Also ich arbeite sehr viel mit MIDI in der Musikrichtung Filmmusik, also auch eher klassisch. Allerdings schreibe ich keine Noten direkt in den Sequencer, sondern spiele meine Dinge mittels Keyboard ein.
Wer Noten hauptsächlich mit der Maus eingeben will, der ist bei S1 falsch. Zwar kann man im Piano-Roll Editor Noten einzeichnen, aber das ist eher für das Editing und nicht zum Schreiben von Musik.
Es gibt keine Möglichkeit die MIDI Noten mehrerer Spuren "übersichtlich" übereinander darzustellen.
Wenn es darum geht fertige Scores aus einem Notationsprogramm in S1 zu übertragen um dort dann einen guten Soundmix zu machen und eben eine gute VSTi Unterstützung zu haben, dem sollten dabei schon einige Defizite von S1 bewusst sein.
Entgegen dem was @Ari schreibt fehlen eben doch ein paar essentielle Dinge in der nachträglichen MIDI Bearbeitung, gerade wenn es um eher klassische Scores geht.
Ein Problem bei MIDI sind Wechsel von Artikulationen der Instrumente. Den eingezeichneten Legato Bogen erkennt das MIDI Format nicht und weiß damit nichts anzufangen, genauso auch jegliche andere Spielwesie für ein Instrument.
Um aber bei einer Sample-Lib unterschiedliche Spielweisen anzuwählen, benötigt man zusätzliche MIDI Kommandos wie Keyswitch-Noten und Continous Controller (MIDI CC).
Eine aus dem Notationsprogramm exportierte MIDI Spur mit Violinen enthält zwar alle Noten, aber es fehlen Sample Library gerechte Umschaltungen der Spielweisen und Anweisungen über den Dynamikverlauf.
Jetzt gibt es häufig 2 Wege das Problem in den Griff zu bekommen und bei beiden Wegen wird es mit S1 sehr schwierig beim Editing.
Weg 1 ist es, die einzelnen Spielweisen aus beispielsweise kurzen und langen Noten in jeweils seperate Spuren zu trennen. So das man in einer Spur die Sustains hat, in einer anderen Spur die Staccatos, in einer Spur die Pizzicatos usw.
Diese einzelnen Spuren steuern dann jeweils eine Spielweise der Sample-Lib an.
Leider bietet S1 aber keine Möglichkeit im Editor nach bestimmten Merkmalen wie Notenlänge zu selektieren.
Ich habe vorher mit Pro Tools gearbeitet, auch nicht gerade sehr fortschrittlich in Sachen MIDI, aber da konnte ich zumindest sagen, er soll mir alle Noten größer 1/16 und kleiner 1/4 selektieren, damit man diese dann zum Beispiel in einer andere Spur schieben kann. Oder alle Noten mit einer Velocity kleiner oder größer als x selektieren.
Das ist wie ich finde ein absolut essentielles Feature für die Nachbearbeitung von MIDI Noten. Einfach mal schnell alle 16tel Noten einer Spur markieren und diese verschieben, kopieren, die Velocity zu ändern etc.
Ein einfaches Suchen oder Filtern nach MIDI Noten ist nicht gegeben und das ist für komplexere Bearbeitungen ein riesen Nachteil.
Weg 2, wäre das Hinzufügen von Anweisungen zum Echtzeitumschalten von Spielweisen innerhalb einer Spur, also ohne Auftrennung in einzelne Spuren. Häufig wird bei Sample Libs hier die Noten-Keyswitch Methode verwendet. Dabei muss spätestens kurz vor der eigentlichen Note eine spezielle Umschaltnote ausserhalb des normalen Spielbereichs eingefügt werden, um dem Sampler zu sagen er soll ab hier mit einer anderen Artikulation zu spielen.
Zwar kann man bei S1 nun manuell diese Keyswitchnoten in den Editor mühselig eingeben, doch wirklich richtig intuitiv ist das nicht und auch nicht gerade übersichtlich.
Wie das deutlich besser funktioniert zeigt Cubase mit den Spur Expression Maps. Einmal eine solche Expression Map angelegt, wählt man danach nur noch seine Noten aus und definiert diese für eine bestimmte Spielweise. Alles andere, wie das Setzen der Keyswitchnote oder CC Umschaltung, erledigt der Sequencer.
Man wählt also z.Bsp einfach seine kurzen Noten aus und sagt das diese jetzt Staccato spielen soll und voila fügt der Sequencer entsprechend der Expression Map die notwendigen Befehle zum Umschalten der richtigen Spielweise ein. Man sieht dann auch später auf einem Blick, welche Spielweise für welche Note gewählt wurde.
Die Expression Maps finde ich sind bei Cubase das Killerfeature schlechthin und da sind auch einige anderer Komponisten mit denen ich kommunizieren gleicher Meinung.
Ich habe lange überlegt, ob ich wegen diesem einen Feature auf Cubase wechseln soll. Allerdings überwiegten bei mir letztendlich doch anderen Dinge des Workflows und des Fenstermangements und ich habe mit vorerst mal für S1 entschieden.
Meine Hoffnung ist natürlich, dass Presonus weiß wo die Konkurrenz wirklich seine Power hat und zieht da in nächster Zeit nach.
Nun, wer also Stücke direkt in ein Notationsprogramm schreibt und diese dann mittels MIDI Export in einen MIDI/Audio Sequencer überträgt, der muss einiges nachbearbeiten.
Und in dem Bereich ist Presonus Studio One einfach der Konkurrenz wie Cubase oder Logic weit unterlegen. Ja sogar das im Bereich MIDI nicht gerade populäre Pro Tools ist in einigen Punkten deutlich besser.
Wer so wie ich seine Musik live über ein Keyboard einspielt, der kommt mit S1 sicher gut zurecht, weil dann nicht so umfangreiche Editings notwendig sind. Wobei aber so Features wie die oben erwähnten, dennoch richtig gut wären.
Ich hoffe das Presonus hier in Zukunft noch kräftig nachlegt, denn in keinem Bereich hat S1 so viel Nachholbedarf wie bei MIDI.
Für den hier benannten Anwendungsfall würde ich ganz ehrlich von S1 abraten, denn dazu ist S1 in der MIDI Bearbeitung einfach noch zu unflexibel.