Genau bei High Gain finde ich es interessant was passiert, wenn plötzlich die DI leise wird. Ob das Hintergrundrauschen genauso verknistert bleibt wie das eigentliche DI-Signal *hust BIAS hust* oder ob die Distortion tatsächlich checkt dass sie weniger zu arbeiten hat. Und ebenso mit Lautsprechern.
Wenn man vor einem Gitarrenlautsprecher steht und ein paar Palm Mutes spielt, dann wummert das erstmal im Bauch. Dieses Wummern wird durch reine Distortion niemals zu erreichen sein*, das ist eine nonlineare Reaktion des Lautsprechers. Sozusagen Lautsprecherclipping, wenn ein Lautsprecher sich weiter bewegen soll als er es kann und somit das Signal verändert, das wovon Sneap redet.
Wenn man das nicht bedenkt und nachstellt, dann wird man eben immer nur 85% an echten Verstärkersound rankommen anstatt 90%. Rein Wissenschaftlich gesehen wären es alleine schon 86% schon wert, nach Verbesserungen zu forschen; ohne diesen Trieb wäre die Menschheit heute nicht wo sie ist. Ich finde das Thema ziemlich spannend, und ich werde auch weiterhin Nächte und Wochenenden mit Tests und Papers verschwenden, aber ich kann sehr gut verstehen wenn Andere das nicht auch wollen.
* Tiefe Töne erzeugen durch Zerre Obertöne in Frequenzbereichen, die vom eigentlichen Gitarrensignal eingenommen werden. Noch dazu sind tiefe Töne "breite" Töne, d.h. wenn man einen sehr tiefen Ton mit einer "breiten Welle" clippt, dann hat man (neben mulmigen Tiefmittenartefakten) erstmal sowas wie einen Mesa/Flattop (also den Berg) im Spektrum. Das müllt einem den interessanten Bereich zu, darum will man das nicht.
Deswegen wird in jeder mir bekannten Amp Sim vor dem Breitbandclipping erstmal ein harter Lowcut gemacht.
Es werden auch die meisten Höhen rausgezogen, die sollen ja nicht die neuen Distortionartefakte in den Höhen vollrauschen.
Dann wird geclippt, jetzt hört sich alles schön dosig an.
Hinterher ist das Signal zwar voll von Obertönen im Höhen- und (ich nenn das mal so) "Air"-Bereich, aber hat keine Eier. Also macht jede gängige Amp Sim nach der Zerre erstmal ein fieses Lowshelf nach oben, meistens auch noch ein Highshelf nach oben. Damit Bumms und Geknirsche reinkommen.
Und das ist der Grund, warum Amp Sims so scheiße klingen und kein Wummern bei, sagen wir mal, 100 Hz erzeugen können. Und wenn sie's doch tun, dann nur indem das "Aufhol-Lowshelf" es so überladen und nervig macht, dass es einfach falsch und unbrauchbar ist. (LePou 456 Bottom, looking at you.)
Es ist Wochenende, also wer ein paar Minuten zu verschwenden hat, der kann ja mal einen EQ, einen Clipper und einen weiteren EQ in Reihe schalten. Der erste EQ wird für extremen LC/HC benutzt, der Clipper macht die Zerre (ab etwa +40 dB gehts los), der zweite EQ wird für LS boost/HS attenuation verwendet. Kompressor dahinter, und fett is'. Alles Andere sind EQ-Tricks, sowohl vor als auch nach der Zerre.
Wild geschätzte 80% aller kostenlosen und kommerziellen Amp Sims (natürlich ohne Effekte und Cab) kann man sich so nachbauen.
Für mich werden Amp Sims erst interessant, wenn eben das nicht mehr klappt.
