Du lüftest nie das Visier

  • Ersteller Teestunde
  • Erstellt am
Mir gefällt die erste Version am besten, aber du musst ja für dich selbst wissen welche du am besten findest.
 
Meinst du jetzt die allererste oder die erste bearbeitete? :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese hier:

Du lüftest nie das Visier


Die Tür knallt zu, ich hör dich noch
die Treppen runtergehn.
Vom Fenster aus seh ich dich an
der Haltestelle stehn.

Gleich kommt die Bahn und nimmt dich mit
ins Herz der großen Stadt.
Dort flatterst du von Bar zu Bar.
Sag, wirst du davon satt?

Du lüftest nie das Visier.
Es ist nicht einfach mit dir.
Zuweilen kränkt es mich fast,
dass dir mein Kuss grad nicht passt.
Du lüftest nie das Visier.
Hab doch Erbarmen mit mir
und zeige mir dein Gesicht.
Warum gelingt dir das nicht?

Wovon du träumst, das gibt es nicht
in Flaschen abgefüllt.
Wenn Sehnsucht ihr Gesicht versteckt,
dann bleibt sie ungestillt.

Drum hab Vertraun, wenn ich gesteh,
wie sehr ich dich begehr,
und lauf nicht weg, denn das tut weh.
Ich liebe dich so sehr!

Du lüftest nie das Visier.
Es ist nicht einfach mit dir.
Zuweilen kränkt es mich fast,
dass dir mein Kuss grad nicht passt.
Du lüftest nie das Visier.
Hab doch Erbarmen mit mir
und zeige mir dein Gesicht.
Warum gelingt dir das nicht?

Wovor musst du dich schützen? Wer tat dir je so weh,
dass ich, wenn ich dich anschau, nur die Fassade seh?

Du lüftest nie das Visier.
Es ist nicht einfach mit dir.
Zuweilen kränkt es mich fast,
dass dir mein Kuss grad nicht passt.
Du lüftest nie das Visier.
Hab doch Erbarmen mit mir
und zeige mir dein Gesicht.
Warum gelingt dir das nicht?
 
Für die Version gibt es auch schon einen Interessenten. :)
 
Bin gespannt was daraus wird :)
 
Hat der Komponist was dagegen wenn ich auch mal eine kleine Skizze erstelle? Hab da was im Kopf :)
 
Oh, da musst du dich mit RockIngenieur verdrahten, er hat auch schon was im Kopf dazu. Ich weiß nicht, wie er zu Mehrfachvertonungen steht. Ich persönlich wäre neugierig auf die unterschiedlichen Sichtweisen. :)
 
Hallo,

diese Version gefällt mir schon viel besser.
Weil bei dieser Version nicht das LD angeklagt wird und schuldig gesprochen wird, sondern die Verantwortung für die Situation wieder auf das LI zurückgespielt wird, das ja das alles mit sich machen lässt und noch "Danke" dazu sagt.

Die Situation ist sehr schön beschrieben, ein Ausweg oder Lösung ist nicht dargelegt.
Das braucht es aber auch nicht.
Es geht ja darum, so eine Situation darzustellen.
Gelungen.

Gruss

Hier mal die drastische Version. Meinungen? :)

Dein Leben ändert sich nicht

Die Tür knallt zu, ich höre dich
die Treppen runtergehn.
Vom Fenster aus seh ich dich
an der Haltestelle stehn.

Gleich kommt die Bahn und nimmt dich mit
ins Herz der großen Stadt.
Dort flatterst du von Bar zu Bar.
Ich habe das so satt!

Dein Leben ändert sich nicht,
nur meins wird grau und zerbricht,
wenn ich lethargische Kuh
nicht endlich irgendwas tu.

Ich frag nicht mehr, woran es liegt
und was dich diesmal nervt.
Weil man eh keine Antwort kriegt.
Der Ton wird nur verschärft.

Du lüftest niemals dein Visier,
es ist dein zweites Ich.
Ertränke deinen Frust in Bier
und such nach wasweißich.

Dein Leben ändert sich nicht,
nur meins wird grau und zerbricht,
wenn ich lethargische Kuh
nicht endlich irgendwas tu.

Ich wollte dich mit meiner Liebe retten
vor Alkohol und zu viel Zigaretten.
Ich wollte deine raue Schale sprengen.
Heut könnte ich mir dafür eine sengen.

Dein Leben ändert sich nicht,
nur meins wird grau und zerbricht,
wenn ich lethargische Kuh
nicht endlich irgendwas tu.
 
Turquoise schrieb:
Die ersten beiden Strophen und die erste Strophe nach dem Refrain sind für mich klassische Teestunde-Erzählstrophen. Einfach das Geschehen beobachtet und beschrieben, mit ein paar wenigen inneren Einsprengseln.

Da stimme ich Turquoise ausdrücklich zu. Auch dieser Text verliert sich mMn zu sehr in der Außenwelt. Aber die Außenwelt (hier: das lyrische Du) ist immer ein Meer aus unzähligen Tropfen. Wer kann und will sich denn mit fremden Tropfen identifizieren?

Viel wichtiger erscheinen mir die Gefühle und Gedanken eines lyrischen Ichs, das täglich mit all seinen egoistischen Hoffnungen und Ängsten auf dieses Meer hinaus muss. Dein Lied ist zwar in der Ich-Perspektive geschrieben - aber dieses lyrisches Ich hat spürbar zu wenig Lust, über sich zu reden!

Ich meine, du verlierst erheblich Gestaltungskraft, wenn dein LI sich im Prinzip nur über die Außenwelt definiert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich meine, du verlierst erheblich Gestaltungskraft, wenn dein LI sich im Prinzip nur über die Außenwelt definiert.
Diesen Klasse-Satz steck ich mir hinter den Spiegel! Es scheint mein Hauptproblem zu sein. Als Lehrerkind bin ich wahrscheinlich zu sehr darauf geeicht, herauszufinden, WIE jemand etwas meint. Danke für deine wirklich sehr zutreffenden Bemerkungen, @artname. :)
 
Liebe @Teestunde : Ich kenne diese Schwäche selber nur zu gut. Es ist viel banaler, das Du als Missetäter zu zeigen, als konsequent über das eigene Gefühl der Schwäche zu schreiben. ;-) Das betrifft nicht nur die Kunt.

Weil mich das nachfolgende Schreibploblem selber natürlich auch tangiert, stelle ich auch meine Sicht und Vorschläge sehr interessiert zur kritischen Diskussion.

Meine These: Das LD zeigt doch deutlich sein Gesicht, wenn es den Kuss des LIs ablehnt. Du schreibst:
flatterst du von Bar zu Bar.
Sag, wirst du davon satt?
Hier leitest du mit einer komischen Frage zur Hauptaussage, zum Refrain, über. Es geht doch nicht ums "Sattwerden", sondern um die Befriedigung des Bedürfnisses, geliebt zu werden.

Würde die rhetorischen Frage hingegen lauteb: "Befriedigt dich das?!" - führte sie mich automatisch zu der Antwort: Dich vielleicht - MICH NICHT! Und schon sind wir bei der entscheidenden Passage: Nun müsste nämlich das LI das Visier öffnen und bei seinen eigenen Sehnsüchten und Entscheidungsdruck bleiben! Aber was folgt bei Dir?

Du lüftest nie das Visier.
Es ist nicht einfach mit dir.
Zuweilen kränkt es mich fast,
dass dir mein Kuss grad nicht passt.
Statt Entscheidungsdruck - Resignation! Das LI bittet scheinbar nur noch um die Gnade, nicht so oft gekränkt zu werden.
Du lüftest nie das Visier.
Hab doch Erbarmen mit mir
und zeige mir dein Gesicht.
Warum gelingt dir das nicht?
Nun wird aus der Vermutung Gewissheit: Es geht hier nur noch um nacktes Erbarmen.

Wovon du träumst, das gibt es nicht
in Flaschen abgefüllt.
Wenn Sehnsucht ihr Gesicht versteckt,
dann bleibt sie ungestillt.
Hier wird bei Lichte gesehen über das Problem des Textes geschrieben! Denn das Problem selbst steckt in einer Rüstung, denn nicht das Opfer, sondern der Täter soll entscheiden!

Drum hab Vertraun, wenn ich gesteh,
wie sehr ich dich begehr,
und lauf nicht weg, denn das tut weh.
Ich liebe dich so sehr!
Genau genommen eine schwache Lösung: Warum sollte das zärtlichkeitsüberdrüssige LD dem Begehren des LIs vertrauen? Offensichtlich zieht es ihn doch in Bars...

Ich kann es drehen, wie ich will: Nicht das LD, sondern das LI steht vor einer Entscheidung.

Wovor musst du dich schützen? Wer tat dir je so weh,
dass ich, wenn ich dich anschau, nur die Fassade seh?

Ja, liebe AutorInnen: Fassaden bleiben Fassaden. Da hat ihr den Salat! :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich glaube, das LI will seine eigene Abhängigkeit nicht wahrhaben. Es münzt sich etwas in Liebe um, damit die Situation nicht unerträglich wird. Damit schiebt es dem LD den Schwarzen Peter zu, anstatt, dass beide an der Beziehung arbeiten, so nach dem Motto: An mir liegt es nicht, ich liebe dich nach wie vor. - Wirklich?
@artname Wie findest du die überarbeitete Version. Glaubwürdiger? :)
 
Beide Versionen haben mMn den gleichen Fehle. Siehe oben.

Als Publikum liebe ich Autoren, die meine Beobachtungen und Reflektionej betroffen oder ironisch spiegeln. Gerade hörte ich auf Inforadio einen deutschen Bestsellerautoren folgendes sagen: “ Wenn es beim Schreiben mühsam wird, habe ich meine Idee verloren oder eine falsche Perspektive gewählt. - Dann ändere ich schnell den Betrachtungswinkel... und plötzlich schreibt sich alles wie von selbst...."

Vielleicht solltest du (zunächst nur für dich) die Situation mal als Duett schreiben. Also aus ihrer UND seiner Sicht.
 
Vielleicht solltest du (zunächst nur für dich) die Situation als Duett schreiben. Also aus ihrer UND seiner Sicht.
Oh! Die Idee muss ich erst mal beiseite legen. Im Moment bastle ich mal wieder an meinem Weihnachtsprogramm.
Es ist schwer, die Perspektive zu wechseln. Man kommt nicht los aus der Ecke, in die man sich gestellt hat. Was heißt "man" - "ich"!
 
Ich überlege mir derartige generelle Problem immer beim Aufwachen, wenn der Kopf noch unschuldig denkt.

Könnte es sein, dass auch in Weihnachtsliedern oft eine Falle steckt? Wenn wir versuchen, unserem Gott (oder seinem Sohn) fälschlicherweise die Verantwortung zuzuschieben, für uns zu entscheiden?

Warum sollte der Versuch eines Duettes nicht konstruktiv auf ein Weihnachtsprogramm zurück wirken können? :)

Edit

Ich glaube, das LI will seine eigene Abhängigkeit nicht wahrhaben. Es münzt sich etwas in Liebe um, damit die Situation nicht unerträglich wird. Damit schiebt es dem LD den Schwarzen Peter zu, anstatt, dass beide an der Beziehung arbeiten, so nach dem Motto: An mir liegt es nicht, ich liebe dich nach wie vor. - Wirklich?

Ich schreibe gerade von Autor zu Autorin. Und ein Autor sollte alle seine Figuren gleichwertig lieben. Nicht nur die, die pflegeleicht erscheinen. Sonst ist ja vom ersten Wort an beim Schreiben klar, wohin die Reise geht. Mein Thema wäre nicht "EIN Visier"... sondern eher "ZWEI Farben Einsamkeit."...
 
Zuletzt bearbeitet:
Mein Thema wäre nicht "EIN Visier"... sondern eher "ZWEI Farben Einsamkeit."...
Das ist schön. Zumal das LI ja auch nicht sein Visier lüftet. Es verschanzt sich hinter seiner "Liebe".
Warum sollte der Versuch eines Duettes nicht konstruktiv auf ein Weihnachtsprogramm zurück wirken können?
Ja. Das kam mir vorhin auch in den Sinn. Auf alle Fälle würde es helfen, Abstand zu gewinnen. Zu beiden Texten. Ich versuch's mal. :)
 
Hier mal eine erste Skizze. Aber so richtig nach "Innen" bin ich (noch) nicht vorgedrungen. :)

Zwei Farben Einsamkeit

Sie:
Die Tür knallt zu, ich höre dich
die Treppen runtergehn.
Vom Fenster aus seh ich dich
an der Haltestelle stehn.

Gleich kommt die Bahn und nimmt dich mit
ins Herz der großen Stadt.
Dort flatterst du von Bar zu Bar.
Ich habe das so satt!

Dein Leben ändert sich nicht,
nur meins wird grau und zerbricht,
wenn ich dir nicht ganz, ganz schnell
den Koffer vor die Tür stell.

Er:
Ich frag nicht mehr, woran es liegt
und was dich diesmal nervt.
Weil man eh keine Antwort kriegt.
Der Ton wird nur verschärft.

Ich lasse dir dein Selbstmitleid,
lass du mir meine Bars,
sonst heißt es nur, ich suche Streit.
Dann heulst du und das war’s.

Dein Leben ändert sich nicht,
nur meins wird grau und zerbricht,
wenn ich dir nicht ganz, ganz schnell
den Koffer vor die Tür stell.

Sie:
Ich wollte dich mit meiner Liebe retten
vor Alkohol und zu viel Zigaretten.
Ich wollte deine raue Schale sprengen.
Heut könnte ich mir dafür eine sengen.

Er:
Ich brauche keinen Engel, der mich rettet
und der mich an sein nettes Lächeln kettet,
der mich erpresst mit seiner braven Masche.
Kaum will ich was, zerfällt dein Face zu Asche.

Beide:
Dein Leben ändert sich nicht,
nur meins wird grau und zerbricht,
wenn ich dir nicht ganz, ganz schnell
den Koffer vor die Tür stell.
 
Der Satz beschäftigt mich, dass mein LI sich (nur) über die Außenwelt definiert. Ich glaube, das tue ich auch. Reflexionen sind nicht meine Sache. Eigentlich bin ich ganz zufrieden damit. :)
 
Auch dieser Text verliert sich mMn zu sehr in der Außenwelt. Aber die Außenwelt (hier: das lyrische Du) ist immer ein Meer aus unzähligen Tropfen. Wer kann und will sich denn mit fremden Tropfen identifizieren?

Viel wichtiger erscheinen mir die Gefühle und Gedanken eines lyrischen Ichs, das täglich mit all seinen egoistischen Hoffnungen und Ängsten auf dieses Meer hinaus muss. Dein Lied ist zwar in der Ich-Perspektive geschrieben - aber dieses lyrisches Ich hat spürbar zu wenig Lust, über sich zu reden!

Ich meine, du verlierst erheblich Gestaltungskraft, wenn dein LI sich im Prinzip nur über die Außenwelt definiert.
Ich möchte hier nur anmerken, dass man auch die Innenwelt über die Außenwelt beschreiben kann. Beides ist eine Kunst und keines muss schlechter sein, als das andere.

Ich finde für den Text sollte @Teestunde sich auf eine Perspektive beschränken; welche ist nicht so wichtig. Die Vermischung beider Perspektiven ist mMn in einem kurzem Songtext eher problematisch.

Die ursprünglichen beiden ersten Strophen haben mir jedenfalls am besten gefallen. Sie nötigen dem Zuhörer nicht unbedingt das Innenleben auf, schließen ihn aber auch nicht davon aus.
 
Die Vermischung beider Perspektiven ist mMn in einem kurzem Songtext eher problematisch.
Das ist mir auch in den Sinn gekommen. Ich hab es probiert und fand das LD plötzlich viel sympatischer, hatte aber nicht genug Raum, das auszuspinnen. Der Text wäre insgesamt viel zu lang geworden. War trotzdem interessant, wie schnell sich die Haltung zu den Figuren ändert, sobald man versucht, sich in die Schuhe des Anderen zu stellen. :) Ich glaube, es ging nur darum, dass ich diese Übung FÜR MICH machen soll. :)
 

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