REQ Messung + Proberaum-Konzept (60m2)

[morgi]

Liebe Community,

ich habe vor, in den nächsten Wochen den Proberaum meiner Band akustisch zu optimieren. Der Raum soll wie bisher natürlich als Proberaum dienen, aber insbeonsdere für anstehende Aufnahmen als Aufnahmeraum und Regie (darum mach ich das ganze überhaupt).

Als Vorbereitung dazu habe ich mich in den letzten Monaten intensiv in das Thema eingelesen (u.a. Ethan Winer, Friesecke, alles auf arqen.com und sehr viel hier im Forum). Ich werd über das Projekt übrigens auch eine Bakk-Arbeit schreiben.

Als ersten Schritt hab ich nun mal - als Bestandsaufnahme und Vorher-Zustandsfeststellung - erste REQ-Messungen gemacht. In den nächsten Wochen wird dann umgebaut und die Akustik-Maßnahmen installiert, dann (bzw. währenddessen) nochmal gemessen, womit sich hoffentlich eine maßgebliche Verbesserung der Akustik belegen lassen wird.


DER RAUM

Der Raum ist zu unserem großen Glück sehr groß - 985x643x370cm (entspricht 63m2 Fläche). Die Mauern sind aus Ziegel und sehr alt (ist eine alte Volkschule, seit mind. 30 Jahren nicht mehr in Betrieb). Es gab ursprünglich 3 riesige Doppelfenster, zwei davon wurden vor Jahren mit Steinwolle und Sperrholz zugemacht, damit nicht so viel Schall nach außen dringt. Ein Teil des Raums ist abgetrennt und als Abstellraum in Verwendung (die Wände sind aus Sperrholz), weiters gibt es eine große Sitzecke (beim verbleibenden Fenster).

Ich hab eine Skizze angefertigt, die bereits die geplanten Maßnahmen enthält. Den Diffusor (nach Plan von http://arqen.com/sound-diffusers/) gibt es bereits, anstelle der Superchunks stehen momentan große Matratze direkt an der Wand C. Ansonsten hängen noch Leintücher in Wellenform an der Decke (also ein Pseudo-Deckensegel - bringt nicht viel, sieht aber nett aus).


DER PLAN

Folgendes ist nun geplant:
-) Superchunks vom Boden bis zur Decke in die Ecken AC und BC.
-) Abhörposition (also Computertisch + Monitore) verrücken - steht momentan in Ecke AC, weiter nach rechts, so dass er mittig steht
-) Breitbandabsorber anbringen: Wand A und E fast komplett, gegenüber Abhöre auf Wand B
-) Teppiche (momentan fast überall!) raus aus dem Proberaum, nur der unterm Schlagzeug bleibt
-) Ziel ist, alle extremen Resonanzen zu dämpfen und nach Möglichkeit das Abklingen aller Frequenzen auf unter 500ms - besser 300ms - zu bringen.

Noch Details zu den Superchunks und der Absorbern:

Ich hab 33 Pakete Stein/Glaswolle unbekannter Art zur Verfügung. Dürfte das Standard-Material sein das zur Wärmedämmung verwendet wird, ist von einer Baustelle übrig. Ich werd demnächst mal ein Paket messen, dann kann ich zumindest das Gewicht/m3 ausrechnen. Das sagt mir AFAIK zumindest noch nix über den Strömungswiderstand aus, aber ist mal ein Anhaltspunkt.

Aus Zeitgründen will ich die Pakete so wie sie sind - also in der Verpackung - in der Ecke stapeln (diagonal rein, es bleibt also noch Luft in der Raumecke), mit Holzlatten gegen das Umfallen sichern, ab und zu eine Holzschicht einziehen, damit das ganzen nicht unter dem Eigengewicht eingeht, und mit Stoff verkleiden. Durch die Folie und den Stoff wird das ganze dann in den Höhen teilweise reflektieren, ich denke das macht aber nix.

Die Absorber will ich aus Rockwool Termarock 50 (16kPa) bauen - jeweils 2 Platten übereinander, damit sind's dann 200x63cm plus Holzrahmen. Ich habe Platten in 5cm Stärke und würde die Absorber 3 Platten dick machen - also 15cm. Ein kompetentes Mitglied des Forums hat gemeint, das wäre schon zu dick, ich solle besser 10cm nehmen (also 2 Platten). Laut diesem Rechner (http://www.acousticmodelling.com/porous.php) bin ich mit 15cm im Bassbereich besser bedient - hier würde ich sehr gerne noch weitere Meinungen hören!

Vorsorglich noch zwei Kommentare:

Mir ist bewusst, dass die Abhörposition nach meinem Plan nicht symmetrisch im Raum liegt. Will man Symmetrie, wäre es besser, die Abhöre an Wand C zu stellen, dafür den Diffusor wo anders hin. Ich habe mich momentan dagegen entschieden, da das mehr Platz von der Fläche, die wir zum proben brauchen, wegnimmt. Möglicherweise baue ich irgendwann - als Phase 2 des Projekts - alles um, aber momentan würde ich die Abhöre gern da belassen, wo sie eingezeichnet ist. Aber ich höre mir gerne Kommentare bzw. Kritik dazu an

Und: An die Decke würden auch Absorber gehören. Allerdings ist das mit deutlich mehr Aufwand verbunden, weshalb ich auch das auf Phase 2 verschieben würde. Als billigen und schnellen Ersatz plane ich, die vorhandenen Deckensegel mit Decken und Polstern zu füllen - das sollte zumindest im Hochtonbereich mal ein wenig was bringen.


DIE MESSUNG

Nun noch zur REQ-Messung:

Setup: ECM8000 am Mischpult (für 48V und Preamp), integrierter In- und Output meines Macbooks. Soundkarte hab ich inkl. Mischpult kalibriert.
Gemessen wurde an der momentanen Abhörposition (wie in Skizze, allerdings Tisch nach links in die Ecke verschoben). Zusätzlich habe ich noch einige weitere Positionen im Raum ausgemessen (die Lautsprecher waren aber immer fix). Bei Interesse kann ich noch durchgeben, wo genau diese Positionen waren.

Bei einigen Frequenzen zeigt sich extremes "ringing" (wie heißt das auf deutsch? Aus-/Nachklingen?) - so klingen z.B. 95Hz, 111Hz und 158Hz auf fast allen Positionen zwischen 800 und 1600ms nach! Wenig überraschend fallen diese Werte mit Raummoden zusammen. Ich hab mal alle Frequenzen, die extrem lang auklingen, gesammelt und mit den berechneten Moden verglichen.

Für die Feinspitze unter euch hier noch diese Ergebnisse:

Freq gemessen / Mode berechnet / Mode Index / Mode Typ / Messpunkte
78Hz / 80,3Hz / 0-3-0 / Axial (Breite) / B
90Hz / 91,4Hz / 5-1-0 / Tangential / B, G
95Hz / 93,1Hz / 0-0-2 / Axial (Höhe) / A, B, C, E, F, G
111Hz / 112,7Hz / 2-4-0 / Tangential / A, C, E, F, G
117Hz / 117,8Hz / 6-2-0 / Tangential / B
158Hz / 157,5Hz bzw. 160,7Hz / 9-0-0 bzw. 0-6-0 / Axial (Länge) bzw. Axial (Breite) / A, B, C, E, F
(und noch ein Paar weitere für einzelne Positionen)

Besonders die Moden bei 95Hz und 158Hz stechen heraus - ich hoffe die lassen sich durch die geplanten Maßnahmen dämpfen. Für die Höhenmode bei 95Hz bräuchte ich vermutlich doch die Absorber auf der Decke...


OUTRO

So, ich denke ich hab mal genug geschrieben, vermutlich sind eh 90% schon ausgestiegen Ich würde mich sehr freuen, von den ansässigen Akustik-Experten Rückmeldung zu bekommen! Super wäre natürlich, wenn sich jemand meine Messungen ansieht - ich habe hier die üblichen Verdächtigen im Kopf

Ich bin sowohl für Ratschläge dankbar, die radikal sind und alles in Frage stellen, was ich mir so überlegt habe, aber natürlich auch über solche, die nur sanft meine eingeschlagene Richtung korrigieren

Hier gibt's die MDAT zum Download:
https://www.dropbox.com/sh/m84qlw3bs65o948/AAD9q1wxIMl35tX6ql3ue_y6a?dl=0

Vielen Dank schon mal und liebe Grüße,
Martin

 

[morgi]

Hi,

möglicherweise war mein erster Beitrag doch etwas lang Drum hier in kompakter Form meine wichtigsten Fragen:

-) Soll ich die Breitbandabsorber wie geplant 15cm dick machen, oder reichen 10cm?
-) Wie bekämpfe ich die Höhenmode bei 93Hz? Absorber an die Decke? Nur über Abhörposition, oder möglichst großflächig?
-) Die Wand gegenüber der Abhöre ist mehr als 6m entfernt. Was soll dort hin? Absorber / Diffusor?
-) Lässt sich abschätzen, wie viel es bringen würde, die Abhöre an die kürzere Wand (also entsprechend der allgemeinen Empfehlung, die aber AFAIK insbesondere für kleinere Räume wichtig ist) zu stellen?
-) Falls jemand mein erstes Posting liest - gibt es grobe Fehler in der Planung?

Liebe Grüße,
Martin

 

[MrBongo]

ich finds schade, dass manchmal auch eine so ausführliche Anfrage zur Beratung durchrutscht. Passiert schonmal.

Ich lerne aber auch noch gern dazu
Vor allem, weil ich gerade selbst was baue. Meine Raummoden, versuche ich mit Membranabsorbern ("limp mass absorber") zu bekämpfen, poröse Eckenabsorber kommen später bei günstiger Gelegenheit dazu. Ich werde dann berichten, obs geklappt hat.

Eine vertikale Mode lässt sich natürlich kaum mit Absorbern behandeln, die nur an der Seitenwand stehen. Bei mir im Studio hab ichs so gelöst, dass ich Superchunks an die Decke gehängt habe, für zuhause probier ich jetzt erstmal die Membranabsorber.

Rein aus der Theorie und von dem Grundriss gehe ich davon aus, dass zwar der große Teil der frühen Reflexionen behandelt wird, aber sich noch einiges an längerem Nachhall im Eingangsbereich bildet und von da wieder zurückkommt. Für 300ms oder weniger müsst ihr deutlich mehr unternehmen, so weit würde ich aber sowieso nicht gehen wollen. Auch und gerade die Raummoden unter 70Hz brauchen reichlich Material.

 

[Moiterei]

Mir ist bewusst, dass die Abhörposition nach meinem Plan nicht symmetrisch im Raum liegt. Will man Symmetrie, wäre es besser, die Abhöre an Wand C zu stellen, dafür den Diffusor wo anders hin. Ich habe mich momentan dagegen entschieden, da das mehr Platz von der Fläche, die wir zum proben brauchen, wegnimmt. Möglicherweise baue ich irgendwann - als Phase 2 des Projekts - alles um, aber momentan würde ich die Abhöre gern da belassen, wo sie eingezeichnet ist. Aber ich höre mir gerne Kommentare bzw. Kritik dazu an

Du schreibst es ja eigentlich selber schon: Abhörposition an Wand C verschieben und den dreieckigen Abstellraum abreißen. Das wären glaube ich die ersten sinnvollen Schritte. Und dann von da aus weitersehen.
Platz zum Proben für eine normale Rockband sollte bei 63m² Fläche trotzdem locker genug übrig bleiben

Ansinsten könnte man bei der Raumgröße auch mal drüber nachdenken, ob man den Raum vielleicht sogar in Aufnahme- und Regieraum aufteilt

 

[echoRausch]

Also der Ist-Zustand ist halt nicht soooo toll.

Abhörplatz an Wand C halte ich auch für die erste sinnvolle Maßnahme.

Positiv ist, dass der Raum groß ist. Man kann was draus machen.

Wand E ist schon da oder wolltest du die bauen? Wenn die gebaut werden sollte - lassen! Ansonsten am besten wegreissen.

Deckensegel: verfüllen ist eine gute Idee, da würde ich aber gleich Steinwolle nehmen. Das bringt dann auch was.

 

[komalive]

Jau, Abhöre auf Position C, mit dem Diffuor mal abwarten, den brauchts evtl. gar nicht, entsprechend
Erst - usw. reflektionen die Wandabsorber und 2 oder 3 größere mobile Absorber.
Deckensegel wurde schon genannt. Abstellraum??? brauchts den unbedingt?
Da könnte auch ein schöner Vorhang als Sichtschutz vor "Unrat" dienen.

 

[morgi]

Hi Leute,

danke für eure Antworten! Ich hab mir euer Feedback zu Herzen genommen und meinen Plan demenstprechend adaptiert!

Hier mal ein Update:

Ich hab die letzten 2,5 Tage im Proberaum verbracht und (teilweise mit Hilfe meiner Bandkollegen) viel weitergebracht. Allerdings hat das ganze Projekt ungeahnte Ausmaße angenommen und wird uns wohl noch länger Wochen beschäftigen
(jetzt ist mal eine Woche Urlaub angesagt, dann geht's weiter)

Die Superchunks sind gebaut, 3 von 9 Absorbern sind fertig. Wichige Erkenntnis: Ich brauch so schnell wie möglich einen elektrischen Tacker! (ausborgen bei Obi übers Wochenende: 20€). Mit einem Handtacker geht echt nix weiter...

Wie urspünglich für Phase 2 des Projekts angedacht und von euch allen vorgeschlagen wird die Abhöre an Wand C verschoben und der Abstellraum abgerissen. Damit fällt die schräge Wand E weg und die Lautsprecher strahlen in die Längsrichtung des Raums ab.

Ich wollte ursprünglich die Arbeit minimieren und "nur mal" die Akustik-Elemente bauen und anbringen, aber offenbar wäre das bei der bisherigen Raumkonzeption wenig zielführend gewesen. Nun also gleich ordentlich, dafür viel mehr Arbeit

Die 9 Absorber (7 große und 2 kleine, mehr ist momentan nicht drin) werden - wenn sie mal fertig sind - neu angeordnet: 2 kleine hinter die Lautsprecher, 2 neben den Arbeitstisch, 3 bzw. 2 an die Seitenwänden. Die ersten 4,5m des Raums sind dann somit vollkommen symmetrisch aufgebaut.

An Wand B sind ab der Mitte Gitarren aufgehängt, das soll momentan so bleiben. Gegenüber kommen an die Wand wohl ein paar Regale und mein kleines Jazz-Kit. Als Abgrenzung zum Eingangsbereich kommt ein mobiler absorbierende Stellwand hin (in der Skizze violett). Die Sitzecke wird etwas verkleinert, ein Sofa kommt weg.

Noch zum Diffusor:
Diesen gibt es bereits (momentan an Wand C), und ich war mir nicht sicher wo er im neuen Plan hin soll. Insgesamt ist er 2m hoch und fast 3m breit. Ich denke das naheliegendste ist die "back wall" - also Wand D gegenüber der Abhöre. Würde dann mitten an der Wand hängen, über/hinter der Couch Allerdings weiß ich nicht, wie viel bzw. was genau das bringen wird... Schließlich ist die Rückwand mehr als 9m von der Abhöre entfernt. Aber besser als eine nackte Wand ist es wohl allemal!

Alternativen: weglassen (mag ich nicht), an Wand A neben die Absorber (hinter Drum Kit 2) oder im Raum verteilen. Wie das? Der Diffusor besteht aus 7 einzelnen Elementen. Man könnte also diese einzelnen Elemente zwischen den Absorbern plazieren, also abwechselnd einen Diffusor, einen Absorber usw. Möglicherweise eine gute Option, aber ich tendiere eher dazu, ihn im ganzen zu lassen.

Folgendes wären dann die weiteren Ausbaustufen:

-) Wenn die Absorber fertig und plaziert sind wird mit REQ gemessen. Falls sich dann noch grobe Probleme mit einzelnen Raummoden zeigen muss wohl ein Helmholz-Resonator oder ein Membran-Absorber her. Davor bin ich bis jetzt zurückgeschreckt, aufgrund der höheren Komplexität im Bau und der schwierigen Abstimmung.

-) In die Ecke zwischen Wand C und Decke will ich noch die restliche Steinwolle reinpacken. Also nochmal sowas wie ein Superchunk.

-) Eine "Cloud" über dem Abhöre-Bereich, sprich einen großen Absorber (schräg) hängend montiert

-) noch 2 kleine mobile Stellwände, um die Akustik variabel gestalten zu können.

Diese Punkte sind momentan noch eher weit weg, jetzt gibt's schon mal genug zu tun Aber damit ihr wisst was ich alles noch im Hinterkopf hab...


FRAGEN

-) Diffusor an der Rückwand sinnvoll? oder die Elemente verteilen?

-) welche Oberfläche wäre zwischen / hinter den Absorbern optimal? Nackte Wand? Ist halt bei diesem alten Gebäude nicht schön... Ich überlege eine teilweise Verkleidung mit Holz oder Laminat. Aber das kostet auch wieder... Alternativ einfach Stoff drüber hängen!


So, das war's momentan mal, ich halt euch jedenfalls auf dem Laufenden! Und freu wie immer über alle Rückmeldungen

Danke,
Martin

 

[morgi]

Hi,

ich habe mittlerweile beschlossen, die Diffusor-Elemente im Raum zu verteilen. Nach Ethan Winer (http://ethanwiner.com/acoustics.html#live or dead) ergibt das Abwechseln von harten und weichen Oberflächen ein gutes Ergebnis über den gesamten Raum. Ich werde also abwechselnd ein Diffusor-Element (42cm breit) und einen Absorber (67cm breit) an den Wänden montieren. Die Rückwand bleibt vorerst mal nackt, ich denke aufgrund des hohen Abstands zur Abhöre (ca. 9m) sollte das kein Problem sein.

Vielleicht gibt's noch Meinungen dazu, würde mich freuen von euch zu hören! Ich werd jedenfalls über die nächsten Wochen den Fortschritt hier festhalten

LG,
Martin