Ich aß ein Eis

[Andaraginga]

Irgendwie hab ich Lust, es mal wieder zu wagen...

Ich hab versucht, eine kleine Geschichte stimmungsvoll, aber nicht übertrieben verkitscht zu erzählen.
Mich würde interessieren, ob man versteht, worum es geht, ob es einen berührt oder ob es insgesamt nicht aufgeht, von der ganzen Idee her komisch ist und übertrieben, unpassend oder einfach nur doof klingt.

Eine Stelle hab ich als xxxxx xxxxxx xxxxxx markiert. Was denkt ihr, sollte da stehen?

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Ich aß ein Eis

Es war heiß, mir war kalt
Ich stand da und lag am Boden
“Frische Luft!" hört’ ich mich
wie zu einem Fremden sagen

Nur kurz raus, kurz nur weg
Kurz nur etwas anderes sehen
Und dann tat ich, was ich tat
So als wäre nichts geschehen

Ich aß ein Eis
Frag nicht warum!
Wohl einfach nur
um was zu tun
was so normal war
wie es nur geht
als wollt’ ich spüren
dass die Welt nicht steht
sondern sich weiter dreht


Zwei Tage und zwei Nächte
vor einem Buch mit leeren Seiten
Zwischen Hoffen und Erwarten
irgendeines letzten Zeichens

Ich hatt’ nicht vor zu gehen
wollte nur ganz kurz verschnaufen
Fast gar nicht weg, gleich wieder da
Nur ein paar Schritte mit mir laufen

Ich aß ein Eis
Frag nicht warum!
Wohl einfach nur
um was zu tun
Was noch normal war
wusste ich nicht
Der, den ich seh
das war nicht ich


"Wir können nichts mehr tun
Wir können nur noch warten"
Ich weiß nicht, was ich dachte
Weiß nur noch, was ich sagte:

“Frische Luft!” …

Ich aß ein Eis
Weiß nicht warum
Wohl einfach nur
um was zu tun

Kurz nichts denken
Kurz nur frei
Kurz nur weg von allem sein

Und jetzt seh ich diese Bilder
Und es schaudert mich vor mir
Ich drück es weg
Doch ohne Zweck
Es bleibt die ganze Zeit bei mir

Ich aß ein Eis
Ich aß ein Eis
Ich aß ein Eis
Ich aß ein Eis

Ich sehe mich da stehen
Und es ekelt mich dabei
Als xxxxx xxxxxx xxxxxx
War ich nicht da und sie allein

Ich aß ein Eis

 

[En A I Zeh Ka E]

Hallo,
interessanter Text, ganz schlüssig war oder bin ich bzgl. der Deutung noch nicht.
Die ersten 3 Abschnitte sagen für mich erstmal, es geht um eine Person, die in einer Situation neben sich steht, sich an ein Stück Bekanntes klammert, um den Boden nicht zu verlieren. Eis ist greifbar. Um was für eine Situation es sich handelt, habe ich an der Stelle noch nicht raus.
Der 4. und 5. Absatz irritieren mich. 2 Tage auf etwas warten. Ein Buch zum Befüllen. Das könnte ein Familienalbum werden?
In dieser These weiterlaufend würde

Der, den ich seh
das war nicht ich

passen

"Wir können nichts mehr tun
Wir können nur noch warten"

Hat einen leichten Negativtouch, "wir können nichts mehr tun" klingt nach klassischen Krankenhausabschied und nicht Beginn. Hm...
"Nur noch warten" kann nicht negativ sein. Wer würde auf den Tod warten. Also doch das Baby?
Ich bin unschlüssig...

Es bleibt die ganze Zeit bei mir

Das schlechte Gewissen?

Die X-e vervollständigend:
In der Babyversion:
Ich sehe mich da stehen
Und es ekelt mich dabei
Als mein Kind das Licht der Welt erhellt(e)
War ich nicht da und sie allein

Oder in der dramatischen Version:
Ich sehe mich da stehen
Und es ekelt mich dabei
Als meiner Mutters Herz verstummte
War ich nicht da und sie allein

Wie auch immer, bin gespannt, wie es tatsächlich gemeint war.

Naicke

 

[artname]

xXxxX XxxXx : Als meine Seele nach mir verlangte

 

[SoulFrontier]

Es ist imo gut, aber der selbst Vorwurf “es ekelt mich vor mir“ ist erstens unnötig, zweitens viel zu hart und drittens unpassend.

LI ist mal kurz raus, was ganz normal ist(!) und da, ausgerechnet, passiert es. Der Tod kommt. So what? Dumm gelaufen aber daraus einen Vorwurf konstruieren ist imo absurd.
That's life!

Wenn Du das änderst und dem Text eine Leichtigkeit gibst wird es imo schlüssig.

 

[rho]

Bei mir kommt leider nur an: "Ich weiß, dass ich nichts weiß und aß dabei ein Eis". Das bindet nicht gerade meine Aufmerksamkeit.

 

[Andaraginga]

Interessant.
Ich merk daran, dass nicht alles jedem so klar ist wie mir, wie betriebsblind ich selber bin.

@En A I Zeh Ka E
Neben sich stehen und Eis als was Greifbares trifft es schon mal sehr gut.
"Buch mit leeren Seiten" ist tatsächlich was, wo ich nicht einschätzen kann, ob man das versteht. Ich find jetzt aber auch deine Gedanken dazu nicht so schlecht als dass mich diese nicht von mir nicht beabsichtigte Interpretation stören würde.

@SoulFrontier
Ekel unpassend? Hätte ich nicht gedacht, dass das so ankommt.
Ist dein Gefühl echt so, dass wenn es so passieren würde wie du sagst (man ist kurz draußen und da passiert es und der Tod kommt), dass man das ganz sachlich cool hinnehmen würde?
Der Gedanke und die Idee hinter dem Text ist, dass es nicht so ist, dass jemand im Gegenteil richtig dadrunter leiden kann.

@artname
Klingt interessant. Das versteh aber ich jetzt wiederum nicht.

 

[Andaraginga]

Bei mir kommt leider nur an: "Ich weiß, dass ich nichts weiß und aß dabei ein Eis". Das bindet nicht gerade meine Aufmerksamkeit.

Erstens, das höre ich nicht gern
Zweitens, so war es von mir nicht gemeint.
Drittens, witzigerweise hat dein Zitat aber auch was.
Viertens, bei dem was du sagst, werd ich schon hellhörig. Nicht sicher, ob es in die Richtung geht, aber eine Gefahr, die ich tatsächlich seh, ist mit so Formulierung wie "weiß nicht", "irgendwie", "nichts" besonders betonen zu wollen wie verwirrt oder aufgewühlt jemand ist. Wenn das hier so ist, wär es nicht gut.

 

[Teestunde]

Hab jetzt nur den Text gelesen. Der Ekel pass mMn nicht richtig. Und deuten kann ich die xxx Zeile auch nicht. Erster Eindruck, abgesehen von den Einwänden: gut geschrieben und nachvollziehbar. Jedenfalls streckenweise. Muss noch mal lesen, vielleicht fällt mir ja doch ein, was in die xxx Zeile gehört.

 

[SoulFrontier]

Ekel unpassend

Völlig unpassend!

Ist dein Gefühl echt so, dass wenn es so passieren würde wie du sagst (man ist kurz draußen und da passiert es und der Tod kommt), dass man das ganz sachlich cool hinnehmen würde?

Nein, ganz sicher nicht. Sondern es nehmen wie es ist. Kein Grund sich vor sich selbst zu ekeln! Warum denn das? Jemand sitzt zwei Tage unentwegt am Bett eines Sterbenden. Und dann muss er mal aufs Klo. Oder mal Luft schnappen. Oder ein Eis essen. Ja und?
Wo soll da ein Grund sein sich selber hinterher zu verteufeln? Es ist so gelaufen, dumm gelaufen, aber vielleicht sollte es auch genauso sein?

Der Gedanke und die Idee hinter dem Text ist, dass es nicht so ist, dass jemand im Gegenteil richtig dadrunter leiden kann.

Falscher Gedanke imo. Falscher oder jedenfalls problematischer Ansatz.

Damit verschenkst Du imo sehr viel! Denn aus dieser Begebenheit lässt sich doch viel machen. Positiv sein!

 

[synthpark]

Mit Verlaub ... hab nur ein p0aar rhytmische Anpassungen gemacht.

Irgendwie hab ich Lust, es mal wieder zu wagen...

Ich hab versucht, eine kleine Geschichte stimmungsvoll, aber nicht übertrieben verkitscht zu erzählen.
Mich würde interessieren, ob man versteht, worum es geht, ob es einen berührt oder ob es insgesamt nicht aufgeht, von der ganzen Idee her komisch ist und übertrieben, unpassend oder einfach nur doof klingt.

Eine Stelle hab ich als xxxxx xxxxxx xxxxxx markiert. Was denkt ihr, sollte da stehen?

---------------------

Ich aß ein Eis

Es war heiß, mir war kalt
Ich stand da und lag am Boden
“Frische Luft!" hört’ ich mich klagen
wie zu einem Fremden sagen

Nur kurz raus, kurz nur weg
Kurz nur etwas anderes sehen
Und dann tat ich, was ich tat
So als wäre nichts geschehen

Ich aß ein Eis
Frag nicht warum!
Wohl einfach nur
um was zu tun
was so normal war
wie es nur geht
als wollt’ ich spüren
dass die Welt nicht steht
sondern sich endlos weiter dreht


Zwei Tage und zwei Nächte
vor einem Buch mit leeren Seiten
Zwischen Hoffen und Erwarten
irgendeines letzten Zeichens

Ich hatt’ nicht jetzt vor zu gehen
wollte nur ganz kurz verschnaufen
Fast gar nicht weg, gleich wieder da
Nur ein paar Schritte mit mir laufen

Ich aß ein Eis
Frag nicht warum!
Wohl einfach nur
was tun
Was noch normal war
wusste ich nicht
Der, den ich seh
das war nicht ich


"Wir können nichts mehr tun
Wir können nur noch warten"
Ich weiß nicht, was ich dachte
Weiß nur noch, was ich sagte:

“Frische Luft!” …

Ich aß ein Eis
Weiß nicht warum
Wohl einfach nur
um was zu tun

Kurz nichts denken
Kurz nur frei
Kurz nur weg von allem sein

Und jetzt seh ich diese Bilder
Und es schaudert mich vor mir
Ich drück es weg
Doch ohne Zweck
Es bleibt die ganze Zeit bei mir

Ich aß ein Eis
Ich aß ein Eis
Ich aß ein Eis
Ich aß ein Eis

Ich sehe mich da stehen
Und es ekelt mich dabei
Als xxxxx xxxxxx xxxxxx
War ich nicht da und sie allein

Ich aß ein Eis

 

[NinaEins]

Für mich könnte hier xxxx xxxxx xxxxx stehen:

„Als wäre nichts geschehen“
(Ich fände die bewusste Wiederholung als Klammer ganz gut.)

Nettes Rätsel Cooler Text
Bin auf die Auflösung gespannt.

Liebe Grüße
N.

 

[Turquoise]

Mir ist der Text zu kryptisch - so kryptisch, dass ich denke, nicht einmal eine schlüssige Auflösung der xxxx-Zeile könnte für mich Licht ins Dunkel bringen....

 

[artname]

xXxxX XxxXx : Als meine Seele nach mir verlangte

@artname
Klingt interessant. Das versteh aber ich jetzt wiederum nicht.

Ein Schlaganfall kann bedeuten, dass man immerzu nur noch einen Satz denkt und/oder sagt.... Hier wäre dies der Satz mit dem Eis...Der Schlaganfall wäre aber nur meine Metapher. Intensiver empfinde ich bei meinem Vorschlag die Lethargie, die Starre, in der sich die Menschheit mE momentan befindet

 

[Andaraginga]

Vielen Dank soweit für das Feedback.

Meine Idee war, dass jemand durch den Tod der Mutter aus der Bahn geworfen wird und besonders darunter leidet, dass er im "entscheidenden" Moment nicht (für sie) da war.

Ob so zu reagieren, logisch nachvollziehbar ist, weiß ich nicht.
Ich fand die Idee, dass es bei irgendeiner Person genau so sein könnte, spannend.

 

[Klauski]

Ich finde den Text sehr interessant und gut. Ein Text darf auch Fragen aufwerfen. Deine Auflösung kommt mir zuvor, so wie schon Naicke schon schrieb habe ich es auch empfunden.

Als meiner Mutters Herz verstummte
War ich nicht da und sie allein

Ich sehe mich da stehen
Und es ekelt mich dabei
Als xxxxx xxxxxx xxxxxx
War ich nicht da und sie allein

Der Ausdruck Ekel ist für mein Empfinden zu heftig.


Mein Vorschlag:

wie elend fühl ich mich dabei
oder
Und ich schäme mich dabei
Bei Deinem letzen Atemzug
war ich nicht da und Du allein

 

[Teestunde]

Also ich hab den Text jetzt wieder gelesen und finde ihn sogar noch besser, als beim ersten Lesen. Erinnert mich i-wie an den Tag, als mein Mann gestorben ist. Da war ich ausgerechnet in dem Moment, wo er starb, nicht im Zimmer. Ich kam erst im aller- allerletzten Augenblick dazu. Das sollte ich mir nicht vorwerfen, tue es aber trotzdem. Dein Text ist gut!

 

[Turquoise]

Die Auflösung funktioniert, was ich mir nicht vorstellen konnte. Aber einen Kritikpunkt habe ich doch:

ich finde, Du erzählst zuviel Belangloses und wiederholst oft bereits Gesagtes an anderer Stelle mit anderen Worten noch einmal.
Dadurch geht dem Text die Dichte und Dramatik etwas flöten.

So muss das LI in der ersten Strophe "nur kurz raus, nur kurz weg, kurz nur etwas andres sehen". Während es in der zweiten "nur kurz verschnaufen" und "fast gar nicht weg" war. Aber eben doch. Das klingt, als fällt dem LI gar nichts ein, was es sonst erzählen könnte. Und das glaube ich ihm nicht.

Wenn Du den noch nach Jahren aufwühlenden Einschnitt dadurch darstellst, dass das LI im entscheidenden Moment ein Eis aß, dann ist ja das "Belanglose" (das Eis essen) bereits auf den Gipfel der Dramatik gehoben.

MMn käme die hochdramatische Belanglosigkeit des Eises viel mehr zur Geltung, wenn im Text die großen Fragen, radikale Zweifel, Vorwürfe, extreme Emotionen, verstörende Bilder usw. bewegt würden. Und dann der Kontrast: dummerweise ein Eis gegessen.

 

[Andaraginga]

Okay, scheint, dass der Text zum Ende hin von der Wortwahl unpassend ist und wahrscheinlich auch etwas zu lang.

Mein Änderungsvorschlag ab dem letzten Refrain wär dann so:


Ich aß ein Eis
Weiß nicht warum
Wohl einfach nur
um was zu tun

Kurz nichts denken
Kurz nur frei
Kurz nur weg von allem sein

Und jetzt seh ich diese Bilder
Und ich schäme mich dabei
Als meine Mutter starb
War ich nicht da und sie allein

Ich aß ein Eis...

 

[Turquoise]

Und jetzt seh ich diese Bilder
Und ich schäme mich dabei
Als meine Mutter starb
War ich nicht da und sie allein

Ich aß ein Eis...

Sowas z.B. finde ich viel zu ausschweifend. Dichter und dramatischer wäre:

als Mutter starb
aß ich ein Eis

Damit ist all das andere auch gesagt. Du musst nicht sagen, dass das LI sich schämt. Es steht zwischen den Zeilen. Du musst nicht sagen, dass das LI diese Bilder sieht - es steht zwischen den Zeilen. Du musst nicht sagen, dass das LI seine Mutter allein gelassen hat. Es ist klar dadurch, dass es ein Eis gegessen hat.

 

[artname]

Mir gefällt diese Auflösung sehr gut. Auch ich könnte ziemlich genau beschreiben, was ich am 11. September 2001 tat. Das gehört zur Wahrnehmung der wenigen Höhepunkte eines Lebens: Irgendwie verewigen historische Ereignisse jede zugehörige Banalität. - Auch daran ermessen wir, dass dieser Tag zu den Höhepunkten eines Lebens zählte... behaupte ich jetzt mal. Auch das zähle ich zu: Mann beißt Hund!

Zu den unvergeßlichen Leseerlebnisses meiner Kindheit zählt eine Aufzählung tausender Banalitäten eines sonnigen Tages in einer japanischen Stadt. Hunderte Schauplätze wurden beleuchtet .... von deren wolkenlosen Himmel, ganz langsam ein kleiner Fallschirm herab schwebt... mit der Atombombe dran. Niemand konnte mir später realistischer schildern, dass der Tod immer unter uns weilt.

Und deshalb bin ich sehr angetan von der Machart dieses Textes!