Wenn man nicht "in den Schuhen des Anderen gelaufen ist", kann man das sicher auch nicht ohne weiteres nachvollziehen. Es widerspricht sich doch nicht, wenn ich sage, dass es mir persönlich sehr gut in der DDR ging und gleichzeitig bedauere, wenn Menschen gefoltert, erschossen, usw. wurden.
Da ist dieser Junge, dessen Vater Parteisekretär war, Chef der Kampfgruppen, Sicherheitsinspektor usw. und der durchweg sozialistisch erzogen wurde, zu hause, sowie in der Schule usw.
Ich hab an "unsere Sache" geglaubt, hielt den Sozialismus für ne gute Sache, für die es sich lohnt. Ich war gerne Pionier, gerne in der FDJ, die vormilitärische Ausbildung hat mir Spaß gemacht und auch in der NVA kann ich mich nicht beklagen. Nebenbei ein schönes Gehalt, mit 18 schon ne eigene Wohnung bekommen usw. Auch die Verantwortung, die "höhere Planstelle" (Vorgesetzer von zig Leuten) hat mich mit 18 Jahren selbstverständlich positiv blicken lassen.
Natürlich waren aus meiner damaligen Sicht Landesgegner Verbrecher, die völlig zu recht eingesperrt wurden. Das wurde meinerseits nicht mal eine Sekunde lang hinterfragt.
Wir wurden nicht erzogen um das System zu hinterfragen, auf den Gedanken wäre ich nie gekommen.
Wenn ich mich an unsere Gesetze gehalten habe usw., hatte ich nichts zu befürchten.
Ich wollte nie über die Grenze ins menschenfeindliche kapitalistische Ausland.
Das war doch alles Gehirnwäsche pur, bei einigen hat es nicht funktioniert, aber bei mir auf jeden Fall.
Ich saß zur Wende hinter dem Maschinengewehr, weil wir dachten, dass ein Teil der Bevölkerung die Kaserne stürmt, um zur Waffenkammer durchzukommen und ich weiß echt nicht wie ich reagiert hätte. Wir hatten einen Schießbefehl und zum Glück kam es ja nicht dazu.
Und wäre ich an der Grenze gewesen, hätte ich eventuell auch auf die "Landesverräter" geschossen.
Das ging auch nicht nur mir so, ich kann mich ja noch gut an die anderen Unteroffizere, Offiziere usw. erinnern. Wir waren Soldaten, welche nun mal Befehlen gehorchen und diese nicht zu hinterfragen haben, so wars doch.
Natürlich kann ich zwischen heute und damals unterscheiden. Heut bin ich nicht nur älter, auch deutlich reifer, aber man musste damals auch keine sonderlichen sadistischen Neigungen oder ähnliches haben. Keine Ahnung, vielleicht wäre ich auch in die Partei gegangen, vielleicht auch zur Stasi, hätte damals alles sein können, war aber wohl noch zu jung, bzw. hat mich keiner gefragt.
Im Nationalsozialismus war das sicher auch nicht viel anders, wenn man Oma und Opa befragt, oder Reportagen anschaut, liest usw. Das deutsche Volk war verblendet, nicht alle aber auch ein Großteil. Und wie die ihrem Führer zugejubelt haben, welcher ihnen Arbeit und Essen usw. gab.
Die Kinder und Jugendlichen waren regelrecht stolz auf ihre Pimpfenuniform, bzw. der Hitlerjugend usw. und selbst Kinder waren bereit in den Krieg zu ziehen um für ihren Führer und der Sache zu sterben. Von dem Shit mit den KZ`s, bzw. was da wirklich los war, hatten die meisten vermutlich auch keine Ahnung. Denen wurde auch eingeimpft wie schlecht die Juden seien und all dem ganzen Mist. Ich sehe da auch so paar Parallelen zur DDR.
Aber wenn man halt dazu gehörte, in der Situation steckte, sich verblenden lies, hat man die Augen verschlossen, bzw. das Gehirn abgeschalten.
