Von Dunkel zu Hell

[artname]

Herzlichen Dank, lieber @akStudio , für die schnelle Einigung darüber, dass mehrere Sichten möglich sind!

Das bestimmt nämlich einen großen Teil meiner Schreiblust. Ich sehe natürlich ebenfalls beide Deutungsmöglichkeiten und je nach Stimmung lese ich die eine oder die andere Aussage hinein.

Und das ist ein heimliches Triebkraft mancher meiner Texte: Ich, das sind Viele. Gerade in der heutigen Zeit, wo immer mehr Menschen politische und moralische Korrektheit in der Kommunikation einfordern! Früher hätte ich u.a. auf coole Künstler oder Journalisten gehofft, die sich unerschütterlich mit den Vor- und Nachteilen verordneter Sprache widmen. Langsam beginne ich aber zu befürchten, dass derartig eigenwillige Schreiber von „Schreibrobotern“ abgelöst werden könnten und vorauseilendes Gehorsam allmählich immer mehr zur bürgerlichen Pflicht wird…. !

Mir ist recht, wenn meine Texte vielfach ausgelegt werden. Solange jeder seine eigene Wankelmütigkeit kennt und heimlich schätzt… finde ich das völlig ok!!!

 

[rho]

Lieber @rho, herzlichen Dank für deine generelle Zustimmung!

Ich frage ich mich nach dem Leben des LD. Denn sie leben ja beide das Leben des LI: "So leben wir mein Leben...". Also welche Art von Beziehung haben die beiden zueinander?

Mein lieber @rho , gerade wollte ich dir die Frage beantworten. Aber noch wichtiger erscheint MIR die Frage, wie DU dir dieses LD vorstellst. - Danach kommt meine Antwort. Aber so was von… Ach ja, und speziellen Gruß an dein „System 2“ ,* welches dir was von „Kästner“ geflötet hat!

* siehe Daniel Kahneman

Na, ich komme ja wieder reichlich spät. Und alle zwischenzeitlichen Post habe ich auch nicht gelesen.

Kurz vorweg, lieber @artname : ich interpretiere deine Anspielung auf das langsame Denksystem nach Daniel Kahneman als zurückhaltendes Kompliment. Leider habe ich seit F. A. von Hayek und Milton Friedman jeden Glauben an Theorien von Wirtschaftsnobelpreisträgern verloren. (Sorry, offtopic, musste raus.)

Das erneute Lesen deines fabelhaften Textes nach deiner Antwort führte zu der Einsicht, dass nicht nur das LD passiv ist, sondern beide. Wir erleben es aber aus der Perspektive des LI. Es hat das Interesse verloren, ohne die Ernergie für eine "Klärung der Situation" aufbringen zu können. Dass das LD trotzdem beim LI bleibt, kann sich LI nur durch eine ähnliche abwartende Ratlosigkeit (oder Kraftlosigkeit) des LD erklären. Und das ist ein denkbar schwacher Trost.

Mir fällt dazu noch ein anderer Song ein: "One of my turns" von Pink Floyd (bevor "Pink" in "The Wall" das Hotelzimmer zerlegt):

"Day after day, our love turns grey
like the skin of a dying man.
And night after night
we pretend it's alright
but I have grown older
and you have grown colder
and nothing is very much fun
anymore"

Für mich ähnlich nah dran.

offtopic EDIT: nachdem ich zur Kenntnis genommen habe, dass sich Kahnemans Theorie gegen das von von Hayek und Friedman vertretene Menschenbild des stets rationalen "homo oeconomicus" richtet, werde ich meine Haltung zu Wirtschaftsnobelpreisträgern überdenken. Ich zweifele jetzt aber auch an deinem scheinbaren Kompliment

 

[Locis]

Ich frage mich beispielsweise, warum „So leben wir mein Leben nun seit Jahren“ allgemein einseitig als ein Leben auf Kosten des LDs verstanden wird. Es könnte genau so gut auch ein Leben auf Kosten des LIs gemeint sein. Natürlich habe ich diese einseitige Sicht befürchtet, sogar bewusst provoziert. Aber der Text ist neutraler formuliert als die Interpretation vermuten lässt!!!

Ich sehe das eher im Rilkischen Sinne: Jeder lebt "sein" Leben. Selbst im Wir ist es für den einen ein Wir seines Lebens und für den anderen eben das Wir seines Lebens - klingt verwirrend, aber ist eigentlich ganz einfach.

 

[artname]

sehe das eher im Rilkischen Sinne: Jeder lebt "sein" Leben. Selbst im Wir ist es für den einen ein Wir seines Lebens und für den anderen eben das Wir seines Lebens - klingt verwirrend, aber ist eigentlich ganz einfach.

Iich weiß ja, dass du auch schreibst - deine Antwort ist eines Dichters würdig!

 

[artname]

Lieber @rho : Danke für deinen Querverweis auf Pink Floyd. Ich habe mir das Video angesehen.Obwohl meine Gedanken und Gefühle beim Schreiben eigentlich ganz andere waren, konnte ich mir zugleich meinen Text im Soundtrack zu diesen Text vorstellen.

Warum? Weil dieses Paar genauso wie mein Paar in keiner Beziehung eine ERLÖSuNG von uralten Erbsünden finden werden. Klar, der Graf der Gemeinsamkeit und Einsamkeit werden davon geprägt, ob und wie man eine Beziehung führt, aber dieses „ob“ und „wie“ führt niemals zu einer grundsätzlichen Erlösung!

Ich habe Jahrzehnte mit konkreteren Bildern nach irgendeiner (Er)Lösung gesucht. Nun finde ich langsam beim Malen meiner Bilder Ruhe und Frieden in der Darstellung von Momenten eines Spiels, dessen Regeln und Ausgang ich wohl nie erfahren werde. Je älter ich werde, um so unwissender. Aber die Schule ist Gottseidank aus: Ich fürchte mich nicht mehr vor den schlechten Zensuren Fremder! I

Sicher ist es schwer, ein Feedback zu einem Text zu erwarten, der keine Lösung anbietet. Aber ich liebe Dichter der Art von Jacques Pervert, dessen Texte und Drehbücher keine Lösungen, aber eine Menge mir bekannter Gefühle und Gedanken enthielten.

 

[Turquoise]

Den Einstieg finde ich sehr gelungen. Mehr in medias res geht nicht. Wirkt im Prinzip wie ein vorangestelltes Fazit. Wahrscheinlich ist es auch der Refrain, mit dem der Text beginnt...

Bei den Strophen schwanke ich. Nicht von der Metrik, da passt natürlich alles wie bei Mercedes. Die letzte Strophe (Wer von uns beiden...) finde ich, ist die beste. Die ist inhaltlich stark, bildhaft und trotzdem verständlich.

Die davor gefällt mir am wenigsten. Das Schweigen ein Reigen alter Geigen finde ich übertrieben. Es kommt etwas zu stark herüber, dass so eine Zeile um des Reimes willen gereimt wurde. Die Bilder sind (mir) zu kompliziert und verursachen Gehirnknoten. Zu anstrengend.

Die anderen beiden Strophen sind irgendwo dazwischen. Wobei mir die erste besser gefällt, als die zweite, bei der sich bei den letzten beiden Zeilen wieder diese unschönen Gehirnverrenkungen einstellen wollen.

Was hier diskutiert wurde, die Frage wer nun dominant ist - das LI oder das LD - da teile ich den Eindruck der meisten. Aber das ist kein Punkt, der mich stört und ich könnte auch gut damit leben, wenn es genau anders herum gemeint sein sollte.

Ein Problem habe ich eher mit dem Titel, der nicht im Text vorkommt, sich mir aber auch nicht unbedingt aus dem Text erschließt.

 

[artname]

Herzlichen Dank, @Turquoise , für dein ausführliches und treffsicheres Feedback. Damit kann ich viel anfangen! Auch, falls es ans Überarbeiten gehen sollte!

Den Einstieg finde ich sehr gelungen. Mehr in medias res geht nicht. Wirkt im Prinzip wie ein vorangestelltes Fazit. Wahrscheinlich ist es auch der Refrain, mit dem der Text beginnt...

Besonders dein (von mir markierter) Satz freut mich! Von Jahr zu Jahr spüre ich mehr, wie wichtig es ist, sich als Autor sein Anliegen selber ständig klar vor Augen zu halten. Denn nicht nur dem Leser, nein, auch mir droht ja die Gefahr, sich in der Welt der Gedanken zu verlieren.

Zumal dann, wenn man plötzlich meint, sich auf der Spur von Schopenhauer wiederzufinden, dessen Gedanke, falls ich ihn überhaupt jemals verstand, längst in mir verblasst schien: Der eigene Wille schafft die Außenwelt! - Was ja zugleich auch andeutet, wie schwer es überhaupt ist, in der Außenwelt irgendeines Anderen minutenlang einen winzigen Platz zu finden.

Bei den Strophen schwanke ich. Nicht von der Metrik, da passt natürlich alles wie bei Mercedes.

Es freut mich, dass du meinen Rhythmus zu spüren scheinst. Das Metrum ist mein Pfeifen im Keller!

Die letzte Strophe (Wer von uns beiden...) finde ich, ist die beste. Die ist inhaltlich stark, bildhaft und trotzdem verständlich.

Hier hatte ich wohl das Bedürfnis, dem Leser wenigsten einen guten Grund zu geben, noch mal zum Anfang zurück zu gehen.

Die davor gefällt mir am wenigsten. Das Schweigen ein Reigen alter Geigen finde ich übertrieben. Es kommt etwas zu stark herüber, dass so eine Zeile um des Reimes willen gereimt wurde. Die Bilder sind (mir) zu kompliziert und verursachen Gehirnknoten. Zu anstrengend.

Ja, diese Bedenken verstehe ich . Da hat sich offensichtlich das reimende Kind in mir nicht bremsen lassen. Zugleich verstand ich aber lächelnd, was es meinte. Ob ich mich auf dieser etwas egozentrischen Position ausruhen darf, muss sich noch zeigen.

Die anderen beiden Strophen sind irgendwo dazwischen. Wobei mir die erste besser gefällt, als die zweite, bei der sich bei den letzten beiden Zeilen wieder diese unschönen Gehirnverrenkungen einstellen wollen.

Klar, ich kenne diese Verrenkungen natürlich auch, wenn ich fremder Gedichte lese und mich frage: Lohnt sich denn die ganze Mühe überhaupt?

Aber dann lese ich Rilkes „Abschied“ …grüble wochenlang mit qualmenden Kopf über nachfolgende Verse:

„….Wie war ich ohne Wehr, dem zuzuschauen,
das, da es mich, mich rufend, gehen ließ,
zurückblieb, so als wärens alle Frauen…“

…und hab urplötzlich Vergnügen daran, auch mal Rilke spielen zu wollen.

Was hier diskutiert wurde, die Frage wer nun dominant ist - das LI oder das LD - da teile ich den Eindruck der meisten. Aber das ist kein Punkt, der mich stört und ich könnte auch gut damit leben, wenn es genau anders herum gemeint sein sollte.

Sag Ich doch. Danke.

Ein Problem habe ich eher mit dem Titel, der nicht im Text vorkommt, sich mir aber auch nicht unbedingt aus dem Text erschließt.

Naja, für mich macht der Titel viel Sinn. „Dunkel“ verbinde ICH u.a. immer mit rätselhaft, schwer verständlich… Ich hatte da bereits beim Schreiben eine leise Vorahnung…

Ist aber vielleicht auch eine Folge der Foren-Struktur, wo man schon mit dem Titel rufen möchte: Klick mich an!

 

[nooob]

Ich deute deine Treue

Gefällt mir gut.

 

[artname]

@nooob , Danke, dass du gerade diese Stelle hervorhebst! Sie wird wohl von Einigen einschichtiger verstanden, als sie gemeint ist.

 

[Andaraginga]

...wir warten auf Wiesen und auf Krisen und auf Spaß...

Der Satz gefällt mir und hat mich (durch seine Doppeldeutigkeit) inspiriert zu wirren Gedanken:
Kann man auf einer Krise oder auf einem Spaß warten?
Wie sähe das dann aus?

Erinnert mich ein bisschen an Fanta 4 (stehen und stehen drauf, fallen und fallen auf) oder Heinz Ehrhardt ("ich heiße Heinz und Sie willkommen").

 

[artname]

Der Satz gefällt mir und hat mich (durch seine Doppeldeutigkeit) inspiriert zu wirren Gedanken: Kann man auf einer Krise oder auf einem Spaß warten?
Wie sähe das dann aus?

Danke @Andaraginga , für deinen scharfsichtigen und amüsanten Einwurf!

Ich habe ursprünglich gezögert, diese fragwürdige Doppeldeutigkeit stehen zu lassen. Aber auch dafür gibt es ja einen lateinische Stilnamen (den ich aber suchen müsste). Und sobald ein bewusster Fehler Stilelement sein darf, habe ich natürlich Bock darauf, ihn auszuprobieren!

 

[Andaraginga]

Aber auch dafür gibt es ja einen lateinische Stilnamen (den ich aber suchen müsste). Und sobald ein bewusster Fehler Stilelement sein darf, habe ich natürlich Bock darauf, ihn auszuprobieren!

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Zeugma_(Sprache)
Zum Teil das, vielleicht noch kombiniert mit anderem.

Sorry fürs Abschweifen

 

[artname]

Zum Teil das, vielleicht noch kombiniert mit anderem.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Zeugma_(Sprache)

Nun wird aber der Hund in der Pfanne verrückt: Du, lieber @Andaraginga, hilfst mir, dem Formenfreak, auf die Sprünge der Rhetorik? - Die schönsten Überraschung des Tages!

Danke, das Zeugma meinte ich wohl speziell. - Wobei, wenn man sich näher mit Stilelementen beschäftigt, gibt es ja einige Elemente scheinbarer Sprachverstösse, die gerade einen sehr dichten Text wunderbar auflockern können. Ich wollte diese Elemente sowieso mal extra gruppieren. Dein kleiner, aber feiner Kommentar wird mich wohl endgültig dazu animieren.

 

[Turquoise]

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Zeugma_(Sprache)
Zum Teil das, vielleicht noch kombiniert mit anderem.

Das hatten wir glaube ich in der 8. Klasse. Ich werde es nie vergessen, weil:

Wir sollten Beispielsätze bilden und ein Schulkamerad (Klaus-Peter) meldete sich und sagte:

"Ich mache Hausaufgaben und meine Oma eine Wurst."

Die ganze Klasse lag am Boden.

 

[artname]

Die ganze Klasse lag am Boden.

Schöne Erinnerung… vielleicht sogar zu schön, um sich „Zeugma“ zu merken? Ich liebe gerade diese Versatzstücke und baue sie viel zu selten ein - vielleicht aus Angst, dass alle lachend am Boden liegen könnten?