Zeitmaschine!
Ich hab nicht von der Musik geredet, sondern von dem Genre. Das ist in den 80ern entstanden.
Nope! Synthwave ist in den Nullerjahren entstanden und hat
musikalisch überhaupt keinen Bezug zu den 80ern. Diese Dekade wird lediglich thematisch aufgegriffen, und das auch nur in Bezug auf Arcadespiele und Filme. Es gab in den 80ern schlichtweg kein Synthwave. Das Genre ist relativ neu.
A] Synthwave
Old-School-Synthwave ist wie gesagt in den Nullerjahren entstanden und nimmt Bezug auf die akustische Untermalung der Arcade-Spiele der 80er. Dieser Sound ist durch das Computerspiel "Grand Theft Auto: Vice City" um 2002 herum wieder populär geworden. Um 2010 herum ist das Genre mit Elementen der Filmmusik des dystopischen Sci-Fi-Genres aus den 80ern erweitert worden. Es haben sich zwei Hauptlinien herausgebildet:
1. Outrun und
2. Carpenter-Style.
1. Outrun
Die Bezeichnung "Outrun" nimmt konkret Bezug auf das Autorenn-Arcade-Spiel namens Out-Run aus dem Jahre 1986. Musikalisch charakterisierend ist der anregende Bass- und Drumrhythmus, der mit Geschwindigkeit und "Action" assoziiert werden soll. Hier das Original:
Klanglich (und technisch) im neuen Jahrtausend angekommen, klingt das ganze dann so:
Auffällig für frühes Outrun ist, dass die Bezeichnung der Titel häufig Bezug auf eben jenes Spiel nimmt und assoziative Begriffe aus dem Rennsport genommen werden, wie in dem Stück oben z.B. "Accelerated" (dt. "Beschleunigt"). Mit der Zeit wurde dann aber Tempo herausgenommen und die Stücke wurden ruhiger. Das spiegelt sich dann auch in den Titeln wieder (nicht aber in den Videos):
Als Analogie für Outrun wird sehr häufig auch der Titel "Nightcall" von Kavinsky genannt. Das Stück wurde als Titelmelodie und sequenziell als Untermalung im
Film "Drive" (2011) benutzt, in dem es um einen Anti-Helden geht, der sich als Fluchtfahrer bei Überfällen Rennen mit der Polizei liefert - also auch da die Assoziation zum Arcade-Rennspiel.
Auffällig ist, wie weit sich dieses Outrun musikalisch bereits von den Urspügen entfernt hat, unter anderem durch den Gesang.
2. Carpenter-Style
Carpenter-Style ist von der Stimmung und Thematik her an die dystopischen Sci-Fi-Filme der 80er angelehnt und eher hart und düster (daraus sind dann Cyberpunkt bzw. "DarkSynthwave" entstanden). Warum man ausgerechnet Carpenter als Synonym für diese Subgenre gewählt hat, ist mir allerdings nicht so ganz schlüssig, da er weder der Regisseur für Filme wie z.B. Blade-Runner oder Robocop noch bekannt für das Sujet Cyberfuture (a.k.a Cyberpunk) ist. Im wesentichen ist er für seine Horror-Filme bekannt, und es scheint wohl hauptsächlich um Stimmung und Atmosphäre der Filme zu gehen, die musikalisch wiedergespiegelt werden sollen. Typisch dabei sind die sich immer wiederholenden Riffs (vor allem im Rhythmus-Bass), dem gleichbleibenden 4/4 Rhythmus und die Verwendung von Synths statt der sonst zu der Zeit üblichen Filmorchester.
Durch die Vermischung von Outrun mit der für Carpenter typischen Musik ist dann der Carpenter-Style entstanden:
Während Old-School-Synthwave mit Outrun von Seiten der Arcade- und Computerspiele kommt, ist der rund 10 Jahre später entstandene Carpenter-Style stark durch das Film-Genre beeinflusst. Die Vertreter beider Gruppen nehmen für sich in Anspruch, dass es sich jeweils um Synthwave handelt. Musikalisch gibt es tatsächlich zwar Überschneidungen, aber auch z.T. heftige Widersprüche, die logisch nicht aufgelöst werden können. Da geht es dann eher darum, wer die Definitionshoheit besitzt. Dieser Konflikt spitzt sich dann nochmals erheblich zu, wenn auch andere Stilrichtungen plötzlich für sich in Anspruch nehmen, es würde sich um Synthwave handeln.
Synthwave wird häufig, aber leider genau so häufig falsch, synonym für "Synthesizer-Musik" + "I
rgendwas mit den 80ern" benutzt. Das aber ist grundlegend falsch.
Tatsächlich hat Synthwave musikalisch einen ganz klar definierten Aufbau und eine ebenso klar definierte Klangcharakteristik. Auf das, was die musikalische und tonale Stimmungs-Charakteristik ausmacht, will ich an dieser Stelle aber nicht weiter eingehen, weil alleine das ein ganzes Buch füllen und wieder sinnlose Diskussionen vom Zaun brechen würde.
B] Retrowave
Retrowave hingegen nimmt sehr wohl
musikalisch Bezug auf die 80er, bildet typische Akkordfolgen und Synthsounds dieser Zeit nach. Retrowave umspannt eine Vielzahl an Genres, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie in den 80ern beliebt waren: Synthpop (Pet Shop Boys) genau so wie New Wave (Depeche Mode) genau so wie Miami-Style (=Einflüsse lateinamerikanscher Genres). Und vieles mehr.
Im Gegensatz zum Synthwave, den es als Musikrichtung in den 80ern nicht gegeben hat, versucht der Retrowave (retrospektiv) Stücke zu kreieren, die es in den 80ern tatsächlich gegeben haben könnte. Das ist im Wesentlichen der Unterschied.
Ein recht gelungenes Beispiel für Retrowave ist "
True Survivor" von David Hasselhoff. Ja, man muss ihn oder die Musik nicht mögen, aber wenn man sich fragt, von wann das Stück ist, dann ist dem Producer der Retrowave gelungen.
(2015!)