Genesis: Wo ist der Trick? Instrumentierung und verschmolzener Sound

[Cruba]

Hi alle!

3Sat bringt mich ein paar Stunden vor 2015 mal wieder an den Rand der Verzweiflung. Seit jahrzehnten beschäftige ich mich nun mit den Jungs und komme immer wieder zu den gleichen Fragen.

Beispiel: In the Cage

Ich komme immer wieder an den Punkt, an dem ich mir sicher bin: Bei Genesis spielt jeder für sich allein. Es ist nicht das gewöhnliche Bandgefüge. Ich kann das auch echt schlecht besser beschreiben. Nimmt man die Spuren auseinander, klingt jedes einzelne Instrument (jede einzelne Spur) so gut auf den Punkt und inhaltsreich, wofür andere Bands 6 Leute brauchen. Das paradoxe daran für mich: Obwohl ich fest überzeugt bin, dass die Band nicht als Team funktioniert, ist das Endergebnis um so flüssiger und ineinander greifender.

Was mich noch mehr nervt, ist die Tatsache, dass ich bei jeder anderen Band gewohnt bin sagen zu können: Oh, hier ist die Gitarre, nun kommt das Schlagzeug. Diese reine Definition der Intrumente fetzt mir bei Genesis regelmässig auseinander. Auch das kann ich schlecht besser erklären. Bei den Stones ist der Bass der Bass der Bass spielt und den Bass darstellt. Bei Genesis kann ich das irgendwie nicht so sagen. Es ist eher so, dass etwas, was wie Bass klingt einen Song unterstützt.

Da komme ich auch gleich zum nächsten Problem: Ich kann keine irgendwie geartete Hirarchie bei der Instrumentierung ausmachen. Nix führt, nix ist im Hintergrund, keiner ist Lead und alle sind Hintergrund. Ich kann's 100 mal hören und jedesmal verschwimmt der Kontext und der Bezug der Instrumente und Sounds zueinander erneut und plötzlich kann jedes Instrument als führend wahrgenommen werden.

Um etwas Seelenfrieden zu haben, bin ich mitlerweile der Meinung, dass genesis ihre Instrumente gar nicht als solche wahrnehmen. Das Schlagzeug wäre also demnach ein Ding mit einem gewissen Sound, das etwas auslöst, unterstützt und vervollständigt.

Ich würde dieses, nennen wir es Konzept, gern für mich und meine Musik nutzen aber ich komme einfach nicht hinter das grosse Ganze.

Vielleicht fällt ja jemandem ein oder hat ähnliche Gedanken.

 

[Langfingerli]

Wenn wir hier das verstehen würden, dann würden wir nicht bei hr.de rumhängen, sondern durch die Welt touren und angebetet werden

 

[M31]

Für mich klingt "in the Cage" ein bisschen wie der Versuch "A Saucerful of Secrets" nachzuahmen.

Wobei das Chaos bei Pink Floyd zu Anfang grösser ist und man irgendwann ab Mitte auch mit guter Musik belohnt wird.

Beim Chaos orientiert sich alles nach dem Drummer. Je schneller er wird desto aggressiver werden Becken, Gitarre und Klavier. Eine Ordnung hat es demnach schon.

Am Anfang hatte ich bei "in the Cage" das Gefühl sie würden sich auch nach dem Drummer richten, aber danach ist es eigentlich nur noch Müll, jede Spannung geht verloren, aber nur meine Meinung.

Hier mal Pink Floyd:

 

[EC2]

Wenn dich der Genesis-Sound wirklich interessiert kennst du das Making Of zu "Mama" bestimmt schon, oder?

-08uZXfo

 

[popnapp]

Ich sehe ein paar Faktoren bei Genesis, die die Spielweise der Band etwas unnormal machen:

1) Soweit ich bisher verstanden habe, nennen Experten Genesis eine keyboard-getriebene Band. Der Tony Banks spielt viele coole Riffs, hat viele Überleitungen konzipiert und einige Songs sowieso. Das ist bei den Rolling Stones schonmal ganz anders.

2) Mike Rutherford ist kein typischer Bass-Player, der hatte doch auch immer so eine doppelte Gitarre, mit der man auch normal Rythmus-Gitarre spielen konnte? Einen wirklichen Bass-Player, der wie der Schuster bei seinen Leisten bleibt, hatten die nicht.

3) Alle Genesis-Mitglieder aus der "Lamb on Broadway"-Zeit haben es nachweislich faustdick hinter den Ohren. Jeder hat später mehrere Solo-Platten bzw. Soloweltkarrieren hingelegt. Insofern kein Wunder, wenn sich da niemand mit einfallsloser Begleitautomatik zufriedengeben wollte. Hat ja auch nicht sehr lange gehalten, dieses Team aus Alleskönnern.

Am unorthodoxesten finde ich selber eigentlich nicht die Keyboards oder den Bass, sondern die Spielweise von dem Steve Hackett (oder ist das doch Mike Rutherford?). Praktisch immer melodiöse Läufe oder Finger-Picking (oder wie das heißt) und fast nie einfach nur Akkorde anschlagen und Riffs spielen. Das hätte Keith Richards aber mal ganz anders gehandhabt.

Ich stimme auf jeden Fall zu, dass man von den alten Genesis-Sachen noch jede Menge lernen kann in Sachen Arrangement und Inspiration. Und genau das praktizieren ja zahllose Neu-ProgRock-Bands seit den Neunzigern, wenn ich den Historien-Teil der babyblauen Seiten richtig in Erinnerung habe. Genesis waren da eben sehr außergewöhnlich und stilprägend.

 

[Marc1610]

Ich finde das In the Cage einer schlechtesten Songs von Genesis ist.

Damit du aber mal etwas Anregung bekommst wie man seinen Sound durch Schichtung mit passenden Sounds seinem Song Fülle und unterschwellig Atmo/Feeling verpasst, schau mal hier.

 

[Cruba]

[ref=[media=youtube]iMm[/media]-08uZXfo

Danke Dir. Kannte ich, auch wenn ich es erst letztes Jahr darüber gestolpert bin.

Ich sehe ein paar Faktoren bei Genesis, die die Spielweise der Band etwas unnormal machen:

1) Soweit ich bisher verstanden habe, nennen Experten Genesis eine keyboard-getriebene Band. Der Tony Banks spielt viele coole Riffs, hat viele Überleitungen konzipiert und einige Songs sowieso. Das ist bei den Rolling Stones schonmal ganz anders.

2) Mike Rutherford ist kein typischer Bass-Player, der hatte doch auch immer so eine doppelte Gitarre, mit der man auch normal Rythmus-Gitarre spielen konnte? Einen wirklichen Bass-Player, der wie der Schuster bei seinen Leisten bleibt, hatten die nicht.

3) Alle Genesis-Mitglieder aus der "Lamb on Broadway"-Zeit haben es nachweislich faustdick hinter den Ohren. Jeder hat später mehrere Solo-Platten bzw. Soloweltkarrieren hingelegt. Insofern kein Wunder, wenn sich da niemand mit einfallsloser Begleitautomatik zufriedengeben wollte. Hat ja auch nicht sehr lange gehalten, dieses Team aus Alleskönnern.

Am unorthodoxesten finde ich selber eigentlich nicht die Keyboards oder den Bass, sondern die Spielweise von dem Steve Hackett (oder ist das doch Mike Rutherford?). Praktisch immer melodiöse Läufe oder Finger-Picking (oder wie das heißt) und fast nie einfach nur Akkorde anschlagen und Riffs spielen. Das hätte Keith Richards aber mal ganz anders gehandhabt.

Ich stimme auf jeden Fall zu, dass man von den alten Genesis-Sachen noch jede Menge lernen kann in Sachen Arrangement und Inspiration. Und genau das praktizieren ja zahllose Neu-ProgRock-Bands seit den Neunzigern, wenn ich den Historien-Teil der babyblauen Seiten richtig in Erinnerung habe. Genesis waren da eben sehr außergewöhnlich und stilprägend.

2) Das hab' ich so noch nicht gesehen. Unterbewerteter Fakt meinerseits, denke ich.

3) Auch das ist eine interessante Sichtweise. Das stützt dann meine "Jeder für sich" Theorie etwas. Hackett & Rutherford betreffend hast Du auch recht. Geht etwas in Richtung meiner Genesis Bass definition.

Als Fazit aus Deinem wirklich guten Beitrag nehme ich mal mit: Eine funktionierende Maschine, die "irgendwie" funktioniert. Wahrscheinlich gibt es deshalb auch so gut wie keine Noten von den Jungs.

Danke Dir!