Ich kann die Ausführungen von Can nur unterstreichen.
So toll ist das nicht, was die Dame da macht. Das Timing und der Spielfluss sind teilweise ziemlich lausig. Das klingt schematisch und wenig musikalisch und an einigen Stellen auch schlicht falsch.
Wenn für dich 2-stimmige Sätze "klassisch" sind, dann kann ich allerdings verstehen, warum du von der Tante beeindruckt bist. Und so ganz nebenbei ist sie ja auch ein ganz attraktiver Anblick
Chilly Gonzales ist im Moment wahrscheinlich der heißeste Scheiß, wenn es um Solo-Piano im Crossover-Bereich geht. Da hat der Can dir schon einen Meister des Faches vorgestellt.
Danach würde ich raten, ein bisschen auf Zeitreise durch verschiedene Stilistiken des Pop-Pianos zu gehen. Es reicht bei einigen Nummer sogar schon, die Originale zu hören. Beispielsweise alle Queen-Sachen: Freddy Mercury hielt sich selbst für einen lausigen Pianisten (was natürlich kokette Untertreibung war), aber vergleiche seinen Original-Part von Bohemian Rapsody mit der Bearbeitung der Youtube-Dame. Da merkst du sofort den Unterschied.
Ansonsten lohnt es sich immer, einige Klassiker des Pop-Pianos zu hören, einfach um mal einen Maßstab zu bekommen, was alles geht, bzw. schon mal gemacht worden ist. Die Tante von Youtube ist jedenfalls kein Maßstab.
Höre vor allem auf Timing, Rhythmusgefühl, Spielfluss, Musikalität.
Hier einer der Pioniere und wahrscheinlich unterschätzteste Pianist des Rock/Pop überhaupt:
Nicky Hopkins
Von John Lennon bis Stones, Nicky hat einige der bekanntesten Piano-Parts überhaupt eingespielt.
Zwei für Nicky sehr typische Parts:
Ganz interessant ist dabei die rechte Hand, Hopkins spielt gerne mal Läufe in Terzen oder Sexten und immer luftig, locker, leicht.
Dann wie schon angesprochen,
Freddy Mercury:
Freddy ist eher ein brachialer Pianist, hat aber enorme Energie und auch ein wunderbares Timing. Ab 1:26 mal gucken, wie lockere Handarbeit aussieht. Dagegen ist Frau vkgoeswild doch eher verkrampft.
Den hier traue ich mich kaum zu nennen, weil der heute absolut uncool ist, aber er war zu seinen besten Zeiten ein verdammt guter Pianist:
Billy Joel
Der eigentliche Song startet erst bei 2:30. Hör' dir das Intro an, wie es da fließt und wie er die Band mit seinem Spiel dirigiert. Und bei 8:18 haut er auch noch das Moog-Solo drüber.
Und hier sein Klassiker (sieht schwerer aus, als es ist):