Absolutes Gehör Teil II - ein Muss fuers Komponieren?

[synthpark]

Wenn man sich die Liste der Komponisten ansieht, welche absolutes Gehoer hatten,

Mozart, Beethoven, Bach, Händel, Chopin, Skrjabin, Shostakovich, Prokofjev, Webern,
Bartok, Messiaen, Saint-Saens, Liszt,

um einige zu nennen, dann koennte man glatt zu der Auffassung kommen, dass das absolute Gehoer Grundvorraussetzung ist, um wirklich gut zu komponieren.

Welche ganz grossen Komponisten hatten denn KEIN absolutes Gehoer?

Befaehigt ein absolutes Gehoer eine hoehere musikalische Vorstellungskraft?

Die Frage hab ich mir schon zu Schulzeiten gestellt. Was meint Ihr?

 

[Ishido]

Befaehigt eim absolutes Gehoer eine hoehere musikalische Vorstellungskraft?

vom absoluten gehör in punkto töne exakt nach hören zu benennen bin ich lichtjahre entfernt...auf der anderen seite kann ich töne die ich im kopf höre (neben den stimmen, die da noch dazwischen quatschen) treffsicher auf dem keyboard umsetzen...keine ahnung, ob das unter "absolutes gehör" fällt?

aber es erleichtert mir so ziemlich alles beim komponieren...äh...loops abfeuern

ach....und manchmal rauben mir minimal "schiefe" töne den nerv...die wiederum werden von anderen noch nicht mal ansatzweise wahrgenommen...absolutes gehör dann doch?...oder korinthenkacker?

 

[Spotswood]

Früher wurde niemand ohne absolutes Gehör musikalisch ausgebildet, dass ist in erster Linie der Grund, warum Du kaum klassische Komponisten finden wirst die keins hatten, allerdings muss man auch dazu sagen, dass dies nicht bei allen Komponisten auch zweifelsfrei belegt ist.

Ansonsten... Brahms, Wagner, Ravel, Strawinsky, Ligeti... die mir spontan einfallen, aber es gibt sicher mehr wenn man etwas recherchiert.

Und man darf nicht vergessen, dass komponieren bzw. allg. Kunst von Innovation und Kreativität lebt und da gibt es tausende wesentliche wichtigere Fähigkeiten. Ich kenne einige Leute mit absolutem Gehör und da ist von super schlecht und langweilig, mittelmäßig bis Oberklasse alles dabei, also genauso wie auch bei den Musikern ohne absolutes Gehör

 

[synthpark]

vom absoluten gehör in punkto töne exakt nach hören zu benennen bin ich lichtjahre entfernt...auf der anderen seite kann ich töne die ich im kopf höre (neben den stimmen, die da noch dazwischen quatschen) treffsicher auf dem keyboard umsetzen...keine ahnung, ob das unter "absolutes gehör" fällt?

keine Ahnung. meinst du, dass du ein E hoerst und dann immer weisst, dass es ein E ist und immer auf Anhieb die richtige Taste anschlaegst? Das waere absolutes Gehoer. Wenn du eine Melodie im Kopf hast und setzt die am Klavier um, das kann man auch mit dem relativen Gehoer gut bewerkstelligen.

@Spotswood:

Danke fuer deinen Beitrag. Gibt es eine Liste, wo man sieht, wer und was? Ich muss zugeben, dass ich immer so einen kleinen Komplex wegen meines relativen Gehoers hatte. Klingt vielleicht absurd, aber wenn man Musik Leistungskurs hatte und erwaegt, eventuell was beruflich damit zu machen, dann tauchen auch solche Fragen auf (mein Klavierspiel war allerdings das weitaus groessere Problem).

Innovation und Kreativitaet sind wichtig, aber das Handwerk ist genauso wichtig. Stimmen gut setzen etc., dabei koennte ich mir vorstellen, dass das absolute Gehoer hier Vorteile verschafft, genauso wie ein Super Gedaechnis. Und eben die Vorstellungskraft, viele Stimmen gleichzeitig hoeren, etc.

 

[Ishido]

Wenn du eine Melodie im Kopf hast und setzt die am Klavier um, das kann man auch mit dem relativen Gehoer gut bewerkstelligen.

also bin ich doch nicht mozart...mist

 

[TinDD]

Also ich denke ein absolutes Gehör hilft nicht beim Komponieren. Es spricht hier natürlich ein Blinder über das Sehen. Aber ich denke ein relatives Gehör reicht aus. Dass so viele Komponisten doch eins hatten geht wahrscheinlich einfach häufig mit der Musikalität einher, ist aber keine Voraussetzung.

 

[EarlGrey]

Irgendwie musste ich gerade sehr schmunzeln, als ich die Frage las.

Warum in aller Welt sollte ein absolutes Gehör fürs Komponieren wichtig sein? Ich wette, niemandem fällt ein einleuchtender Grund ein.

Mit relativem Gehör kann man Melodien und Harmonien erkennen und Musik alleine vom Hören her analysieren.

Auch mit relativem Gehör können einem verschiedene Tonarten wie verschiedene Farbtöne vorkommen (hilft mir oft, wenn ich Tonarten rate - Bb ist warm, C hell und strahlens, D irgendwie pink - kann ich nicht ausdrücken, Eb dunkel).

Ob jemand mit absolutem Gehöer wirklich alle Noten aus einem Orchesterstück heraushören und notieren kann, weiß ich nicht. Es kommt mir manchmal wie ein Mythos vor, der sich hartnäckig hält. Ok, aber Partituren studieren hilft genauso...

Und fürs Komponieren kann man sich auch ohne absolutes Gehör je nach Übung musikalische Fragmente bis ganze Musikstücke im Kopf vorstellen. Da greift man auf analytische Fähigkeiten und Hörerfahrungen zurück. Wissen, Erfahrung, Kreativität und Ausdauer sind nötig, wenn man wirklich anspruchsvolle Sachen komponieren will. Von mir aus kann man auch sagen, eine mathematische Begabung hilft auch dabei. Aber ob etwas gut oder schlecht ist, kann auch jeder ohne absolutes Gehör beurteilen.

 

[Weintraube]

Ich habe da etwas Interessantes entdeckt.

http://m.faz.net/aktuell/wissen/mensch-gene/musikalitaet-der-fluch-des-kammertons-1825981.html

 

[synthpark]

Warum in aller Welt sollte ein absolutes Gehör fürs Komponieren wichtig sein? Ich wette, niemandem fällt ein einleuchtender Grund ein.

Ich habe nur den Statistiker raushaengen lassen und halt festgestellt, wie andere, dass da eine gewisse Korrelation besteht aus absolutem Gehoer und musikalischem Erfolg bei Komponisten.

Mag sein, dass es stimmt, was Spotswood sagt, naemlich dass frueher Jugendliche ohne absolutes Gehoer in manchen Erdteilen nicht ausgebildet wurden. Das wuerde zumindest einiges erklaeren. Aber wenn man manche Wunderkinder betrachtet, dann hatten die meist absolutes Gehoer und waren zudem noch kreativ.

http://de.wikipedia.org/wiki/Absolutes_Gehör

Der Wiki Eintrag ist auch sehr interessant. Dort unterscheidet man verschiedene Stufen des absoluten Gehoers. Ausserdem scheint es zu helfen, wenn das Kind mit Musik und Musikinstrumenten sehr frueh in Beruehrung kommt. Manche Theorie geht davon aus, dass man dieses Gehoer als Kind haben mag und dann meist verlernt, zum Beispiel weil das Lied falsch angestimmt wird, etc.

Um auf die Frage zu kommen:

ich kann mir durchaus vorstellen, dass wenn man eher aus der Vorstellung heraus komponiert, und nicht so sehr am Instrument, und man betreibt wilde Modulationen in andere Tonarten, mag es vielleicht fuer die Orientierung und Klanbgvorstellung von Vorteil sein, dieses Gehoer zu haben, vor allem wenn man einen komplexeren Akkord dann absolut hoeren kann, ohne sich anhand der Tonleiter und harmonischen Verhaeltnisse orientieren zu muessen. Das Ohr ersetzt dann quasi das Instrument, wenn man es als solches gebrauchen kann. Man muss sich keine Bruecken bauen, man muss nichts rechnen, man hoert einfach aus der inneren Vorstellung heraus! Das waere fuer jeden das beste.

 

[sts]

Welche ganz grossen Komponisten hatten denn KEIN absolutes Gehoer?

Und welche Personen mit absolutem Gehör sind keine großen Komponisten?

Nein, ich sehe ähnlich wie EarlGrey zunächst keinen Grund, warum die These, dass ein absolutes Gehör eine Grundvoraussetzung für gutes Komponieren ist, zutreffen sollte. Ebenso wenig halte ich es für plausibel, dass es die Ursache für "höhere musikalische Vorstellungskraft" (was auch immer das ist) ist. Ich meine auch nicht, dass man das begründen muss, sondern dass man vielmehr umgekehrt begründen müsste, warum die Ausgangsthese zutreffen könnte.

Ich habe nur den Statistiker raushaengen lassen und halt festgestellt, wie andere, dass da eine gewisse Korrelation besteht aus absolutem Gehoer und musikalischem Erfolg bei Komponisten

Tja, der Statistiker sagt aber auch: Correlation does not imply causation.

 

[NFM]

Schönen Guten Abend @all!
Bin schon seit längerem Mitleser hier, hab mich nun registiriert um auch mal mitposten zu können...

Vielleicht hilft ja zur Beantwortung der Frage, daß einer der größten Komponisten aller Zeiten, nämlich Beethoven, zum Ende seines Schaffens nahezu taub war. Höhere Töne wie etwa von Violinen konnte er gar nicht mehr hören.
Seine 9. Sinfonie hat er meines Wissens nicht mehr am Instrument komponiert, sondern ausschließlich als Partitur niedergeschrieben.

Desweiteren glaube ich zu wissen, daß ein absolutes Gehör keinesfalls angeboren ist, sondern "lediglich" das Talent dazu gegeben sein muss.
So ist jemand mit absolutem Gehör wohl in erster Linie fähig, sich an Töne exakt und frequenzgenau erinnern zu können.
Aber diese Erinnerung muss immer wieder aufgefrischt, das Gehör quasi immer wieder neu justiert werden.
Dazu war Beethoven zum Ende hin nicht mehr in der Lage.
Aber eben immer noch fähig zu komponieren!

 

[synthpark]

Ich habe da etwas Interessantes entdeckt. http://m.faz.net/aktuell/wissen/mensch-gene/musikalitaet-der-fluch-des-kammertons-1825981.html

sehr interessant, gerade durchgelesen. Vor allem, die Sache mit Asien und der Rate der absoluten Hoerer. wow.

@NFM

ok, da gibt es aber verschiedene Formen des abs. Hoerens, genetisch bedingt oder auch nicht. Bei manchen scheint es keine Verstimmschwierigkeiten zu geben. Der Artikel ist gut, gibt ein wenig Aufschluss ueber das Thema. Beethoven gehoert aber auch zu den Absolut Hoerern, auch wenn er am Ende nichts mehr gehoert hat. Es ist vielleicht so, wie mit einer Landkarte. Wenn man die Karte verinnerlicht hat, dann braucht man sie nicht mehr anzuschauen.

 

[Spotswood]

Warum in aller Welt sollte ein absolutes Gehör fürs Komponieren wichtig sein? Ich wette, niemandem fällt ein einleuchtender Grund ein.

Ich habe nur den Statistiker raushaengen lassen und halt festgestellt, wie andere, dass da eine gewisse Korrelation besteht aus absolutem Gehoer und musikalischem Erfolg bei Komponisten.

Welche Statistiken ? Bisher sehe ich nur Vermutungen und selektive Wahrnehmung.

 

[Tom81]

vom absoluten gehör in punkto töne exakt nach hören zu benennen bin ich lichtjahre entfernt...auf der anderen seite kann ich töne die ich im kopf höre (neben den stimmen, die da noch dazwischen quatschen) treffsicher auf dem keyboard umsetzen...keine ahnung, ob das unter "absolutes gehör" fällt?

Treffsicher heißt: Du stellst Dir den Ton vor oder hörst ihn und triffst dann auf Anhieb die richtige Taste, um den Ton nachzuspielen? Und das klappt immer oder, sagen wir, in 95 % der Fälle? Dann hast Du ein absolutes Gehör, ohne jede Diskussion. Aber ich verstehe nicht, warum Du dann schreibst, Du könntest nicht "töne exakt nach hören" benennen. Das wäre nur ein ganz kleiner Schritt, wenn Du schon die richtige Taste gespielt hast ...

Ich muss zugeben, dass ich immer so einen kleinen Komplex wegen meines relativen Gehoers hatte. Klingt vielleicht absurd, aber wenn man Musik Leistungskurs hatte und erwaegt, eventuell was beruflich damit zu machen, dann tauchen auch solche Fragen auf Lächeln (mein Klavierspiel war allerdings das weitaus groessere Problem).

Bei mir im Schulmusikstudium gab es unter 220 StudentInnen eine, von der ich weiß, dass sie ein absolutes Gehör hat. Also mach' Dir da mal keine Sorgen.

 

[synthpark]

Welche Statistiken ? Bisher sehe ich nur Vermutungen und selektive Wahrnehmung.

Ich behaupte ja nicht felsenfest, dass es so ist. Ich versuche nur herauszufinden, ob es so ist.
Vor allem bei der Frage, wenn die Musik sehr viel komplexer wird wie eben bei spaeter Klassik, ob solch ein Gehoer einen positiven Einfluss auf die innere Klangvorstellung hat, welche hilfreich sein koennte.

 

[asli]

Ich habe da etwas Interessantes entdeckt. http://m.faz.net/aktuell/wissen/mensch-gene/musikalitaet-der-fluch-des-kammertons-1825981.html

Hi Weintraube!

Vielen Dank für diesen Link, wirklich ein sehr interessanter Artikel!

LG
Asli

 

[EarlGrey]

Interessant, die Sache mit den asiatischen Sprachen. Vielleicht sollten wir auch mal melodischer sprechen und nicht so knarzen.

 

[dudex]

Ich finde das ganze ein wenig wie soll ich sagen hmmm......

Das ist einfach eine definitionssache oder? Was ist das absolute Gehör?

Ich denke das wird ohne Schulung schlicht und einfach nicht da sein, ansonsten ist es mehr erweiterte Gehirnfunktion (wobei auch dort zuerst eine Schulung stattfindet).

Meine Frau zum Beispiel kann sich ein Stück anhören und es anschliessend mehr oder weniger durchspielen.
Ist das absolutes Gehör?
Sie kann sich auch hinsetzten und mal ein 4tel Stunde irgendwas freiaus spielen ohne Fehler.
Ist das absolutes Gehör?
Sie hatte 7 Jahre Klavierunterricht ohne je eine Note lesen zu können, erst nach 7 jahren hat es eine Lehrering bemerkt!
Ist das Absolutes Gehör?

Ich finde nicht, zumindest nicht mehr als Derjenige der auf dem Balkon sitzt und dir sagt was für ein Auto durchfährt.Und der komponiert mal gar nichts könnte dafür ein Auto sauber einstellen.

Was bringt es ihr zum komponieren?
Sie kann nichts Eigenes festhalten allleine.Sie spielt und das nächste mal spielt sie es anders, oder ganz etwas anderes.

Jemand der jede kleinste Verstimmung raushört bringt ihm das beim Komponieren irgend was?
Ich finde als Instrumentenstimmer bestimmt aber als Komponist?

Ein absolutes Gehör hat ja demfall auch jemand der im Jungel alle die Geräusche rings herum einzeln ausfiltern und benennen kann.

Hier ein Beispiel mit dem Sehen, aber ist es nicht eher das erweiterte Denken was einen Sinn absolut macht?

http://www.myvideo.ch/watch/8288162

Ich hab häufig meine Mühe mit so Statistiken, Definitionen u.s.w.

 

[Tom81]

Ich hab häufig meine Mühe mit so Statistiken, Definitionen u.s.w.

Zum Glück geht das nicht allen so. Sonst ginge es uns wie in dieser Geschichte "Ein Tisch ist ein Tisch". "Warum heißt das Bett nicht Bild", dachte der Mann und lächelte, dann lachte er, lachte, bis die Nachbarn an die Wand klopften und "Ruhe" riefen. [...] Am Morgen blieb der alte Mann lange im Bild liegen, um neun läutete das Fotoalbum, der Mann stand auf und stellte sich auf den Schrank, damit er nicht an die Füße fror, dann nahm er seine Kleider aus der Zeitung und so weiter, bis ihn am Ende keiner mehr versteht und er aufhört zu sprechen.

Was man (man, nicht ich, Du oder Dieter Bohlen) unter Absolutem Gehör versteht, ist bei wikipedia in 1 1/2 Zeilen eindeutig definiert. Das kann man nachlesen und dann überprüfen, ob das auf einen zutrifft oder nicht. Es ist einfach nicht so kompliziert, wie das hier bisweilen betrachtet wird. Autos Erkennen, Heraushören von Dschungelgeräuschen und besondere Gedächtnisleistungen, das ist alles was anderes.

 

[synthpark]

hehe, die Definition an sich ist wirklich nicht das Problem.