Komischer Stolz/Ehre

  • Ersteller SilentWarrior
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Solche Beispiele zu bringen wie ausgerechnet diese beiden Ikonen und gleichzeitig behaupten wir hier würden uns in eine Reihe mit Clapton und Co stellen...woher Du derartigen Unfug nimmst ist noch immer Dein Geheimnis.

Weiß ich nicht wo Du das rausliest. Ich habe nicht behauptet hier würde sich jemand in eine Reihe mit Clapton und Co stellen.
 
Nur mal so nebenbei: die Zeiten wo Musiker entdeckt wurden sind lange vorbei.
Auch ein Clapton hätte es heute sehr schwer oder gar überhaupt eine Chance.
Die Plattenfirmen verdienen nicht mehr so viel wie damals und gehen kaum Risiken ein.
Aus diesem Grund sind Ikone schlechte Beispiele für die heutige Zeit.
Sollte man auch mal akzeptieren (in diesem Moment sucht sicherlich ein strammer User nach Umsätze der Plattenfirmen...)
 
...
Eine die ich persönlich verabscheue und bei der ich es mir vorstellen kann wäre Rammstein. Das sind imo reine Schauspieler und es ist von A bis Z reines Kommerz Theater.

bei santiano simme ich dir zu.
bei rammstein keinesfalls.
da ist eigenständigkeit und künstlerischer anspruch dabei.
hast du dir mal die texte angeschaut, zb. : "alter mann" ?
 
Oder "seemann"
 
Nur mal so nebenbei: die Zeiten wo Musiker entdeckt wurden sind lange vorbei.
Auch ein Clapton hätte es heute sehr schwer oder gar überhaupt eine Chance.
Das denke ich auch. Wenn Clapton und Hendrix mit ihren Fähigkeiten heute ganz neu auftauchen würden, wären sie technisch bestenfalls mittelmäßige Gitarristen. Und ihre Musik wäre altbacken und nicht innovativ.

Der tourqoise macht halt genau die musik die er machen will . Damit hat er schon mal viel erreicht.
Ja, für mich persönlich ist das ein "Erfolg". Meine Eltern haben mich nach einem halben Jahr wieder aus der Musikschule abgemeldet (da war ich 6 und sollte Blockflöte lernen), weil der Lehrer ihnen angeblich gesagt hat, mit dem Jungen das macht keinen Sinn.
Und später habe ich Lieder geschrieben, die ich mir lange zuvor in meiner Phantasie ausgemalt hatte. Das so etwas überhaupt möglich ist, grenzt für mich - obwohl es viel Arbeit und ein langer Weg war - einerseits an ein Wunder und ist andererseits eine ganz wichtige Erkenntnis, was ein Mensch schaffen kann, wenn er etwas wirklich will.


Nein hab den Film Ratatouille leider nie gesehen. Was zeigt uns diese Szene und wie setzt Du sie hier in Kontext?
Schau es Dir mal an. Remy ist eine Pariser Ratte mit einer besonderen Begabung: er hat einen hervorragenden Sinn für Gerüche und Geschmäcker. Sein Kumpel Emil ist eine "normale" Ratte und frisst gerne Müll und Abfälle. Remy versucht Emile vergeblich für das sinnliche Erlebnis von gutem Käse und Erdbeeren zu begeistern. In Emiles Geschmackszentrum passiert aber einfach nichts, wenn er da hineinbeißt.

Ich denke, so ist es auch mit der Fähigkeit vieler Menschen, gute Musik zu erkennen. Sie sind wie Emile. Sie hören Klänge, können sie aber nicht einordnen und verarbeiten und darum hört es sich für sie auch nicht "besser" an, als Bumm-Tschak-Bumm-Tschak...

Sprich, ob irgendjemandem irgendjemandes Musik nicht gefällt muss noch lange nichts über die Qualität der Musik sagen. Ebenso andersherum: man kann Lebensmittel mit ganz einfachen Mitteln (künstliche Geschmacksverstärker, viel Salz, viel Zucker) einen "attraktiven", für viele sogar süchtig machenden Geschmack geben. In Wahrheit aber ist es überwiegend Müll.

Mit der Musik genauso. Es gibt ein paar akustische Tricks, auf die einfache Gemüter sehr schnell anspringen, die so etwas auslösen, wie zuviel Salz und Zucker: einen kurzfristischen Schub von Adrenalin oder sonstigen Stimmungsaufhellern. Dazu gehört sicher Lautstärke, dazu gehören bestimmte Akkordverbindungen, dazu gehört ein auf Brillianz getrimmtes Frequenzbild und besonders herausgearbeitete Frequenzen und Obertöne in der Stimme, dominante Rhytmusgeräusche usw. Aber das alles macht die Musik selbst noch nicht zu guter Musik. Es klingt erst mal nur attraktiv für die Masse.
Wenn Du dieser Masse eine muffige, knistertne Schallplattenaufnahme von Mozarts 40. Sinfonie vorspielen würdest, würde sie abwinken (wie Emile bei gutem Käse) und sagen, was soll denn das, das klingt ja scheiße...

Und da meine ich, Remy wäre schlecht beraten gewesen, wenn er auf das Geschmacksurteil der Ratten gehört hätte, die sich vorwiegend von Müll ernähren. Trotz dass sie in der Mehrzahl gewesen sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
bei rammstein keinesfalls.
da ist eigenständigkeit und künstlerischer anspruch dabei.

Ich schrieb ja auch nur ich kann es mir vorstellen :)

Einfach weil ich deren Getue halt so aufgesetzt und lächerlich empfinde. Frontmann ist auch eine reine Lachnummer, und immer Hauptsache die Haare schön und inne yellow Press, egal womit. Nee! :-D:-D:-D

Ich brauch keine Texte von denen und kein Lied.

Alles persönlicher Geschmack und hat keinerlei Relevanz! :)
 
Nur mal so nebenbei: die Zeiten wo Musiker entdeckt wurden sind lange vorbei.
Unsinn.
Und diese Generation von Musikern, sie wurden nicht “entdeckt“ sondern die haben sich jede Nacht die Finger wund gespielt in den Kneipen und den Sälen in ihrer Gegend.

Haben ihre Instrumente und ihren ganzen Kram höchst selbst geschleppt und aufgebaut.

Nee, die hat niemand einfach so “entdeckt“ sondern auch sie haben sich zunächst eine lokale FanBase extrem hart erkämpfen müssen. Und dann erst, genau wie heute, kamen irgendwann interessierte Business Leute.

Der tatsächlich gravierende Unterschied ist der Zeitgeist und die Mode. Die waren damals auf ihrer Seite und Rock und Blues waren “in“ und waren hip. Und heut ist das nicht der Fall. Jetzt sind andere Stile hip und andere Möglichkeiten als damals im Guten wie im Schlechten.
 
Ob der junge Clapton heute wohl so stolz wäre einen Job als Gitarristen bei Santiano abzulehnen?

Abgesehen davon ist Gitarrenmusik eh am ableben. Die großen Gitarrenhersteller gehen Insolvenz oder werden wie Investoren verscherbelt, die Jugend kauft einfach keine Gitarren mehr, hat keine Poster von Gitarristen mehr an der Kinderzimmerwand, es wurden andere Helden gefunden, die Party ist vorbei und der letzte macht das Licht aus. Wahrscheinlich Axl Rose.
 
Nur mal so nebenbei: die Zeiten wo Musiker entdeckt wurden sind lange vorbei.
Unsinn.
Und diese Generation von Musikern, sie wurden nicht “entdeckt“ sondern die haben sich jede Nacht die Finger wund gespielt in den Kneipen und den Sälen in ihrer Gegend.

Haben ihre Instrumente und ihren ganzen Kram höchst selbst geschleppt und aufgebaut.

Nee, die hat niemand einfach so “entdeckt“ sondern auch sie haben sich zunächst eine lokale FanBase extrem hart erkämpfen müssen. Und dann erst, genau wie heute, kamen irgendwann interessierte Business Leute.

Der tatsächlich gravierende Unterschied ist der Zeitgeist und die Mode. Die waren damals auf ihrer Seite und Rock und Blues waren “in“ und waren hip. Und heut ist das nicht der Fall. Jetzt sind andere Stile hip und andere Möglichkeiten als damals im Guten wie im Schlechten.

Also sagst Du das Clapton und Co sich mit Modeerscheinungen nach oben gespielt haben? Sie haben Rock und Blues gespielt und wurden dann erfolgreich eben weil diese Stile zu dieser Zeit "in" waren? Ist ja völlig legitim. Aber irgendwie möchtest Du das heutigen Musikern absprechen sich an Musik zu orientieren die gerade "in" ist und bezeichnest diese dann als "Kommerz Huren"?
 
Hab gerade mal aus Neugierde den Wikipedia-Eintrag über Rammstein gelesen. Interessante Zitate von Mitgliedern sind da zu finden. Von wegen die machen genau das, was sie machen wollen. Nur ein Beispiel:

"„Backstage hingen die vier schwarzen Jacken und nichts weiter. Keine Kostüme, nicht diese ganze Scheiße, die wir hatten, mit dem ganzen Licht. Die haben ihr dreckiges Tuch hinter die Bühne gehängt, mit ihrem Western-Zeichen – ‚hey ho let’s go‘ und dann ging’s los. Und da hab ich gedacht: So will ich eigentlich Musik machen!“

– Christian „Flake“ Lorenz[54]"
 
Ziemlich starkes Argument.
Und diese Generation von Musikern, sie wurden nicht “entdeckt“ sondern die haben sich jede Nacht die Finger wund gespielt in den Kneipen und den Sälen in ihrer Gegend.
Ja und wer hat diese Kneipen aufgesucht? Früher haben die Plattenfirmen noch ihre Leute losgeschickt um Talente aufzuspüren.
Heute ist das ziemlich vorbei.

Heute ist Schluss damit. Genauso wie es nichts bringt (seit den 90er) Demos zu verschicken.

Die Musiker müssen diesen Wandel endlich mal akzeptieren. Nicht umsonst hat Warner Bros eine Plattform eingerichtet (wofür man noch bezahlen muss) bei denen Community Votes die Leute hochdrücken und wenn dann mal ein A&R reinschaut, dann muss er sich nur noch bedienen.

Man kommt nicht mehr so zu einem Deal wie früher. Als Techno losging da waren die Labels auch noch alle geil, aber heute juckt es doch niemanden ob jemand gutes Techno fabriziert.
 
Man kommt nicht mehr so zu einem Deal wie früher.
Was muss man denn statt dessen machen? An allen möglichen "Challegnes" teilnehmen? Youtube? Eigene Homepage? Sich selbst als Unternehmen begreifen, als Firma, die auf den Markt will? Oder was?

Und: ist das, was z.B. für mich wichtig wäre - nämlich volle künstlerische Entscheidungsfreiheit - überhaupt noch möglich?
 
Was muss man denn statt dessen machen? Youtube? Eigene Homepage? Sich selbst als Unternehmen begreifen, als Firma, die auf den Markt will? Oder was?
Ich zitiere einen Label Chef:

"Ich möchte nicht das Leute mir Demos zuschicken, ich möchte das Leute auf mich zukommen und mir nahelegen diesen Musiker anzuhören."

Auf deutsch:

Du musst die Masse hinter dir haben. Du musst in aller Munde sein. Wenn du Techno machst, dann musst du ein Insider Tipp der Djs sein.
Du musst praktisch ohne jemals Kontakt mit dem Label aufgenommen zu haben, es dort hin schaffen, sprich, sie müssen von dir hören.

Und genau hier bringt Stolz/Ehre nichts.
 
Ich zitiere einen Label Chef:

"Ich möchte nicht das Leute mir Demos zuschicken, ich möchte das Leute auf mich zukommen und mir nahelegen diesen Musiker anzuhören."
Kann ich zwar nachvollziehen. Zeigt aber auch, dass dieser Label Chef sich um seine Verantwortung drückt, eine evtl. risikoreiche Entscheidung für einen Künstler / eine Band zu treffen. Auch die Labels wollen eben den Erfolg auf dem Silbertablett ans Bett getragen bekommen. Das scheint ein allgemeiner Ausdruck der gegenwärtigen Ökonomie zu sein:
die Kosten und die Verantwortung werden immer nur nach unten durchgereicht, und am Ende bleibt der größte Druck beim einzelnen Ottonormalbürger hängen, der auch noch die Kosten stemmen muss.

Du musst die Masse hinter dir haben. Du musst in aller Munde sein.
Und "die Masse" tritt dann an die Labels heran und setzt sich für Dich ein?



Ich denke ja, gute Musik braucht, um entstehen zu können, ein ausgewogenes Spannungsverhältnis aus positivem Stress und Muse. Wenn der Stress überwiegt, am Ende gar ausschließlich destruktiv wird, geht das auf Kosten der Muse. Man kann dann zwar noch Klänge herausbringen, die den Anschein von Musik haben. Aber innerlich ist das Zeug dann tot und hat den Menschen nichts mehr zu sagen oder zu geben.

Wenn die Industrie nun den Druck auf den Einzelnen, der Erfolg haben will, so hoch fährt, denke ich nicht, dass das ein gutes Umfeld für Musik ist.
 
Kann ich zwar nachvollziehen. Zeigt aber auch, dass dieser Label Chef sich um seine Verantwortung drückt,
Naja, was heißt drücken?
Wer soll denn die Paletten an Demos alle anhören? Da schicken auf Väter Aufnahmen ihrer kleinen Tochter die "Alle meine Entchen" singt.
Hierfür müsste ein Label, wenn es nicht ein Major ist, richtig viel Zeit reinstecken und Personal einstellen.
Das ist nun mal wirtschaftlich nicht tragbar.
Und der große Absahner Vertrieb möchte ja auch noch etwas von den verkauften Singles/Alben haben.

Ein Label ist auch nur eine Firma und keine Firma möchte sich übernehmen.
Kleine Labels bieten zumindest schon mal ein Sprungbrett an, aber sich das Genick brechen?

Und "die Masse" tritt dann an die Labels heran und setzt sich für Dich ein?
Ich habe auch durch Hörensagen von Robert Miles, Metallica usw. gehört. Bei mir klopfte niemand an der Tür, bei einem A&R wird es ähnlich sein. Irgendwo, wird er es mitbekommen (wobei dieser sowieso sein Umfeld fragen wird, ob es was neues gibt).

Ohne die Community wird es nur ein Traum bleiben. Es sei, du bist mit jemandem Bekannt/Verwandt der was zu melden hat...
 
Hier mal der Standard Spruch seit den 90er:

Wir bitten um Verständnis, dass aufgrund der zahlreichen Einsendungen kein persönliches Feedback erfolgen kann. Grundsätzlich werden aber alle Demos ausführlich geprüft. Bei Interesse unsererseits werden wir euch kontaktieren. Daher bitte unbedingt Telefonnummer und Emailadresse mit angeben. Erfolgt innerhalb von 10 Wochen kein Feedback, so kann davon ausgegangen werden, dass wir derzeit leider nicht ausreichend genug Ansätze für eine Zusammenarbeit mit unserer Company sehen. Eingesandte Demos werden aus Kostengründen nicht zurückgeschickt. Wir bitten euch daher keine Originale/ Master einzusenden!

Von einem einem Act, dass es überall in die Charts schaffte, weiß ich persönlich, dass deren Demos nie angehört wurden.
Sie schickten sogar leeres Band hin und bekamen die Antwort:
"leider passt die Musik nicht zu unserem Hause".
 
@Turquoise,

kennst Du Beispiele, bei denen Musiker früher völlige künstlerische Freiheit bei ihrem Label-Erstling hatten?

Ist aber heute ganz einfach möglich, wo Tonträgerproduktion und Recording nicht mehr die Welt kostet: Nimm ne CD auf, gründe Dein eigenes Label, spiele 200-250 Gigs/Jahr, vertick die CDs da und nutze die www-Kanäle. Dann kannst Du im Laufe der Jahre eine Fanbase aufbauen, mit völliger künstlerischer Freiheit.

Früher gab es statt CDs halt Kassetten (kann mich noch an das Tape von BAP mit "Wahnsinn" und "Hang on Sloopy" erinnern, das damals im Jugendhaus die Runde machte) und noch kein www mit seinen weltweiten Selbst-Vermarktungsmöglichkeiten.

Also ist doch heute auf den ersten Blick alles viel einfacher.

Ja, im vorletzten Satz steht das Wort "Vermarktung" - an einer solchen kommt man nämlich nicht vorbei, wenn man Erfolg haben will.

Aber letztendlich ist jeder Gig bereits eine Form der Vermarktung. Selbst das "Du, hör Dir mal meine Aufnahme an" ist es bereits.

Wer das Vermarkten nicht beherrscht, hat es heute allerdings ungleich schwerer als früher: Je mehr Möglichkeiten, desto mehr Know-how und Einsatz ist erforderlich, um innerhalb des alltäglichen Grundrauschens als Einzelstimme vernommen zu werden.

Also: Nicht klagen und die Zeit, die man hier mit Diskussionen verbringt, dafür nutzen, sich ein Netzwerk zu schaffen. Wenn der Verwandte, der einen kennt, der beim Radio arbeitet, einem nicht helfen kann/will, muss man halt andere Wege suchen und auch mal darüber nachdenken, ob der Ansatz, ins Radio zu wollen, überhaupt zum besagten Zeitpunkt mit dem besagten Song der richtige war.

Zuerst würde ich immer darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoller ist, im Team an den Start zu gehen, statt als Einzelkämpfer. Wobei Team nicht gleichbedeutend mit Band ist und ich nicht weiß, ob Du nicht bereits ein Team hast.

Ach so: Ich glaube nicht, dass es irgendeine, mit einem gewissen Talent/Können erzeugte, Musik gibt, die "zu schlecht" ist, als das sie nicht in einer bestimmten Zielgruppe Erfolg haben könnte. Wenn ich natürlich auf den Pfaden Stockhausens wandele, kann ich nicht erwarten, dass mir ein Chartbreaker gelingt.
 
Heute gibt es ja auch kaum mehr CDs, Alben und Compilations noch in kleiner Stückzahl, Singles oder Maxis eigentlich nicht mehr. Die einzigen Genres die noch physische Tonträger verkaufen sind Schlager und Rock, also voraussichtlich aussterbende Musikstile für ältere Menschen. Downloads sind auch extrem stark rückläufig und Apple wird vermutlich iTunes in zwei, drei Jahren einstellen.

Durch das Streaming sind seit 5 Jahren die Karten wieder neu gemischt und viele Regeln aus den 90ern und aus den 00ern gelten heute nicht mehr. Es ist viel einfacher eine Veröffentlichung bei einem Label zu ergattern, einfach weil das Label keine Kosten mehr hat. Weder für Herstellung noch für Vertrieb. Einzig Promotion muss noch gemacht werden um den Song in Playlisten zu platzieren. Die wahre Macht über das Business hat sich also verlagert, vom Label weg, hin zu den Streaming-Dienstleistern und ihren Playlisten. Diese werden halb durch Algorithmus, halb durch Kuratoren gefüllt. Klar das hier Songstrukturen wiederum anders gestaltet sein müssen als damals in den 90ern als es ums Radio ging und man eben 3 bis 3:30 Minuten Songs brauchte um die Zeit zwischen den Werbeblöcken zu füllen. Heute werden immer öfter 2 bis 2:30 Minuten Songs gemacht, wer den Song toll findet und länger hören möchte muss auf Repeat drücken, und schon sind zwei Plays generiert anstatt einem. Zudem entscheiden heute die Hörer beim Streaming oft innerhalb von 10 Sekunden ob sie weiterhören oder skippen, so sollte auf Intros verzichtet werden und der Song gleich mit einer interessanten Hook starten um den Hörer zu binden um ihn wenigstens über die auszahlungstechnisch relevante 30 Sekunden Marke zu bringen.
 
Früher haben die Plattenfirmen noch ihre Leute losgeschickt um Talente aufzuspüren.
Heute ist das ziemlich vorbei.

Es hat sich nur verlagert, die Labels haben immer noch A&R Leute, die grasen anstelle von Kneipen dann eben Social Media, Spotify und SoundCloud nach Hypes und Trends ab.
 
@Turquoise,

kennst Du Beispiele, bei denen Musiker früher völlige künstlerische Freiheit bei ihrem Label-Erstling hatten?

Ist aber heute ganz einfach möglich, wo Tonträgerproduktion und Recording nicht mehr die Welt kostet: Nimm ne CD auf, gründe Dein eigenes Label, spiele 200-250 Gigs/Jahr, vertick die CDs da und nutze die www-Kanäle. Dann kannst Du im Laufe der Jahre eine Fanbase aufbauen, mit völliger künstlerischer Freiheit.

Früher gab es statt CDs halt Kassetten (kann mich noch an das Tape von BAP mit "Wahnsinn" und "Hang on Sloopy" erinnern, das damals im Jugendhaus die Runde machte) und noch kein www mit seinen weltweiten Selbst-Vermarktungsmöglichkeiten.

Also ist doch heute auf den ersten Blick alles viel einfacher.

Ja, im vorletzten Satz steht das Wort "Vermarktung" - an einer solchen kommt man nämlich nicht vorbei, wenn man Erfolg haben will.

Aber letztendlich ist jeder Gig bereits eine Form der Vermarktung. Selbst das "Du, hör Dir mal meine Aufnahme an" ist es bereits.

Wer das Vermarkten nicht beherrscht, hat es heute allerdings ungleich schwerer als früher: Je mehr Möglichkeiten, desto mehr Know-how und Einsatz ist erforderlich, um innerhalb des alltäglichen Grundrauschens als Einzelstimme vernommen zu werden.

Also: Nicht klagen und die Zeit, die man hier mit Diskussionen verbringt, dafür nutzen, sich ein Netzwerk zu schaffen. Wenn der Verwandte, der einen kennt, der beim Radio arbeitet, einem nicht helfen kann/will, muss man halt andere Wege suchen und auch mal darüber nachdenken, ob der Ansatz, ins Radio zu wollen, überhaupt zum besagten Zeitpunkt mit dem besagten Song der richtige war.

Zuerst würde ich immer darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoller ist, im Team an den Start zu gehen, statt als Einzelkämpfer. Wobei Team nicht gleichbedeutend mit Band ist und ich nicht weiß, ob Du nicht bereits ein Team hast.

Ach so: Ich glaube nicht, dass es irgendeine, mit einem gewissen Talent/Können erzeugte, Musik gibt, die "zu schlecht" ist, als das sie nicht in einer bestimmten Zielgruppe Erfolg haben könnte. Wenn ich natürlich auf den Pfaden Stockhausens wandele, kann ich nicht erwarten, dass mir ein Chartbreaker gelingt.
Ja, zum einen sind das keine besonderen Weisheiten, sondern ist jedem und auch mir klar. Zum anderen reden wir hier über ungelegte und vermutlich nie mehr zu legende Eier. Ich habe in den 1990ern meine erste Band gehabt - also in der Zeit vor dem Internet. Ich war damals der Älteste in der Band und hatte auch am meisten einen Plan. Die anderen leider nicht. Und so wurden tausend Nebenbands gegrüdet, was mich immer ärgerte, weil es Energie von unserer Hauptband abzog. Viele Jahre später gestand mir unser Schlagzeuger, dass es bestimmt etwas geworden wäre, wenn er damals schon so fokussiert gewesen wäre, wie er es jetzt mit seiner eigenen Band (nach unserer Trennung) ist. Dort wiederum machte er die Erfahrung, die ich mit ihm machte: er hatte als einziger den Durchblick und den Willen, die anderen aber zogen nicht so richtig mit.

Mitte der Nullerjahre bis 2010 bestand meine zweite Band. Die Konstellation war immer schwierig, weil der Bassist depressiv war und heftige Tabletten schlucken musste, die es ihm verunmöglichten, sich länger als eine halbe Stunde voll zu konzentrieren. Im Studio musste deswegen sogar ich die Bässe einspielen. Einen Ersatz zu finden gestaltete sich dann recht schwierig und ich hatte einfach nicht die Geduld, Jahr um Jahr zu warten, bis sich die richtigen Leute finden, die zusammen passen und auch zusammen was erreichen wollen. Das war also alles nicht so einfach und wer meint, eine Band zusammen zu stellen kann doch nicht so schwer sein, der hat vielleicht einfach andere Erfahrungen gemacht.

Ich habe mich dann aufs Solo-Dasein konzentriert und erst mal ein Akustik-Album aufgenommen, das aber so anspruchsvoll geworden ist, dass es mich über zwei Jahre Arbeit gekostet hat. Mit dem Solo-Dasein war ich aber unglücklich, weil ich eben ein Bandmensch bin und nie etwas anderes wollte, als eine gut funktionierende Band. In dieser Zeit kam auch noch ein Umzug mit der Familie hinzu - mitlerweile hatte ich zwei Kinder - und dann noch einmal ein ganz ungeplanter Umzug, weil der Besitzer des Hauses, in das wir gezogen waren, seine völlig verschimmelten Wände einfach mit Aluminiumfolie übertapeziert hatte. Als die ersten gesundheitlichen Probleme auftraten, mussten wird schnell wieder raus, mit Kind und Kegel und einem ziemlich großen Hausstand. Das war also eine harte Zeit, in der ich auch noch wie gesagt versuchte, ein Solo-Album aufzunehmen.

Heute bin bin ich 43, habe 4 Kinder, die alle ein vernünftiges Leben führen wollen. Da ist der Zug leider abgefahren und ich kann mir jugendliche Band-Eskapaden und mittelloses Herumgetingele in der Hoffnung auf den guten Deal einfach nicht mehr erlauben. Wenn jemand kommen und sagen würde, hier, hast Du zehntausend Euro Honorar, und dafür machen wir jetzt ein Album, das ich manage und rausbringe, wäre ich dabei. Ich habe noch genug Songs für 15 Alben herum liegen, die kein Mensch kennt. Aber das wird wahrscheinlich nicht geschehen.
Ich weiß, ich habe es wie viele andere zumindest versucht. Und es hat nicht geklappt. Aber das ist schon okay. Das Leben ist größer als das.

Ich denke, das sind Geschichten, wie sie die meisten Musiker erzählen könnten.

Was ich heute jedenfalls nicht brauche ;-) sind Ratschläge, die man einem ungebundenen Zwanzigjährigen geben würde, der noch absolut heiß auf Erfolg ist.
 
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