Ich aß ein Eis

[Turquoise]

Ich beispielsweise erfuhr vom Tod meines Vaters erst, nachdem es für einen Abschied zu spät war und grämte mich darüber ein halbes Leben lang. Ein Grund mehr, mich von dem Text berühren zu lassen....

Das könnte aber auch ein Grund sein, der Dich etwas hindert, den Text von einer neutral-"objektiven" Warte aus zu lesen. Denn mit Deinem Lob für den Text verstößt Du mMn klar gegen Dein sonstiges Credo "Form-geht-über-Inhalt".

Deshalb will ich sicherheitshalber noch einmal klar stellen: ich habe - auch wenn ich mich auf den Inhalt bezog - hier nur über die Form gesprochen.

 

[artname]

lieber @helge1973 : Krass, deine Beispiele... krass - und zugleich kenne ich ähnliche Beispiele. Und so frage ich mich, ob nicht gerade das ehrliche Bekenntnis zu all den banalen Ereignissen im Zusammenhang mit einem fremden Tod für viele Menschen eher Trost statt Empörung auslöst...! Was mich betrifft: Der Tod übertrifft meine Vorstellungskraft. Ein Glück, dass uns Floskeln zur Verfügung stehen, mit denen wir zunächst unsere unsägliche Erschütterung sagen dürfen....

@ Turquoise: Nicht ich stelle die Form über den Inhalt. Ich erinnere nur in vielen Diskussionen daran, dass Form nicht von Inhalt zu trennen ist, dass intensives Nachdenken über die Form das Texten erheblich erleichtert.

Ansonsten: Ich habe schon erkannt, dass es dir hier um die Form geht.

 

[helge1973]

Und jetzt könnte man sich fragen, ob nicht gerade das ehrliche Bekenntnis zu all den banalen Ereignissen im Zusammenhang mit einem fremden Tod für viele Menschen nicht eher Trost statt Empörung bedeuten...!

Wie meinst Du das?

 

[Turquoise]

@ Turquoise: Nicht ich stelle die Form über den Inhalt. Ich erinnere nur in vielen Diskussionen daran, dass Form nicht von Inhalt zu trennen ist

Das habe ich wie gesagt anders in Erinnerung (vom 13.02.18):

Meine ketzerische These: Es geht in der Kunst kaum darum, WAS man sagt, sondern vor allem WIE man es sagt. Das Geheimnis ist nicht der INHALT, sondern die FORM!

 

[artname]

@Turquoise : Dazu stehe ich jederzeit, wenn ich meine Meinung über das "Geheimnis" guter Rhetorik schreibe.

@helge1973 Der verdrängte Tod überfordert uns regelmäßig! Floskeln und Rituale strukturieren nur den öffentlichen Umgang mit der Trauer. Tatsächlich sind wir vermutlich geboren, um so gut wie möglich mit dem Leben umzugehen, aber nicht so gut wie möglich mit dem Tod. Wir fühlen uns immer schlecht vorbereitet, wenn wir ihm leibhaftig begegnen. Vermutlich wissen wir noch nicht mal annähernd, warum und wofür wir lebendig trauern sollen.... Jedenfalls gilt das ohne Einschränkung für mich!

Und so, wie die Begnung mit dem Tod beispielsweise den Sexualtrieb mancher Menschen stimuliert, kann ich mir mühelos vorstellen, dass jemand, von einem Sterbebett kommend, verloren vor einem Eisbecher landet. Die Erwähnung solcher Erlebnisse gibt auch dem scheinbar verpeilten Menschen die Würde, den Trost zurück, den er verdient!

 

[rho]

Erstens, das höre ich nicht gern

Durch den weiteren Verlauf des Freds lasse ich mich bekehren, aber so richtig kommt der Text bei mir nicht an. Er kommt mir wie ein banales leeres Wortspiel vor, dem eine Tiefendimension eventuell gegeben wird, wenn ich schon nicht mehr zuhöre. Das ist mein Fehler. Dennoch wage ich, allen plausiblen Ausführungen zum Trotz, die Diagnose, dass der Text sein Anliegen zu sehr verschleiert und verzögert. Und das geht auf Kosten des Weckens und Bindens der Höreraufmerksamkeit.

 

[artname]

Ja @rho ... und damit bist du wohl auf der gleichen Spur von @Turquoise und vermutlich @helge1973 ... und ich verstehe, langsam, wo ihr hinwollt: Für Euch ist der Text bis zur abschließenden Pointe nicht spannend genug geschrieben. Kann sein... hinge für mich von der Musike und dem Vortrag ab. Als Fan von Randy Newman kann ich mir auch totale Spannung bei einer banalen Aufzählungsliste vorstellen... aber da ist natürlich Randys Musik, seine Stimme, sein Image....

lg

 

[rho]

Ja @rho ... und damit bist du wohl auf der gleichen Spur von @Turquoise und vermutlich @helge1973 ... Kann sein... hinge für mich von der Musike und dem Vortrag ab.....

Punkt für dich, @artname. Ich hatte diesen Gedanken beim Verfassen meines Beitrags im Hinterkopf.

 

[Turquoise]

ich verstehe, langsam, wo ihr hinwollt: Für Euch ist der Text bis zur abschließenden Pointe nicht spannend genug geschrieben. Kann sein... hinge für mich von der Musike und dem Vortrag ab. Als Fan von Randy Newman kann ich mir auch totale Spannung bei einer banalen Aufzählungsliste vorstellen... aber da ist natürlich Randys Musik, seine Stimme, sein Image....

Das kann natürlich alles sein, wenn das Endergebnis vorliegt. Aber das haben wir nicht. Sprich, wir sehen weder die schauspielerische Leistung, geschweige denn den fertigen Film. Uns liegt erst mal nur das Drehbuch vor. Und nur das kann man im Moment beurteilen.
Ich finde es schwierig, zu sagen, mit den richtigen Schauspielern könnte durchaus es ein guter Film werden, wenn man schon anhand des Drehbuches sagen muss, das ist noch nicht das Wahre. Da wäre zumindest mein Ansatz, mir erst noch mal das Drehbuch vorzunehmen, bevor ich auf die Rettung durch Handwerker hoffe, die mit dem Drehbuch arbeiten müssen. Die können auch mehr brillieren, wenn die Grundlage stimmt.

 

[artname]

Was du da schreibst, ist EINE Variante, @Turquoise .

Ich las @Andaraginga ´s Text und in meiner Phatasie könnte er so funktionieren. Jeder Kritiker sollte doch zugeben, wenn er sich den Text als lyrics eines hörenswerten Songs vorstellen kann. Immerhin wäre das fair gegenüber dem Treadsteller - der ja auf eine Anerkennung hofft. Ich mag schlichte Texte.

Einer meiner Lieblingssongs von Randy Newmann beginnt so:

One September morning when I was five
My daddy said, "Son, rise from your bed."
I thought, I must be dreaming, it's still dark outside
He said, "Son if you fall behind you'll never get ahead
Here's your little brown cowboy shirt, put it on
Here's your little brown cowboy pants, put 'em on
Here's your little brown shoes, can you tie them yourself?
Get into the car, we're gone!"

In diesem Stil geht der Text weiter. Sie fahren weit raus dann fordert er den Jungen auf auszusteigen. "Sohn, es wird Zeit, etwas Richtiges zu tun. " - Da steht er, der Junge, mit seinem Sandeimerchen. Ende

So etwas nenne ich formal Fakten-Listen-Text. Mit der zugehörige Cd "Land of dreams" begann meine lebenslange Begeisterung für Newmans (teilweise theatralische) Songschreiberei. Wenn also so ein Text Erfolg bei mir hat, warum nicht auch "ich aß ein Eis"?

Ich lehne Schwulst ab oder Klischees. Beides ist hier nicht der Fall. Die Pointe berührt mich. Nimm es als Geschmacksache.

 

[Klauski]

Nimm es als Geschmacksache.

Ja, als Musiker würde ich sogar auf den letzten Vers verzichten. Ich finde den ersten Teil viel reizvoller. Und da kann jeder reininterpretieren was er will, jeder nach seiner Empfindung. Das ist Kunst.

 

[helge1973]

Tatsächlich sind wir vermutlich geboren, um so gut wie möglich mit dem Leben umzugehen, aber nicht so gut wie möglich mit dem Tod

Einer der besten Sätze, die ich je gelesen habe!

Man kann über den Tot so unendlich viel schreiben, aber im Sinne des TE möchte ich das nicht: ihm geht es ja - verständlicherweise - um seinen Text … äh … DEM seinen Text (weil Datief und Genitief und so).

Eh, wo war ich … ach, ja … Tod … ich wollte nur noch eine Sache loswerden und dann ist auch gut, was meine eigenen unnützen Weisheiten angeht.

Du hast Recht: wir können nur ganz, ganz schlecht (wenn überhaupt) mit dem Tod umgehen, aber eines der wichtigsten Dinge, die ICH im Leben gelernt habe ist, dass man sich nie im Streit verabschieden soll, insbesondere DANN nicht, wenn man denjenigen liebt, wobei ich Liebe hier nicht zwingend gleichsetze mit der Liebe zu einem Partner, sondern auch zu einem Freund, ja, sogar zu einem Tier.

Es ist wichtig Maß zu halten, innezuhalten, sich wieder zu beruhigen und sich wenigstens würdevoll zu verabschieden, egal, was vorher passiert ist.

Mit diesem Ansatz hatte ich, als klischeehafter Südländer, viele Jahre lang in der Tat zu kämpfen, doch mit der Zeit ist mir das (bis auf wenige, wenige Ausnahmen) auch gelungen.

Noch was zum Text.
Man ist schnell mit Gewissensbissen und Selbstvorwürfen da, wenn sowas passiert.
Auch das passiert - meist - vor der eigentlichen Trauer und auch danach.

Ich frage mich dann oft, was überwiegt: die eigentliche Trauer über den Verlust des geliebten Wesens oder die Selbstvorhaltungen, womit wir wieder bei der Frage des Ego's wären ("Surrender your Ego! Be free! Be free!") oder wollen wir nur daraus lernen?

Letzteres wäre es ja "gut".

 

[Turquoise]

Tatsächlich sind wir vermutlich geboren, um so gut wie möglich mit dem Leben umzugehen, aber nicht so gut wie möglich mit dem Tod

Einer der besten Sätze, die ich je gelesen habe!

Siehste, und ich hielt ihn nun gerade wieder nicht für einen der besten Sätze. Aber so ist das halt mit uns hier...



Ich fragte mich nämlich, was eigentlich Zeit ist. Und kam zu dem Schluss, dass Zeit, obwohl sich innerhalb ihrer unser Leben abspielt, irgendetwas mit dem Tod zu tun haben muss, weil alles einem unaufhörlichen Vergehen unterworfen ist . . . wegen der Zeit, die einfach dahinfließt, ohne dass jemand sie anhalten kann. Das wiederum würde bedeuten, dass wirkliches Leben nur außerhalb von Zeit stattfinden kann. Was wohl eines der attraktivsten Momente von Religionen ist. Und ebenfalls, dass wir eben sehr wohl dazu verurteilt sind, im Leben so gut wie möglich mit dem Tod umgehen zu müssen - einfach, weil er in jedem Augenblick passiert. Das Wasser, das vorbeigeflossen ist, kannst du niemals mehr zurückbringen, das Lächeln der Verkäuferin niemals wiederholen. Es ist alles dahin in dem Moment, in dem es geschah. In dieser Hinsicht hat sogar die Musik große Ähnlichkeit mit Zeit und dem Tod. Kaum dass man sie hörte, ist sie verschwunden...

Mir ist schon klar, dass hier ein anderer Tod gemeint ist - das Weggerissenwerden eines Menschen. Und dennoch denke ich, dass das dann vermutlich nur die Extremausschläge eines allgegenwärtigen Prinzipes sind.

 

[helge1973]

Aber so ist das halt mit uns hier...

Das ist auch völlig in Ordnung und ich bin froh, dass es so ist: verschiedene Ansichten steigern die Vielfalt und bereichern doch

im Leben so gut wie möglich mit dem Tod umgehen zu müssen

In den herausragenden Büchern des C. Castaneda sagt Don Juan, ein alter Yaqui-Indiana, dass der Tod immer rechts von uns sitzt und auf uns wartet, er ist immer da, allgegenwärtig.

Und da das so ist, haste Recht: wir müssen so gut wie möglich mit ihm umgehen.
Im Bürgerkrieg habe ich das (unfreiwillig) lernen müssen.

Man kann es lernen.
Man ist jedoch auch immer wieder überrascht.

Das Wasser, das vorbeigeflossen ist, kannst du niemals mehr zurückbringen, das Lächeln der Verkäuferin niemals wiederholen. Es ist alles dahin in dem Moment, in dem es geschah.

Die Vergänglichkeit wurde niemals so gut beschrieben wie in G.G. Marquez' "100 Jahre Einsamkeit"
Erinnert mich grad daran.

In dieser Hinsicht hat sogar die Musik große Ähnlichkeit mit Zeit und dem immerwährenden Tod. Kaum dass man sie hörte, ist sie verschwunden...

Jaein.

Es ist richtig: wenn man zum ersten Mal ein tolles Lied hört, begeistert es einen nie wieder so, wie beim 1. Mal.

Aber es gibt auch Lieder, die eine wundervolle Entwicklung durchmachen und immer besser werden (damals war das bei mir "November Rain") oder man entdeckt bei komplexeren Strukturen immer wieder neue Detaills, die man toll findet.

Aber, mein geschasster Freund, ich weiß nicht, ob wir dem TE hier mit unseren Nietzsche'liken Ansichten über den Toht überhaupt guht tun.
Der Arme sacht ja jo nischt mehr - und ich könnt's sogar verstehen, weil es nicht mehr um seinen Text geht

 

[artname]

@Turquoise : Welchen Sinn macht es, den einzelnen Diskussionsbeiträgen Zensuren zu geben? Sie zu zensieren? Helge fragt, ich antworte. Er sagt Danke. Ich sag Danke. Ende. - Deine Sicht auf die Zeit kann ich gut nachvollziehen. Wenn du meinst, in diesem Faden sei allerdings ein anderer Tod gemeint.... warum gehst du dann nicht von DIESEM angeblich anderen Tod aus?

Hallo @helge1973 , danke für deine wohlmeinende Antwort. Ich stimme dir in allem zu! Besonders nachdenklich stimmt mich deine Haltung, sich nie im Streit verabschieden zu wollen. Das wiederum ist für MICH ein gaaaaanz bemerkenswerter Satz! Gerade denke ich im Stillen, dass man den Anderen wie einen nahen Verwandten sehen sollte, dem man, egal wie unterschiedlich man gepolt sein mag, immer wieder begegnen wird...

 

[Turquoise]

Wenn du meinst, in diesem Faden sei allerdings ein anderer Tod gemeint.... warum gehst du dann nicht von DIESEM angeblich anderen Tod aus?

Warum bringst Du einen Text von Randy Newman, der in seiner Art ganz anders und mit diesem hier überhaupt nicht zu vergleichen ist?

Es ging mir nicht um "Zensuren". Und wenn mein Beitrag eine Note für Dich gewesen ist, dann hat Helge auch "benotet". Ich verstehe wirklich nicht, weshalb Du bei meinen Beiträge immer so verdammt dünnhäutig bist. Da vergeht es einem wirklich. Akzeptiere halt einfach mal, was ich schreibe, als grundsätzlich nicht von bösen Motiven getrieben. Aber das kannst Du irgendwie nicht.

Helge fragt, ich antworte. Er sagt Danke. Ich sag Danke. Ende.

Und ich habe mich mit Helge über Zeit und Tod unterhalten. Ich sage was. Er sagt was. Ende.
Oder?

 

[helge1973]

Gott sei Dank bin ich diesmal unschuldig

 

[artname]

Gott sei Dank bin ich diesmal unschuldig

Ich vermutlich auch.

Helge fragt, ich antworte. Er sagt Danke. Ich sag Danke. Ende.

Und ich habe mich mit Helge über Zeit und Tod unterhalten. Ich sage was. Er sagt was. Ende.
Oder?

Richtig

 

[Turquoise]

Gott sei Dank bin ich diesmal unschuldig

Ich vermutlich auch.

Und ich erst!

Wobei...:

Der alte Starez Sossima behauptet, jeder ist mitschuldig an den Sünden aller Menschen.

(Aber das ist etwas, das ich ihm nicht abgenommen habe...)

 

[helge1973]

Ich vermutlich auch

Und ich erst!

Siehe da: meine Unschuldslämmchen!

Der alte Starez Sossima

So nen Starec hattenwa auch bei uns im Dorf.

Glaub mir: der Typ hat nur Scheisse gelabert

Wo zum Geier ist der TE?