Singen in einem Take?

[popnapp]

Ich bin letztens durch ein Gespräch darauf aufmerksam worden und jetzt bin ich neugierig. Wie singt ihr eigentlich einen Song? In einem Rutsch oder in viele kleine Stücke aufgeteilt?

Ich schaffe halbwegs fehlerfrei und in meinen Ohren halbwegs überzeugend meist nur einen Satz oder manchmal sogar weniger und brauche dafür oft schon drei Anläufe. Also stückel ich alles in kleine Takes, von den Dopplungen mal abgesehen. Weil die Takes sonst zu dicht hintereinander liegen, wechsel ich zudem immer zwischen zwei Spuren.

Spur1: A C E ...
Spur2: B D ...

So ungefähr.

Und jetzt würde mich interessieren, ob das alle so machen (wie ich bisher irgendwie immer annahm) oder ob ihr da anders vorgeht? Bin ich ein Sonderling oder liege ich voll im Trend?

Wie groß sind eure Abschnitte und wie viele Anläufe braucht ihr im Durchschnitt pro Take?

 

[Lobotomeandyou]

Sieht bei mir ähnlich aus.

Ich wäre nie restlos mit 'nem Gesang in einem Take zufrieden.

Die Anzahl der Anläufe hat sich im Laufe der Jahre aber enorm reduziert. Nicht, weil ich besser geworden wäre, sondern wegen des Einsatzes von melodyne.
Generell kann ich da aber keine Zahlen nennen. Das ist wirklich Formsache.
Außerdem ist mein Vox-Anspruch an den Song nicht der Allergrößte.

 

[Lacunaflow]

Und jetzt würde mich interessieren, ob das alle so machen

Denke schon.

wie viele Anläufe braucht ihr im Durchschnitt pro Take?

Manche einen, manche 20

Und wie schon erwähnt, wenn es gar nichts wird dann gibt es ja noch Melodyne, das aber eher als Notlösung.

Meistens Kopiere ich auch den Refrain weil mir nur einer richtig gut gefällt

 

[montybunker]

Kommt auch ein bisschen auf die Mukke an. Wenn es schnelle Raps sind macht im Studio meiner Meinung nach "stückeln" Sinn. Klingt letztlich kraftvoller. Deswegen ist man live ja oft von Rappern enttäuscht
Ansonsten nehmen wir immer mehrere Takes, da einfach mit der Atmung da viel machbarer ist. Wenn aber ein guter one-taker im Kasten ist sagen wir nicht nein

 

[Lacunaflow]

Deswegen ist man live ja oft von Rappern enttäuscht

Haha, ja, das merkt man wenn man mal versucht mitzusprechen und es keine Möglichkeit gibt irgendwo Luft zu holen

Das muss live ja in die Hose gehen.

 

[montybunker]

RAP GOD - Eminem
oder Sammy Deluxe.
Unmöglich!

 

[Lobotomeandyou]

Meistens Kopiere ich auch den Refrain weil mir nur einer richtig gut gefällt cool

Yep! Auch so.


Ich glaube, es ist nicht unwichtig, zu erwähnen, dass der Gesang (bei mir z.B.) ja ganz am Ende des Aufnahme- und Mischprozesses steht.
Nach hinten hin geht so allmählich die Luft raus. Da will man (ich) das Dingen auch nur noch im Kasten haben. Aber das ist natürlich auch die Frage, wer da wo seine Präferenzen hat. Als "Allrounder" kann man m.E. nicht alles gleichmäßig fein und sauber ausarbeiten. Viel zu zeit- und energieraubend.

 

[altessockenfach]

Man merkt es, wenn ein Song in hunderten von Takes aufgenommen wurde.
Er klingt dann, wenn mans gut gemacht hat, zwar perfekt, aber dafür geht ziemlich viel Gefühl verloren.

Wenn man nur einzelne Sätze aufnimmt, wird es schwer, phrasenübergreifende Spannungsbögen aufzubauen.

Ich machs inzwischen so, dass ich erstmal ein paar Durchläufe mache.
Manchmal sind grad im allerersten Take schon richtig geile Stellen dabei.

Danach nehm ich mir Strophe für Strophe vor. Aber nie nur einzelne Sätze. Ich sing die Strophe ein paar Mal. Aus denen hat man schnell einen Favoriten ausgemacht, schon beim Singen.
Den hör ich mir dann an und merke mir Stellen, die ich noch nicht gut fand.

Dann sing ich wieder die ganze Strophe und leg auf diese Stellen besonders wert.

Ab und zu macht es auch Sinn, sich nach der 3. Strophe die erste nochmal vorzunehmen.

Beim Editing hör ich mir dann Satz für Satz an und schneide das beste von allem auf eine Spur zusammen. Dafür ist btw Pro Tools der Hammer. Die Playlists machen das komfortabel ohne Ende. Gibts das bei Cubase eig auch?


Bei so richtigem Singer-Songwriter-Stuff macht man dann One-Takes, mit Gitarre. Da kann man dann auch ein bisschen schneiden, hat aber natürlich weniger Spielraum. Dafür aber bedeutend mehr Feeling.

Achso. Außerdem ist das natürlich für die Stimme Gift, nen anspruchsvollen Song mehrmals am Stück durchzusingen. Das ist ja total unökonomisch.

 

[speedtom]

Ich bin letztens durch ein Gespräch darauf aufmerksam worden und jetzt bin ich neugierig. Wie singt ihr eigentlich einen Song? In einem Rutsch oder in viele kleine Stücke aufgeteilt?

Ich schaffe halbwegs fehlerfrei und in meinen Ohren halbwegs überzeugend meist nur einen Satz oder manchmal sogar weniger und brauche dafür oft schon drei Anläufe. Also stückel ich alles in kleine Takes, von den Dopplungen mal abgesehen. Weil die Takes sonst zu dicht hintereinander liegen, wechsel ich zudem immer zwischen zwei Spuren.

Spur1: A C E ...
Spur2: B D ...

So ungefähr.

Und jetzt würde mich interessieren, ob das alle so machen (wie ich bisher irgendwie immer annahm) oder ob ihr da anders vorgeht? Bin ich ein Sonderling oder liege ich voll im Trend?

Wie groß sind eure Abschnitte und wie viele Anläufe braucht ihr im Durchschnitt pro Take?

Früher war ich ein One-Taker...jetzt nicht mehr. Der Anspruch ist höher geworden (von mir selbst - aber auch von der Umwelt) , grade der Gesang, der ja am meisten den Zuhörer erreicht, muss so gut wie möglich klingen.

Interessanterweise hab ich bei deinem letzten Remix-Contest-Song, popnapp (it's been a while) tatsächlich die Stückelung hören können. Zumindest bei der blanken Spur. Dafür klang das Timing perfekt!

 

[Dodo_I]

Ich übe den Song 2-3 mal, dann nehme ich 3 Takes auf - und entscheide mich meist für den ersten.


Klar kann man alles immer nochmal besser machen, doch ich bin ein glühender Anhänger des Pareto-Prinzips.
Zum Einen aus Zeitmangel, zum Anderen, weil des Einen 80% die130% des Anderen manchesmal "übersteigt"

 

[RK79]

Ich befasse mich auch gerade intensivst mit dem Thema. Es kam sogar soweit, dass mir die Lust am Singen vergangen ist und ich den Song nicht mehr hören konnte.
Bin gerade am lernen, für mich einen guten Weg zu finden.
Falls es die Atmung erlaubt finde ich, dass man den Take als Ganzen durchsingen sollte, was schon sehr schwierig ist, wenn man in diesem Bereich Anfänger ist. Aber das Gefühl des Gesungenen verliert man beim zusammenschneiden extrem. Also ich zumindest.

RK

 

[popnapp]

Vielen Dank erstmal für die Einblicke. Spannend!

altessockenfach schrieb:

Man merkt es, wenn ein Song in hunderten von Takes aufgenommen wurde.
Er klingt dann, wenn mans gut gemacht hat, zwar perfekt, aber dafür geht ziemlich viel Gefühl verloren.
Wenn man nur einzelne Sätze aufnimmt, wird es schwer, phrasenübergreifende Spannungsbögen aufzubauen.

Ist sicher auch Genre-abhängig. So'n richtiger Soul-Gesang mit viel Jefühl und wenig Rücksicht auf genaues Timing ist natürlich eher kein Freund von Stückelung.
Und sicher auch eine Frage des Könnens. Bei meinen Gesangsfähigkeiten bin ich mir relativ sicher, dass viel Gefühl verloren ginge, wenn ich es in einem Stück versuchte. Es würden viele Fehler drin sein und nach hinten raus würde man möglicherweise mein Bemühen hören, bloss keine Fehler mehr zu machen und eher verhalten zu singen. Also da muss man, glaube ich, richtig gut sein, bis der Nachteil, dass Kontinuität und "Gefühl" verloren geht den Nachteil, dass Fehler drin sind überwiegt. Fehler finde ich meistens ärgerlich (wenn ich sie höre, bei mir und anderen), aber ein bisschen weniger Gefühl oder einen nicht ganz perfekten Spannungsbogen kriege ich vermutlich eher selten mit, und wenn, stört es mich viel weniger.

Dodo schrieb:

Ich übe den Song 2-3 mal, dann nehme ich 3 Takes auf - und entscheide mich meist für den ersten.
Klar kann man alles immer nochmal besser machen, doch ich bin ein glühender Anhänger des Pareto-Prinzips.
Zum Einen aus Zeitmangel

Ist das so, dass 3 mal den ganzen Song singen schneller geht als x mal jeden Satz zu singen, wobei möglicherweise x ja auch oft 1 ist, wenn es beim ersten Mal gut klappt? Aber dass 80% bei dir mehr als 130% bei anderen sind, das unterschreibe ich sofort. Nur schade, dass du nicht noch 10% drauf packst, auch wenn das ein Viertelstündchen kosten würde Aber genau so sehe ich das ja eigentlich auch. Bei dem Instrumental. Da reichen mir 80% meiner Möglichkeiten meistens dicke, oft auch schon 70%. Zu viel Perfektionismus verdirbt den Spaß.

 

[popnapp]

RK79 schrieb:

Aber das Gefühl des Gesungenen verliert man beim zusammenschneiden extrem. Also ich zumindest.

Was denn eigentlich für ein Gefühl? Oder meinst du vielleicht Kontinuität, Bögen, also Atmunsbögen sozusagen? Ich glaube, so meinte das altessockenfach. Das grundsätzliche Feeling für den Song und wie man das am besten singt, geht aber doch wohl nicht durch Stückelung verloren, finde ich. Wieso sollte es? Man wird ja nicht zwischen jedem Take geblitzdingst und kann sich dann an nichts mehr erinnern. Man weiß doch, auch nach einem kurzen Stück, wie man das nächste Stück weitersingen will?

 

[Christian_30]

Comping ist Usus im Studio.

 

[popnapp]

Ist mit "Comping" die Stückelung gemeint? Mein Wikipedia faselt etwas von Begleitung im Jazz.

Aber wenn ich mir die Charthits so anhöre, wo Katy Perry so fassunglos perfekt singt, dann kann ich mir schon vorstellen, dass da vielleicht viel in großen Stücken gesungen wird aber bestimmt sehr viele Takes und man da mit einem Affenaufwand die perfekten Stellen zusammenschneidet. Aber die werden ja auch mit Goldstücken überhäuft dafür

Wäre auch mal interessant zu erfahren, wie viele Takes so eine Mrs. Perry benötigt und wie lange sie für so einen Charthit am Mikrofon steht.

 

[Christian_30]

Unter "Vocal Comping" findet man endlos Material dazu.

Unter ProTools ist es mit den Playlists total easy, man hat alle Vocaltakes untereinander liegen und kann sich die gefühlvollsten Worte, Sätze oder Extras wie ein kleines Lachen einfach aussuchen und sich einen finalen Gesangstake zusammenstellen, und das ist Comping. Man muss nur darauf achten, ob die einzelnen Schnippsel am Ende zueinander passen und der Take in sich stimmig ist.

Comping ist natürlich viel Arbeit, weil man zuerst die Takes durchhört und sich dann Phrase für Phrase entscheiden muss, in welchem Take sie am besten gesungen wurde. Aber ich finde, es lohnt sich auf jeden Fall, diese Zeit zu investieren.

 

[Realist]

Ist mit "Comping" die Stückelung gemeint?

Ich denke schon.
Bin selbst ja kein Sänger und nehme oft nur zu Demozwecken auf.
Ich singe dann meist einen Part mehrmals ein. Also Strophe, Bridge, Refrain usw.
Ich lasse auch immer einen Takt hinter und vor dem betreffenden Part laufen um "reinzukommen".
Der späteren Übersicht halber nehme ich die Parts auf verschiedenen Spuren auf.
Ich weiss jetzt nicht mit welchem Sequenzer Du arbeitest, aber bei S1 und Cubase hast Du dann mehrere Takes die in einer Spur untereinander liegen und man kann sich das Beste zusammenschneiden.
Ich versuche es aber schon möglichst zusammenhängend zu lassen.
Bei Satz für Satz würde ich glaube ich gar nicht in den "Flow" des Stückes kommen.

PS: Ich merke schon, dass mir viele interessante Gepräche beim Forentreffen durch die Lappen gegangen sind.

 

[Christian_30]

Ist mit "Comping" die Stückelung gemeint?

Ich denke schon.

Ich glaube es ist die Kurzform von "Compiling", also Zusammenstellen.

 

[speedtom]

Man wird ja nicht zwischen jedem Take geblitzdingst und kann sich dann an nichts mehr erinnern. Man weiß doch, auch nach einem kurzen Stück, wie man das nächste Stück weitersingen will?

Bin da absolut bei dir. Ich weiss schon genau, wie die Phrase / Zeile gesungen werden soll (oder wie ich es mir zumindest vorstelle wie es gesungen werden sollte), dazu bedarf es nicht, dass ich die vorige direkt davon gesungen habe.

 

[oati]

Ich glaube es ist die Kurzform von "Compiling", also Zusammenstellen.

Genau so ist es.
Im Jazz meint man mit comping hingegen "(to) accompany" - also begleiten.

Und ja, nach allem was ich weiß ist extremes comping, gerade bei vocals schon länger der Normalfall.

Dem Vernehmen nach hat z.B. den Pink Floyd Song "Have a Cigar" auf "Wish You Were Here" deshalb Roy Harper gesungen, weil Roger Waters durch die endlosen Takes für "Shine On You Crazy Diamond" nicht mehr singen konnte. Keine Ahnung ob das auch stimmt.