Du lüftest nie das Visier

[artname]

Ich möchte hier nur anmerken, dass man auch die Innenwelt über die Außenwelt beschreiben kann. Beides ist eine Kunst und keines muss schlechter sein, als das andere

Das bestreite ich gar nicht. Allein weil jede Wortwahl subjektiv ist. Oder bespielsweise die meisten Metaphern ihre Vergleiche auf die Außenwelt beziehen.
Allerdings betrachte ich hier die Beschreibung des LDs als zu oberflächlich: Er geht in Bars und wehrte sich gegen den letzten Kuß. Hm - wem das reicht... Nach Tolstoi klingt das mMn nicht.

Und noch etwas. Es ist bezüglich der Glaubwürdigkeit nicht das Gleiche, ob ich von mir sage, dass ich Hunger habe - ober behaupte, du hättest Hunger. Die Ich-Perspektive ist keine göttliche Perspektive.

Die Vermischung beider Perspektiven ist mMn in einem kurzem Songtext eher problematisch.

Wer Angst vor Problemen hat, sollte nicht texten.

Viele Duette bauen auf unterschiedliche Perspektiven zwischen Mann und Frau. Auch in sehr knappen Zeilen wie hier, in diesem wunderbaren Text.




Also ICH kann mir das auch in diesem Fall mühelos vorstellen. Mal sehen, ob ich diese Woche noch Zeit für einen Versuch finde....

 

[cosmic_tones]

Du lüftest nie das Visier

Die Tür knallt zu, ich hör dich noch
die Treppen runtergehn.
Vom Fenster aus seh ich dich an
der Haltestelle stehn.

Gleich kommt die Bahn und nimmt dich mit
ins Herz der großen Stadt.
Dort flatterst du von Bar zu Bar.
Sag, wirst du davon satt?

Du lüftest nie das Visier.
Es ist nicht einfach mit dir.
Zuweilen kränkt es mich fast,
dass dir mein Kuss grad nicht passt.
Du lüftest nie das Visier.
Hab doch Erbarmen mit mir
und zeige mir dein Gesicht.
Warum gelingt dir das nicht?

Wovon du träumst, das gibt es nicht
in Flaschen abgefüllt.
Wenn Sehnsucht ihr Gesicht versteckt,
dann bleibt sie ungestillt.

Drum hab Vertraun, wenn ich gesteh,
wie sehr ich dich begehr,
und lauf nicht weg, denn das tut weh.
Ich liebe dich so sehr!

Du lüftest nie das Visier.
Es ist nicht einfach mit dir.
Zuweilen kränkt es mich fast,
dass dir mein Kuss grad nicht passt.
Du lüftest nie das Visier.
Hab doch Erbarmen mit mir
und zeige mir dein Gesicht.
Warum gelingt dir das nicht?

Wovor musst du dich schützen? Wer tat dir je so weh,
dass ich, wenn ich dich anseh, nur die Fassade seh?

Du lüftest nie das Visier.
Es ist nicht einfach mit dir.
Zuweilen kränkt es mich fast,
dass dir mein Kuss grad nicht passt.
Du lüftest nie das Visier.
Hab doch Erbarmen mit mir
und zeige mir dein Gesicht.
Warum gelingt dir das nicht?

(Version II siehe #18)

deine verse gefallen schon , aber mann , einer muß es mal sagen - ich würde gekickt werden , wenn ich normale worte verwenden würde , es zu beschreiben , was der Punkt ist - jedenfalls für mich als Leser. es kling ein bischen rosa und teils depressive

Wiso fehlt dem am Fenster stehenden und schlafenden die kraft , der Mut , das Herz zu zeigen , das er Hellwach ist? Was zum Geier ist los mit dem "am Fenster zur bushaltestelle Blickenden" ? Fehlt ihm das selbstvertrauen , die tür aufzureißen , die treppen zu sprinten , die "wegblickende frau" zu paccken und zu leidenschaftlichen Kuß zwingend , ihren Bushaltestellen alttag versüßend . Wieso diese depressive Haltung .
Wäre sonne in dem "am Fenster Stehenden", dann hät er auch die Energie , das selbstwertgefüll und vieles mehr , das sich solch ein Text erübrigen würde .

Übrigens macht es sich im Text immer gut , Fehler bei sich selbst zu sehen , anstatt ihr die schuld zuzuweisen . sing oder schreib doch lieber positve Dinge , die zeigen , das du es verstanden hast .

schreib das du geschlafen hast, der körper ........aber jetzt biste wieder wach und blablabla .........wäre wirklich positiver, es anders anzugehen .

 

[Turquoise]

Die Vermischung beider Perspektiven ist mMn in einem kurzem Songtext eher problematisch.

Wer Angst vor Problemen hat, sollte nicht texten.

Viele Duette bauen auf unterschiedliche Perspektiven zwischen Mann und Frau. Auch in sehr kurzen Texten wie hier

Zwei Perspektiven in einem Duett vorgetragen ist je gerade keine Vermischung sondern eine ganz offensichtliche Trennung der Perspektiven.

 

[artname]

Zwei Perspektiven in einem Duett vorgetragen ist je gerade keine Vermischung sondern eine ganz offensichtliche Trennung der Perspektiven

Von welchen 2 Perspektiven spricht du eigentlich:
- Mann / Frau
- Innen / außen
- LI / LD
- Ich-Perspektive / göttliche Perspektive.
- Meinung der Figuren / Autorenmeinung

 

[Teestunde]

wäre wirklich positiver, es anders anzugehen

Bitte! Wenn es dich auf Ideen bringt, gerne! Und wenn dir meine Figuren nicht lebensecht genug sind, mach sie farbiger! Nur ich bin eben noch nicht so weit, meine Figuren so agieren zu lassen, wie du es vorschlägst. Vielleicht irgendwann mal, aber heute (noch) nicht.

@artname Das Lied ist klasse! Ich lese den Text gerade auf Italienisch, weil ich schlecht Englisch kann. Die deutsche Übersetzung erschien mir ein bisschen blass. Italienisch ist es der Hammer!

 

[artname]

@Teestunde : Siehst du die Machart? Beide betonen in knappen, ja regelrecht vorsichtigen Worten ihre Sicht auf die Trennung. Und die Hook ist ein Kracher:

Du hat kein Recht, zu fragen, was ich empfinde
Du hat kein Recht, so nett mit mir reden

Gänsehaut

Ja, alles weglassen, was die Hauptaussage nur kompliziert oder gar diskretitiert.

 

[Teestunde]

Non hai alcun diritto di chiedermi come mi sento - DAS ist genial! Ich hab das Lied gerade geteilt, damit ich es nicht wieder suchen muss. Es wird mich bestimmt noch eine Weile begleiten. So einfach! Da ist alles weggelassen, was nicht gebraucht wird.

Gänsehaut

Ja, ob du es glaubst oder nicht, genau das Problem hatte ich mal mit einem Freund. Er hat gesagt, ich soll ihn lieber anschreien, statt nach der Trennung noch so nett zu ihm zu sein. Echt!

 

[artname]

Ach, meene liebe Kollegin da hab wohl ICH nun kein Recht, nett drüber zu reden.

 

[Teestunde]

Wär ne Textidee. Heute wird das sowieso nichts mehr mit dem Weihnachtsprogramm.

 

[Turquoise]

Von welchen 2 Perspektiven spricht du eigentlich:
- Mann / Frau
- Innen / außen
- LI / LD
- Ich-Perspektive / göttliche Perspektive.
- Meinung der Figuren / Autorenmeinung

Das spielt doch keine Rolle, zwei unterschiedliche Perspektiven eben. In Teestundes konkretem Eingangstext würde ich es suboptimal finden, wenn sie selbstreflexive Innenschau und Beschreibung des Äußeren zu arg vermengen würde.
Allein der Umstand, dass das LI allein am Fenster steht und dem LD nachsieht impliziert Einsamkeit und Schmerz. Man braucht darüber also nicht noch einmal mit anderen Worten sprechen, indem man sagt, Du hast mir so weh getan etc...

 

[artname]

Mir geht noch weiter der Zusammenhang zwischen innen und außen durch den Kopf. Da gibt es ja das Haiku, welches Gefühle und Reflexionen verbietet. Nur Außenwelt ist zulässig. Und nur für die kurze Zeitspanne eines Augenblickes. Und das Ganze in minimalster Form:

fünf Silben
Sieben Silben
fünf Silben

Und trotzdem liebe ich das Haiku mehr als alle anderen Gedichteformen. Denn es verlangt in der dritten Zeile sogar eine überraschende Wendung, genannt der Nachhall.

Mit dem Weggehen ist in diesem Text eine vorhersehbare Entwicklung in Gang gesetzt, die nirgendwo für MICH unterbrochen wird. Der Text bietet mir keine Überraschung. Das lyrische Ich bietet mir keine Überraschung. Die Dichterin bietet mir keine Überraschung an. Nicht einmal die reinste Langweile , in äußerliche Kleinvorgänge zerstückelt.

Dabei gābe es aber auch wirkliche Überraschungsmöglichkeiten. das LI könnte einen, seinen Abschiedsbrief finden. Könnte dem LD heimlich ihre Wohnungs-Schlüssel weggenommen haben. Könnte sich entschließen, noch in der Nacht längere Zeit ins Ausland zu verreisen. Könnte einen Suizitversuch unternehmen. Könnte wenigstens fremdgehen. Ein Weihnachtslied mitten im Sommer schreiben. Plötzlich in sich den toten Fötus der Liebe spüren, es könnte nach Jahren der Abstinenz zur Flasche greifen. und viele andere Zuspitzung wären denkbar. Sogar, dass das LI erstmalig in der Unterwerfung ihre wahre Bestimmung, ihre wahre Liebe erkennt. Alles denkbar... aber wenn ein Song keine Überraschung enthält, langweilt er mich. Denn dann bleibt von dem Konstruktversuch nichts als das blanke Gedankengerüst, auf dem aber nichts passiert außer dem kurzen Auftauchen eines LI mit einem verhärmten Gesicht.

Man braucht darüber also nicht noch einmal mit anderen Worten sprechen, indem man sagt, Du hast mir so weh getan etc...

Solche alternative Konstrukte mögen dir ja vorschweben. Ich habe "Separate Lives" zitiert.

 

[Teestunde]

Denn dann bleibt von dem Konstruktversuch nichts als das blanke Gedankengerüst, auf dem nichts passiert,

Ich hab mal die Idee weiterverfolgt, die mir heute beim Lesen eurer Posts kam. Leider ist dabei der Ideen-Auslöser verloren gegangen (siehe #47). Aber sowas passiert sicherlich auch den Profis. Wen es interessiert, der Text ist eben eingestellt. Nicht alles stammt aus eigenem Erleben, nur ca. die Hälfte.