ich hatte im laufe der jahre vielfach die ehre, mit einigen höchst kompetenten vertretern des genres zusammenzuarbeiten. zusammenfassend kann man da sagen, es gibt keinen festen ansatz. der eine konstruiert aufwendigst und mit 276 revisionen seinen text und baut dann den flow stückchenweise zusammen, der nächste haut irgendwas raus, spittet einen take und findet dann, dass die roughness genau richtig ist, und dann gibts noch diese irren, die schon im freestyle-modus bessere und originellere texte mit komplexerer rhythmik raushauen als ich mir in 10 jahren ausdenken könnte. die brauchen natürlich dann für einen vorformulierten text in der regel auch, äh, nicht besonders lange
gerade das freestyle-phänomen finde ich dabei echt faszinierend, und hab mal einen der grossen meister da ein bisschen ein loch in den bauch gefragt, wie dieses unglaublich schnelle, multitaskende assoziationsspiel im kopf funktioniert. die antwort war in etwa, dass man halt idealerweise son bisschen autistisch unterwegs sein muss und es hilft, wenn man zu jeder tages- und nachtzeit ständig mindestens unterbewusst über reime nachdenkt.
faszinierende sache. bewunder ich sehr.
ansonsten gibts natürlich noch ein paar songwriting-weisheiten, die zwar nicht zwingend, aber praktisch sind:
1. mit dem refrain anfangen. aus einem guten refrain ergeben sich meist automatisch gute strophen, während man mit einer guten strophe im rücken meistens beim erreichen des refrains eine drucksituation heraufbeschwört hat und dann gerne mal hängenbleibt.
2. "faketexte" helfen ebenfalls sehr, wenn sie aufgeschrieben vor einem stehen. silbenzahl, reimposition etc. - diese faketexte können der grösste humbug sein, es ist sogar nützlich wenn sie humbug sind, dass man nicht in versuchung gerät, faketext-anteile zu übernehmen, aber es vereinfacht das nachdenken sehr, wenn man schon die silbenanzahl und die position der betonten silben und des reims vor sich stehen hat.
also beispielhaft statt "und die chöre sing' für dich" hätte da dann ursprünglich "und der bus fährt jetzt nach köln" gestanden
klingt komplett absurd, aber hilft in der praxis wirklich sehr. kann ich nur empfehlen mal auszuprobieren. einer der erfolgreichsten deutschen songwriter aller zeiten arbeitet ausschliesslich so (von dem hab ich das abgekuckt).
3. bauernweisheit, aber komischerweise muss man doch immer wieder dran erinnern: es hilft sehr, wenn man eine ahnung hat, was man eigentlich sagen will, worauf man hinauswill. bei der suche nach dem refrain hilft es, erstmal in schlagworten oder knackigen schlagzeilen zu denken. so ne gedankliche bildzeitungs-titelseite. und für kommerzielle mucke hilft immer auch der gedankliche test, ob man sich eine masse von 10.000 leuten vorstellen kann, die besagte schlagzeile mitgröhlt. da fällt einem sofort auf, wenn etwas zu verknotet oder zu verkopft ist.
4. und wenn gar nichts mehr hilft, ruft man bei ein paar verlagen an und lässt sich mit deren katalog überschütten
machen auch viele, fällt keinem ein zacken aus der krone. man kriegt halt eventuell vom böhmermann eins auf den deckel, aber jetzt wo er den gag gebracht hat ist auch das keine besonders grosse gefahr mehr
