Ich arbeite seit 1983 auf dem Bau. Jeder Architekt ist bemüht das Angebot niedrig zu halten, damit er den Auftrag bekommt. Jeder Handwerker macht das selbe. Mittels Nachträgen versucht man wenigstens die tariflichen Mindestlöhne zu erwirtschaften, idR geht das nur noch mit Nachträgen, darin sind sich Architekten und Handwerker einig, weil beide wissen das der Auftraggeber mit den tatsächlichen Kosten nicht einverstanden ist, das muss man ihm dann im Laufe der Arbeiten eintrichtern, Stück für Stück.
Isso.
iss nicht ganz so.

jeder architekt oder handwerker kann nur so viel verdienen, wie ihm die ausschreibung das erlaubt. das heisst, man sucht gezielt nach schwachstellen in der ausschreibung - weich formulierte anforderungen usw., und nutzt sie geschickt aus.
eine "knallharte" ausschreibung schützt den auftraggeber von nachträglichen kosten.
vor dem gericht ist schon eine formulierung in der ausschreibung wie z.b. "meisterhafte ausführung" mehr als klar: das hast du eben zu liefern - für den preis den du angeboten hast, und nur für diesen preis, auf cent genau. eine "fehlerfreie ausführung" dagegen öffnet tür und tor für nachforderungen einem gauner, der weiss das so was vor dem gericht als sehr "schwammig" und für interpretationen anfällig eingestuft wird. dann kann so einer mit häme viel über mindestlöhne schwafeln, und dass es nicht anders geht.
leider werden erschreckend viele ausschreibungen (besonders im öd) so weich formuliert, dass handwerker schon vorher die hände reiben und science-fiction preise anbieten, weil sie wissen: da kann ich die baustelle monate lang im regen stehen lassen, es juckt fast keinen, aber der rubel rollt dabei kräftig...
also, so etwas wie arme handwerker die mit ach und krach mindestlöhne auftreiben müssen gibt es in deutschland nicht - oder sie überleben eben als firma nicht lang. die, die gute auftragslage haben, müssen sich nicht als arme schlucker darstellen.
gewieft war mittelstand schon immer, und schlau, besonders am bau: zement mafia, eisen mafia - nicht nur seit gestern den gerichten in deutschland bekannt...
wie gesagt: mit guten ausschreibungen hätten wir heute kein berliner fh oder philharmonie skandale am laufen.
die einzig wahre frage ist, wie absichtlich diese ausschreibungen so weich formuliert sein könnten.
aber die antwort auf diese frage werden wir bestimmt nicht bald bekommen...