ElectricSheep hat schon einige sehr gute wichtige Sachen gesagt. Auf die Gefahr der wiederholung hin, mal noch mein Senf:
(1) was kostet Musik für einen regulären Spielfilm (90 Min.)?
(1.1) Oder ist der Preis filmlängenunabhängig?
Der Preis ist definitiv nicht unabhängig davon wie lang der Film ist, aber es ist auch die Frage wie viel Musik tatsächlich geschrieben werden muss. Was du bei der Filmproduktion immer wissen musst: Du bekommst die Qualität, für die du bezahlst. Mit 16 Jahren hätte ich einfach so zum Spaß für Lau einen 90-Minüter angenommen, aber hätte auch keinen so wirklich guten Score hinbekommen.
Ich arbeite zurzeit aber z.B. an einem studentischen Spielfilm für den ich quasi auch keinen Heller sehe - einfach weil es ein geiles Projekt ist und ich die Möglichkeit habe mit einer Musikhochschule zu kooperieren. Das Projekt läuft jetzt seit fast zwei Jahren und ich habe selten so viel bei einem Projekt gelernt.
Mittlerweile würde ich aber keinen Spielfilm unter 3000€ annehmen, und wenn das Projekt noch so geil und studentisch ist. Nach oben ist das offen, angemessener ist eigentlich eher der fünfstellige als der vierstellige Bereich.
Das gibt das Budget eines Studentenfilms aber eben fast nie her, insofern kannst du da nur hoffen dass jemand Lust auf die Erfahrung hat - denn für das Geld lohnt es sich definitiv nicht.
(2) fragt man den Komponisten schon vorher an oder erst nachdem der Film fertig ist?
Je früher desto besser. Ich habe beides schon erlebt, ziehe es aber definitiv vor, schon vor dem Dreh dazugeholt zu werden. In der Industrie ist es andersrum aber üblich, da steht oft schon der komplette Picturelock, bis man mit dem Projekt anfängt.
Der Musik tut diese Vorbereitungsphase sehr gut, und ich glaube dass auch der Film an sich davon profitiert, wenn man schon am Set weiß was für eine Atmosphäre die Musik setzen und unterstreichen wird.
(3) Wenn ich nun niemanden kenne, wo suche/finde ich Komponisten?
Da gibt es im Internet unzählige Möglichkeiten. Es gibt Facebookgruppen in denen sich junge Komponisten tummeln, aber eben auch Foren wie dieses hier. Auch bei Crew United seh ich immer mal wieder ein paar Inserate die immer wieder verschwinden.
Schreib den Job an ein paar Orten aus (auch in Facebookgruppen und Foren der Filmszene z.B., genau aus dem Grund sind da nämlich auch Komponisten unterwegs), dann bin ich mir sicher dass sich da der ein odere andere melden wird.
(4) was hilft Komponisten, meine Wünsche zu verstehen, was dagegen sind leere Floskeln, mit denen man als Komponist nichts anfangen kann?
Mir hilft es immer sehr, wenn die Regisseure nicht versuchen in musikalischen Begriffen zu reden, und versuchen fachliche Empfehlungen zu geben. Das ist nicht euer Fachgebiet und es führt eher zu mehr Missverständnissen als zu Klarheit. "Diese Oboe, äh das Horn oder was das ist... auf jeden Fall ein Saiteninstrument, also ist halt ein bisschen zu laut, vielleicht ein bisschen weniger crescendo..." ist nicht nur ein wenig peinlich, sondern hilft tatsächlich kaum weiter.
Viel besser ist es wenn ihr versucht die Atmosphäre die ihr euch wünscht zu erklären und die Emotion die angestrebt wird beschreibt. "Das ist mir ein bisschen zu düster für die Szene, mir geht es an der Stelle eher darum, dass der Protagonist langsam anfängt neue Hoffnung zu fassen, nicht darum dass er gerade an seinem Tiefpunkt angekommen war" - das hilft mir sehr.
Es ist mir schon sehr oft passiert dass dem Regisseur die Musik nicht so ganz gefiel, weil ich in einer Szene eine völlig andere Bedeutung herausgearbeitet habe, als der Regisseur eigentlich haben wollte. Dann wurde ewig herumdiskutiert, bis er mir dann erklärt hat, was ihm in der Szene eigentlich wichtig war - und plötzlich war alles klar. Da hätte man viel Zeit sparen können, wenn man direkt nach dem Ursprung des Problems sucht, anstatt die Symptome zu bekämpfen.
(5) Wieviel Zeit sollte ich einem Komponisten einräumen? (regulärer Spielfilm)
So viel wie du in der Produktionsplanung Sinn ergibt. Hier gilt auch wieder: Je mehr Zeit desto besser wird das Ergebnis. Bei Vollzeitkomponisten würde ich für ein ordentliches Ergebnis etwa drei Minuten Film (nicht musik) pro Tag als absolute untergrenze rechnen. Das kommt aber natürlich absolut darauf an wie viel Musik tatsächlich benötigt wird. Mein Tipp wäre, dass du da für den Anfang der Einschätzung des Komponisten vertraust.
Jemanden der Hauptberuflich Musik schreibt wirst du dir nicht leisten können, und alle Nebenberufler und Hobbyisten haben natürlich immer wieder andere Sachen zu tun, die den Zeitplan beeinflussen und damit jegliche pauschale Angabe noch unmöglicher machen
Ich möchte musikalische Untermalung, etwas dramatisches. Kriege ich für 300€ einen Komponisten, der mir etwas komponiert und einspielt?
Ja. Aber derjenige wird es nicht wegen des Geldes machen, oder er ist ein Idiot, oder fünfzehn Jahre alt. Sei dir dessen bewusst, dass jeder der dir deinen Film für so wenig Geld vertont, dir einen Gefallen tut und nicht andersrum - und so solltest du ihn dabei auch behandeln.
. Wollte das nur klar stellen. Filmmusik kann natürlich auch untermalenden Charakter haben aber das ist nur eines der vielen Dinge, die man damit bezwecken kann.
