Obwohl ich mich aus so etwas normalerweise heraushalte geht mir bei deinen Statements, SoulFrontier absolut die Galle hoch.
Mit welchem Recht fordern Erzieher/innen die Aufwertung? ("Kindergärtner" ist schon seit den späten 80ern ein abschätziger Begriff für diese Berufsgruppe). Nun, dazu hat Knaexle bereits einiges erklärt. Die Professionalisierung des Berufszweiges hat immens zugenommen, nicht erst seit der Einführung der Bildungs- und Erziehungspläne. Neben der individuellen pädagogischen Betreuung jedes einzelnen Kindes haben Kitas bereits seit mehreren Jahren auch einen realen Bildungsauftrag. Dass dieser in der Gesellschaft allzu häufig nicht wahrgenommen oder belächelt wird, ist ein sozialpolitisches Problem. Beschäftigt man sich nur ein kleines bisschen mit der frühkindlichen Entwicklung, so fällt auf, dass PädagogInnen eine immens größere Verantwortung für die Entwicklung des Kindes tragen als jeder Gymnasiallehrer. Wertgeschätzt wird das allerdings nicht, da einfach nicht bekannt.
Hinzu kommt eine ausführliche Dokumentationspflicht, Elternarbeit (oh ja, das ist ein extrem schweres Arbeitsfeld, glaube mir), professionelle Vor- und Nachbereitung, die Kooperation mit Jugendhilfeträgern, Frühförderstellen, Fachärzten, Schulen und neben all dem Kram hast du noch keine Minute in der Gruppenarbeit mit eingerechnet.
Zusätzlich ist das Arbeitsfeld geprägt durch einen Fachkräftemangel (aufgrund eben dieser hohen Arbeitsbelastung gepaart mit absolut unattraktivem Gehaltsausgleich oder Aufstiegsmöglichkeiten), was dazu führt dass wirklich jede Kita dieses Landes chronisch unterbesetzt ist (was wiederum dazu führt, dass die professionellen Anforderungen kaum erfüllbar sind).
Alleine der Bereich des Kindesschutzes verlangt den Fachkräften einiges ab. hast du schon einmal mit einem 4-jährigen missbrauchten / vergewaltigten Kind geredet, bei dem die Übergriffe aufgedeckt wurden weil dir etwas Spanisch vorkam, dass es dir erzählt hat? Schon mal mit Hilf des Jugendamtes ein daraufhin erfolgtes Elterngespräch geführt, bei dem der Vater ausgerastet ist und dich körperlich attackiert hat?
Schon mal im Hort dazwischen gegangen, wie ein emotional völlig labiler 7-jähriger mit einem Küchenmesser versucht hat einem Klassenkameraden den Kopf abzuschneiden (REAL versucht hat), bist den daraufhin sich auftuenden Fragen nachgegangen, wie ein Kind in diesem Alter auf eine solche Idee kommen kann? Hast die Zuarbeit für das Jugendamt gemacht, Familienanalysen erstellt, stundenlange Entwicklungsberichte geschrieben, alles neben den anderen 19 Kindern, die du tagtäglich begleiten sollst?
Nun, ich habe all das schon durch und ich bin erst für ein Jahr in der stellvertretenden Leitung einer Kita gewesen. Ich war heilfroh, als ich ins Rathaus in die pädagogische Fachberatungsstelle wechseln durfte, denn glaube mir, diesen ganzen Scheiß nimmst du mit nach Hause und selbst mit Supervision hält er dich nachts wach. Aber komisch, warum ist Burn-Out eine Pädagogische/Sozialarbeiterische Volkskrankheit? Kann ich mir nicht erklären...
Soviel grob zu den Gründen, die netten Basteltanten gibt es bereits seit Jahren nicht mehr, das gesellschaftliche Bild ist allerdings weitgehend geblieben. Und wer sich doch entscheidet, sich in diesem beruf kaputt zu ackern, der tut es schließlich aus Leidenschaft und verdient dafür nicht den Anspruch, eine Familie ernähren zu können, richtig?
Deine zweite Frage finde ich durchaus nachvollziehbarer. Warum erhebt eine Berufsgruppe den Anspruch, sich über andere zu stellen?
Entgegen deiner ersten, ich hoffe einfach aus Unwissenheit resultierenden Anmerkung ist diese Frage definitiv berechtigt.
Tatsache ist, es gibt eine Menge Berufsgruppen, denen es schlechter geht als ErzieherInnen. das führt allerdings nicht dazu, dass die Erzieher und Pädagogen keine Ansprüche geltend machen dürfen. Pflegeberufe, medizinische Berufe, all das gehört deutlich (!!!) aufgewertet und anerkannt. Tatsache ist allerdings auch, irgendwo muss man als Gewerkschaft damit anfangen und aufgrund der Bildungsdebatten der letzten Jahre befinden sich die pädagogischen Berufe aktuell in einer Situation, in der man ein Bewusstsein dafür hervorrufen kann und endlich einmal in der Lage ist, Druck aufzubauen. Danach soll nicht Schluss sein, das gesellschaftliche Bild muss sich grundlegend wandeln.
Woher soll das Geld kommen? Selbes Spiel, ich denke es besteht kein Interesse daran, die Kommunen weiter zu belasten (die durch die pädagogische Betreuung übrigens gar nicht sooo übertrieben belastet werden, da gibt's ne Menge Zuschüsse vom land, aber das ist ein anderes Thema). Das ist für mich und meine Kollegen bereits seit Jahren kein kommunales, sondern ein bundespolitisches Thema. Woher kommen die Millionen für die Bankenrettungen (allesamt in gröbstem Vorsatz aus Gewinngier hervorgerufen), woher die Millionen für Gewehre und Helikopter die nicht funktionieren? Es geht um Prioritäten. der Bundesetat für die Soziale Sicherung ist ein Witz, verglichen mit den skandinavischen Ländern, deren Erfolge wir alle so gerne in unseren Schulen und unserem Sozialsystem hätten. Und da sind wir bei einem gravierenden Unterschied zu den oben angeführten handwerksberufen. Wir sind hier nicht in der freien Marktwirtschaft, wir sind hier in der öffentlich-rechtlichen Umsetzung staaatlicher Aufträge!
Und was muss dafür geschehen? Das gesellschaftliche Bild muss sich wandeln. Und solange Menschen sich keinen Deut mit den Berufen beschäftigen und unfundierte Beschimpfungen in recording-foren heraushauen, solange sehe ich da schwarz für unser System.
Übrigens, Halbtagsjob? Wo beziehst du denn deine Fakten? In meinem Team waren 80% der Fachkräfte mit 39 Stunden angestellt, real haben wir fast alle bis zu 50 Stunden in der Woche gearbeitet, aufgrund der chronischen Unterbesetzung. Entschuldige bitte, aber bei diesen Äußerungen werd ich echt aggressiv.
Ein Schmankerl am Rande... Ich liebe die pädagogische Arbeit mit Kindern, darin habe ich etwas gefunden was mich begeistert. Aktuell studiere ich einen Master zum Sozialjuristen, ein stinklangweiliger Job... Warum? Weil meine Ex-freundin auch Erzieherin war und wir mit einem Erzieher- und einem Sozialarbeitergehalt an eine Familienplanung ohne Sorgen überhaupt nicht denken konnten.... Bravo Deutschland, dafür mache ich mich gerne kaputt.
Ah, na klar! Wieso bin ich da nicht selbst drauf gekommen. Danke für die Aufklärung! 
(weil, ob ihr nun der Meinung seit ob ein Streik gerechtfertig wäre oder nicht, hat nichts mit dem zu tun was der TE wissen wollte)
