von Ewig-Studenten und allerlei in den Tag hinein lebenden Kunstschaffenden belächeln lassen.

Jeder kann und sollte das tun, was er/sie für richtig hält.

Aber dann die Suppe auch auslöffeln und nicht die Hand aufhalten und jammernd Solidarität einfordern.

Zur Eigenverantwortung gehört auch, dass man einfachste Termin-Pflichten erfüllen kann und zum Suppe auslöffeln gehört, dass man bei Versäumnissen den eigenen Fehler einräumt und nicht auf andere schiebt. Bislang sehe ich hier im Thread nur 1 Person, die gejammert hat.

 

[Angela Petra]

Ich sehe dort durchaus andere Nuancen, aber da möge sich jeder seine Meinung bilden.

Ich freue mich, hier so viele positive Menschen anzutreffen, das ist schon erstaunlich.

 

[Ennui]

andererseits ist es auch großer Mist, dass alle so stolz sind und nicht über ihre schlechte Situation oder die Höhe von Honoraren sprechen. Das kann beim Verhandeln gegen uns als Berufsgruppe verwendet werden. Wenn sich alle einig wären und nicht ständig jemand für noch weniger einen Job macht, wäre es vielleicht einfacher...

Das Problem ist, in dem Business schenkt sich niemand was. Da klaut man sich am liebsten noch gegenseitig die Butter vom Brot, eben weil für viele jeder Cent zählt. In der Branche vergisst man schneller, dass man mal zusammen im Wohnzimmer gesoffen und beim anderen gepennt hat, als man glaubt.

Zur Frage: Bin Texter (Song- & Werbetexter) und schreibe auch fürs Musikbusiness, also Songtexte, Website-Getippe, Social Media Inhalte etc.

 

[Moogman]

Ich habe mir schon vor langer Zeit angewöhnt, über meine Auftraggeber und Vergütungen grundsätzlich nicht mehr zu sprechen.
Wenn ich Gäste im Studio habe, sorge ich penibel dafür, das hier keine Dokumentationen herumliegen. Ein „Musikerkollege“ hatte danach rotzfrech versucht, mir meine Kunden abzugraben. Seit dem schweige ich, geht ja auch niemand etwas an.

 

[oove]

Das ist verständlich.
Nur, Auftraggeber sollten wissen, dass sie die Preise eben nicht bei jedem einzeln verhandeln und drücken können.
Einen bestimmten Job sollte keiner für unter Summe X machen. Dazu muss man halt sprechen und immer wieder neu kontrollieren.
Ggf anpassen, wie bei den Gewerkschaften.


Ist mir auch in beide Richtungen schon auf die Füße gefallen.

Oh je... das können wir zusammen nicht leisten...

Naja, also wir geben Ihnen gern das Doppelte.
(Und wahrscheinlich war da dann immernoch zu wenig)

Warum hat man so kein Gefühl für Preise.
Ich biete eigentlich immer das gleiche, bekomme aber höchst unterschiedliche Preise.

 

[Moogman]

Das ist verständlich.
Nur, Auftraggeber sollten wissen, dass sie die Preise eben nicht bei jedem einzeln verhandeln und drücken können.
Einen bestimmten Job sollte keiner für unter Summe X machen.

Bei mir gibt es erstmal nichts zu verhandeln. Ich habe meine Preise auf der Basis meiner Gesamtkosten ordentlich kalkuliert und weiß daher, wie viel ich für den Auftrag haben muss. Unter diesem Preis X verdiene ich ja nichts und dann kann ich das auch gleich ganz lassen und am Mainufer spazieren gehen.
Leider gibt es einige Kasper, die immer wieder versuchen, ganz ohne jegliche Bezahlung einen Auftrag zu ergattern.
Entweder fürs Ego oder was weiß ich denn.

Warum hat man so kein Gefühl für Preise.

Welches Gefühl? Du rechnest dir aus, wieviel du haben musst und wenn du den Betrag nicht bekommst, dann läßt du es einfach.
Es gibt keinen mir bekannten Grund eine Arbeit durchzuführen, bei der man am Ende noch Geld drauflegt.
Jeder Auftraggeber wird das auch verstehen, denn er macht das auch nicht anders und will an diesem Auftrag verdienen.
Mich stört das nicht, denn wer nicht vernünftig rechnen kann und nie etwas finanziell erwirtschaftet, geht irgendwann sowieso Pleite.

 

[oove]

Nein.
Es gibt Leute die ihr Geld mit irgendwas verdienen und Musik mehr aus Spaß machen.
Die können das für fast lau machen oder so tun als hätten sie es nicht nötig und Unsummen verlangen.

Manchmal klappt das manchmal nicht.
Keine Kalkulation.
Auf jeden Fall wäre der Job weg.

Ich selbst erlebe wie jemand 3 Stunden Musik für am besten 100 Euro haben möchte.
Soll ich mit Stundenlohn von 33,3 ansetzen?

Das wäre Musikschulhonorar Niveau.
Reisekosten, Equipment, Steuer, pipapo. Alles Außen vor.

Oder soll ich den FreelancerKompass zu Rate ziehen, und etwa 100 Eu pro Stunde verlangen, dann komme ich brutto auf 300 + Technikpauschale, RK, Steuer...
Locker 600 Eu

Wer nimmt mich dann noch?

Andererseits habe ich durchaus für einen 20 Min Auftritt auch schon 2000 Eu bekommen.
Von Kolleginnen weiß ich, dass es auch schon 5000 gab für eine ähnliche Sache.

Es hängt nicht von mir und meiner Kalkulation ab.

Bin seit 30 Jahren dabei und weiß es immernoch nicht.


Was ist, wenn jemand für eine Leistung ganz viel vorbereiten muss, ein anderer das aber mal eben parat hat?

Also ich finde das nicht so einfach
zu kalkulieren.

Ein Kumpel hat sich jetzt ausgedacht, von seinen Schülern 10.000-20.000 Eu Jahrespauschale zu nehmen und dafür ein Rundumsorglospaket zu liefern, während andere für 28 Eu in 45 min unterrichten ( x38 also 1064 im Jahr)

 

[Moogman]

Was ist, wenn jemand für eine Leistung ganz viel vorbereiten muss, ein anderer das aber mal eben parat hat?

Ganz einfach: Was kümmern mich denn die anderen Leute?
Was andere nehmen kann mir doch eigentlich egal sein.
Jeder hat doch eine andere Kostenstruktur, anderen Aufwand oder einen anderen Qualitätsanspruch.
Und weil irgendein Bubi, der noch bei der Mutti wohnt und mit seinem Hobby nichts verdienen muss, allles ganz billig anbietet, muss ich mich doch nicht daran orientieren.
Der XYZ nimmt 500 Euro und dann muss ich da drunter bleiben? Was ist das für eine Logik?

Also ich finde das nicht so einfach zu kalkulieren.

Jeder Kaufmann hat gelernt, seine Waren oder Dienstleistungen zu kalkulieren. Ich kann doch auf Basis meiner Kosten und meines Zeitaufwandes einen Betrag ermitteln, den ich füer diese Arbeit generieren muss.
Wenn du das nicht kannst, dann lerne es, alles andere ist nicht zielführend.
Man macht idR auch im Anschluß eine Nachtragskalkulation, die dann als Basisinformation für künftige Aufträge dient.
Wenn man das kaufmännische Grundwissen nicht besutzt, sollte man sich nicht selbstständig machen.

 

[Angela Petra]

Es hängt nicht von mir und meiner Kalkulation ab.

Bin seit 30 Jahren dabei und weiß es immernoch nicht.

Im Grunde knallharte Marktwirtschaft. Bist du wer, bietest du Mehrwert, bist du den aufgerufenen Preis wert, bietest du etwas Besonderes?

Ich hab nie in dem Sinne kalkuliert, weil es schlichtweg sinnlos ist. Du musst im Grunde schauen, aus jedweder Situation das Maximum zu holen. Und wenn das kein Geld ist, aber eben doch eine Referenz. Das ewige Spiel von Henne und Ei. Manche können es besser als andere...

 

[oove]

Ich kann doch auf Basis meiner Kosten und meines Zeitaufwandes einen Betrag ermitteln, den ich füer diese Arbeit generieren muss.

Ich hab nie in dem Sinne kalkuliert, weil es schlichtweg sinnlos ist.

OK
@Moogman , das klappt aber nur wenn Du genug Nachfrage hast.

 

[Angela Petra]

Naja, klar kann ich schön kalkulieren, was mich der Spaß kostet. Miete, Versicherung, vielleicht musst du deinen Gerätepark abstottern, Steuern, [KSK ]...

Bleibt meist die Erkenntnis: bei xxx EUR im Monat fängst du an, was zu verdienen.

Wenn du Pech hast, bekommst du eben nicht mal xxx, sondern 0 und fährst eben Minus. Hast halt dann Zeit.

Wenn du aber eh nix verdienst, könntest du statt im Park zu sitzen, auch was Wahrnehmbares machen, damit du nächsten Monat vielleicht was verdienst.

So sieht doch die Realität aus. Kalkulationen haben meist auch den Charme, sie sind oft optimistsich. Wenn du 3 Monate deinen Plan verfehlst, frustet das.

Was interessierts den Kunden, was deine Kosten sind. Er hat auch welche, er "kalkuliert" vielleicht auch oder schwimmt auch so irgendwie mit. Egal, wenn er den Wert deiner Arbeit nicht erkennt/erkennen kann, siehts halt schlecht aus.

Daher gilt für mich: wenn ich Zeit hab und etwas machen will, weil ich mir davon einen (Marketing-)Vorteil verspreche (oder weil ich es cool finde), dann mach ich das ohne Blick auf Einnahmen/Kosten.

Hab ich keine Zeit, bleiben die Sachen liegen, die am wenigsten bringen. In solchen Phasen fällts auch viel leichter, Preis X aufzurufen - der Kunde muss ja nicht.

Aber auch das kann und muss jeder handhaben, wie er das möchte.

 

[Angela Petra]

Der XYZ nimmt 500 Euro und dann muss ich da drunter bleiben? Was ist das für eine Logik?

Naja, halt die, dass der "Interessierte" seine 500 EUR XYZ gibt.
Du hast dann halt kein Geld, aber Zeit.

Ganz hart: du hast versucht, dem "Interessierten" deine Kosten und deine Mehrwerte zu erklären. Dann kann's auch schnell passieren, dass der dann meint: "Der Moogman, Alter, der ist mir ja so auf die Eier gegangen. Der hat mir 'ne Stunde das Ohr abgekaut was das alles kostet und wie geil er das im Gegensatz zu XYZ machen würde. Mann ey, der kriegt das noch nich mal, wenn er bloß 300 aufruft."

 

[Kwaku]

Es gibt Leute die ihr Geld mit irgendwas verdienen und Musik mehr aus Spaß machen.
Die können das für fast lau machen oder so tun als hätten sie es nicht nötig und Unsummen verlangen

Es gibt Hobby Misch und Masteringmeister. Die gehen einer gewöhnliche Arbeit in einem Betrieb nach und bieten ihre Dienste gratis an weil sie einfach nur Material brauchen, mit dem sie ihr Hobby ausleben können. Und es gibt Musiker ohne Budget, die diese Dienste annehmen. Und dann gibt es professionelle Mischmeister und Produzenten mit eigenem Studio, die dann erzählen dass ihnen diese Bedroom Producer und Hobbymischer die Jobs wegnehmen. Und dann gibt es noch mich, der dann nachfragt was genau denn ein professioneller Mix oder Mastering kostet und dann heißt es: über Geld redet man nicht. Hä warum nicht? Wenn keiner darüber reden will, was soll sich dann ändern?
Genauso ist es mit Werbemusik und Filmmusik. Da wird anscheinend nach Minuten bezahlt. Aber wie genau? Pauschale oder gibt es Ausschüttungen pro Aufführung. Es ist gar nicht so einfach herauszufinden, als ob man mit Geheimbünden zu tun hat.

Andererseits habe ich durchaus für einen 20 Min Auftritt auch schon 2000 Eu bekommen.
Von Kolleginnen weiß ich, dass es auch schon 5000 gab für eine ähnliche Sache.

Es hängt nicht von mir und meiner Kalkulation ab.

Das würde mich aber auch interessieren, wie genau sowas kalkuliert wird.
Klar, hängt es auch vom Erfolg des Musikers mit ab. Um wie erfolgreicher der Artist ist, desto mehr Gewinn macht der Club oder Veranstalter mit ihm. Ich war im Sommer in einer anderen Stadt zu Besuch und stieß zufällig auf ein Konzert. Die Musik war wirklich gut, ich kannte diese Band nicht einmal. Sie haben aber eigene Songs gespielt. Also bin ich bis zum Ende geblieben. Aber das beste war, das Outdoor Konzert war kostenlos
Ich habe keine Ahnung, wie es finanziert wurde aber ich nehme an, die Stadt hat es bezahlt.

Bin seit 30 Jahren dabei und weiß es immernoch nicht.

Ist anscheinend nicht so einfach.

 

[Entone]

Und dann gibt es professionelle Mischmeister und Produzenten mit eigenem Studio, die dann erzählen dass ihnen diese Bedroom Producer und Hobbymischer die Jobs wegnehmen.

Wenn ich als Profi von Hobbyleuten Jobs weggeschnappt bekomme, würde ich mir 2 Fragen stellen:
1. Bin ich wirklich genauso schlecht wie die?
2. Falls nein, was sind das für Kackjobs, auf die ich vermeintlich angewiesen bin?

 

[Sascha Franck]

1. Bin ich wirklich genauso schlecht wie die?

Einige Hobbyleute sind mittlerweile allerdings auch ganz schön gut...

 

[vanHelsing]

Einige Hobbyleute sind mittlerweile allerdings auch ganz schön gut...

Japp. Dazu kommt, dass viele "Kunden" kein Qualitätsempfinden haben bzw. ihnen eine höhere Qualität die Differenz nicht wert ist.

 

[Entone]

Wenn der Markt sich so entwickelt, dass keine Nachfrage mehr nach qualitativer/teurer Arbeit besteht, sollte man sich generell die Frage stellen, ob es dann noch Sinn macht, als Profi tätig zu sein.

 

[SoulFrontier]

Der @Moogman ist hier Einer der Wenigen, der das Selbständigsein kapiert hat und erfolgreich lebt.
@oove bei Deinen Ausführungen möchte ich am liebsten Die den Stecker ziehen für eine unternehmerische Tätigkeit.
Du hast es tatsächlich in 30 Jahren nicht geschafft zu begreifen wie Wirtschaft funktioniert!

Zu Dieter Bohlen:
Der ist imo eine extrem seltene Mischung von verdammt gutem Geschäftsmann mit Weltklasse Riecher für den Markt und musikalischem Talent.
Wenn man auch die Nase rümpft über Modern Talking etc. Die Songs sind halt heute schon Kult und funktionieren als Party Schlager hervorragend! Und das nach Jahrzehnten. ABBA like ohne deren Finesse.
Und DSDS Deutschland geht zu einem guten Teil auf sein Konto incl dem gesamten Merchandise. Ich achte den Dieter als Geschäftsmann und Musiker und ich gönne ihm seinen Erfolg.
Man muss doch nicht geschmacklich mögen was da gemacht wird. In fact kommt mir beim Hören der meisten Deutschpop Songs oder Schlager von A. Berg zb. das Kotzen. Aber Millionen Leute fressen den Dreck und es schmeckt. Genau wie bei McDoof.
So what?

 

[Kwaku]

@oove bei Deinen Ausführungen möchte ich am liebsten Die den Stecker ziehen für eine unternehmerische Tätigkeit.
Du hast es tatsächlich in 30 Jahren nicht geschafft zu begreifen wie Wirtschaft funktioniert

Erklär es ihm und uns allen

 

[Sascha Franck]

Wenn der Markt sich so entwickelt, dass keine Nachfrage mehr nach qualitativer/teurer Arbeit besteht, sollte man sich generell die Frage stellen, ob es dann noch Sinn macht, als Profi tätig zu sein.

An dem Punkt waren wir ja mehr oder minder schon. Und ja, das muss man sich in der Tat gut überlegen. Gerade für Einsteiger ist das heute ein ziemlich hartes Pflaster. Ist halt generell weniger Kohle drin (Ausnahmen sind Live-Geschichten und tatsächliches Airplay, also jenseits von Spotify und Co.) und der Konkurrenzdruck ist einfach enorm.
Der Nachwuchs hat halt heute allerbeste Ausbildungsoptionen. Ob es die zahlreichen Studiengänge (und hier rede ich nicht von so Zahlschulen a la SAE und HOFA), die generell besser aufgestellten Lehrkräfte oder das Internet sind - es ist für jeden erreichbar und qualitativ sehr viel hochwertiger als noch vor relativ wenigen Jahren.
Hinzu kommt, dass, fast ungeachtet des Betätigungsfeldes, die Produktionsmittel quasi für jeden erschwinglich geworden sind.
Unterm Strich kann man dann eben heute mit etwas Ambition, Talent und Zeit topprofessionelle Sachen abliefern, ganz egal, ob man sich als Produzent oder Mietmucker verdingt.
Und wenn es früher für einen Job in der Branche 5 Leute gab, die in Frage kamen, so sind es heute einfach mal ganz locker 50.