Deine Frage ist höchstindividuell.
Ich habe bereits in mehreren Bands gespielt und war auch immer mehr oder weniger am Songwriting beteiligt. Es lief aber immer anders und hing immer von allen Bandmitgliedern (auch denen, die nicht aktiv zum Songwritingprozess beitragen) ab.
In meiner ersten Band waren wir zwei Songwriter (beide Gitarristen, der andere war auch Sänger) + Bassist + Drummer. Songs (inkl. Text, grundsätzliche Basslinien und Drumpattern) wurden von einem der beiden Songwriter geschrieben, vorgestellt und dann im Bandcontext gespielt.
In meiner zweiten Band waren wir ebenfalls zwei Songwriter (beide Gitarristen, ich war auch Sänger). Da kam jeweils einer mit nem Riff in den Proberaum, der andere hat sich was dazu ausgedacht und wir haben im Bandcontext ausprobiert und ne Struktur umgesetzt. Danach habe ich einen Text drauf geschrieben und der Song war fertig.
In meiner dritten Band kam dann ein Sänger dazu, es lief wie bei Band 2, nur dass der dann neue Sänger die Texte meist spontan während der Probe geschrieben hat (der war ein unglaubliches Naturtalent, was das anging).
In meiner aktuellen Band werden die Songs hauptsächlich von mir und unserem Bassisten geschrieben. Ich habe meist eine vollständige Struktur im Kopf, habe diese vorher aufgenommen und komme damit in den Proberaum. Unser Bassist hat meist nur ein oder zwei Riffs. Unser Sänger hat immer einen Stack von mindestens 10 Texten rumliegen, die er je nach Bedarf anpasst. Dann wird das Ganze auseinandergenommen, jeder denkt sich aus, was dazu passen könnte, es wird über Wochen hin- und herüberlegt und erst frühestens nach zwei Monaten steht dann ein fertiger Song. Ich hatte noch nie eine Band, in der das Songwriting so langwierig war aber ich bilde mir auch ein, dass die Songs noch nie so gut waren. Ich habe mehrfach angemerkt, dass man den Prozess ja auf die eine oder andere Art beschleunigen könnte, aber dafür sehen die anderen Bandmitglieder keinen Bedarf. Also machen wir so weiter, sind quantitativ recht unproduktiv aber qualitativ meiner Meinung nach auf einem recht hohen Level.
Zur Quantität kurz: Unser letztes Album erschien Ende 2015 mit insgesamt 15 Songs (gegründet hatten wir uns Ende 2013). Seitdem schreiben wir am neuen Album und sind inzwischen bei 11 Songs. Allerdings muss man der Fairness halber sagen, dass wir nach dem Album zunächst eine Schreibpause gemacht haben, zwischendurch eine heftige Schreibblockade hatten (da saßen wir über ein halbes Jahr an einem Song, den wir dann verworfen haben) und zwei Besetzungswechsel (nach denen das jeweils neue Bandmitglied natürlich erstmal das ganze Set neu erlernen musste). Inzwischen schreibt auch unser neuer, zweiter Gitarrist mit und die Qualität hat sich meiner Meinung nach noch stärker erhöht.
Ich bin der Meinung, dass es grundsätzlich egal ist, wie man Songs schreibt, es muss nur jedem Spaß machen. Jeder der oben beschriebenen Wege hat seine Vor- und Nachteile und hängt stark von den Individuen ab. Es gibt Leute, die haben gar keine Lust aufs Songwriting, es gibt welche, die schreiben gerne vollständige Songs mit kompletten Arrangement und es gibt Leute, die haben gute Ideen, schaffen es aber nicht, diese alleine in einen Bandcontext zu transferieren. Und in einer Band gibt es meist mindestens einen von jeder Sorte. Dann kommt noch dazu, was für ein Wesen diese Leute haben bzw. welche Rolle in der Band (also "Anführer", "Mitläufer", "Vermittler", "Organisator",...) Daraus ergibt sich dann meist automatisch die Form des Songwriting-Prozesses.
