Sind viele Musiker zu ängstlich, gehemmt, unkreativ oder eher wenig talentiert?

[Cruba]

Hi alle!

Durch einen anderen Thread bin ich bei meiner Recherche auf Youtube über dieses Video gestolpert. Ich bin ja selber Drummer und hab' viel Unsinn an den Drums gemacht, daher das Ganze natürlich als Einstig aus meiner Sicht an den Drums, aber von vorn... sicher springe ich bei meinen Gedanken ein büschn, worums mir geht sollte aber klar sein...

Ich habe unzählige Drumsoli in meinem Leben gesehen und meißt (zu 80-90%) wird "einfach" das Set in affenartiger brutaler Geschwindigkeit "verprügelt" und der Drummer iss dann nach quälenden 5-10 Minuten der Hengst.

Ich habe mit 12 mein erstes Set geschenkt bekommen, ein "einfaches" Schlagzeug, halt auf Stand 80ger Jahre. Man hat mich nicht mehr davon wegbekommen.

Ziemlich schnell fing ich an zu experimentieren:

Was passiert wenn ich...

...die Felle einfach mal nicht spanne oder auf Anschlag bretthart

...einen Stick auf Snare und Tom gleichzeitig lege und mit dem anderen draufhau

...einen Stick zwischen Hihat Top und Bottom stecke

...einen Stick auf der Snare lasse und mit dem anderen draufhau

...was, wenn ich den Stick durch den anderen springen lasse

...was ändert sich, wenn ich mit 4 Sticks spiele

...was, wenn ich den Snareteppich mal so spanne, dass er nur bei harten Schlägen anspricht

es gibt 1000 Facetten die ich ausprobiert habe.

Wenn ich mir nun den normalen Drummer ansehe, finde ich von meinen Ideen, Spleens, Kanten und Ecken extrem wenig bis gar nichts in solchen Drumsoli.

Auf mich wirkt das wie: Ich kann zwar driften, aber wir sind hier im Strassenverkehr - zu gefährlich!

Aber ist es nicht das Driften das, was die Musik und den Musiker ausmacht oder scheitert letzten Endes die Freiheit an mangelndem Talent? Zu Technikverliebt, zu wenig Raum für unbeschwerten Spass?

Querdenker:

 

[schnuffke2]

Kommt doch immer auf den Job an. Wenn Du z.B. Tourschlagzeuger bei einem großen Popact bist, hast Du gar nicht die Freiräume, sondern musst immer gleich liefern. Da kannst Du dann vllt. mal ´ne HiHat-Figur für ein paar Takte ändern oder so. Das sind schon Könner, die solche Jobs bekommen ... viele leben sich dann zusätzlich noch in kleinen eigenen Bands aus oder in Sessions - nur bekommt man das eben nicht unbedingt mit.
Bei der meisten Musik, die radiokompatibel sein soll, hat der Drummer gefälligst "songdienlich" zu spielen, was auf simple Backbeats hinausläuft. Machst Du das nicht, trommelt jemand anderes für dich.

Trotzdem gibt´s noch eine große Musikwelt, die anders funktioniert, wo die Drummer auch als selbständig denkende und handelnde Musiker gefragt sind. Da ich im Radio ausschließlich DLF höre, bekomme ich relativ viel Freejazz und so Zeugs um die Ohren. Die aktuellen Drummer in der Szene brauchen sich in Sachen Kreativität nicht zu verstecken, im Gegenteil.
Dagegen finde ich Buddy Rich z.B. nicht sonderlich kreativ, und auch zu seiner Zeit war er ja nicht unbedingt vorne mit dabei. Von den Mainstreamjazztrommlerstars von damals finde ich übrigens Joe Morello am besten, der hatte den Mördergroove.

Ich glaube, es findet sich auch heute noch alles wieder. Kommt halt drauf an, wo man sucht. Es gibt auch viele "normale" Bands in denen sich die Schlagzeuger ausleben.

 

[schnuffke2]

Ganz allgemein: Ich würde ganz klar trennen zwischen "ich erledige einen Job" und "ich lebe mich aus". Beides zu vergleichen macht nicht viel Sinn.

Das wäre so als wenn Du, sagen wir, Dali mit einem heutigen Grafikdeigner vergleichen würdest. Sind halt komplett andere Welten.

 

[Peter Hansen]

Also ich kannte mal nen Drummer, der beim Orchester der Freiwilligen Feuerwehr gespielt hat. Während der Auftritte konnte man ihm seine Langeweile regelrecht ansehen, einfach nur weil er unterfordert war aber in dem bestehenden Rahmen musste er halt so funktionieren

 

[tylerhb]

Naja, die allermeisten Drum-, Bass und sogar Gitarren Soli sind sind überflüssig wie ein Kropf. Und wenn sie das nicht sind, sondern interessant, individuell oder einfallsreich versteht das Publikum es einfach nicht. Dann halt eben Double Kick und Tom Orgie mit zwischendurch aufstehen und Hand ans Ohr halten

Klar, es gibt auch andere Fälle, aber das ist dann meist Musik, die für andere Musiker gemacht wird.

 

[schnuffke2]

Gestern erst das hier gehört:
http://www.deutschlandfunk.de/amor-...sistin-im.2886.de.html?dram:article_id=406520
Wenn man oben auf den blauen "Live"-Button klickt und zu gestern abend "JazzFacts" navigiert, kann man es nachhören.

Für mich alles andere als ängstlich und unkreativ ( ist jetzt keine Avantgarde, aber trotzdem... ). Musik auf diesem Kreativitätslevel ist absolut nicht knapp. Man muss es halt hören wollen. "Antenne Brandenburg" einschalten hilft da nicht weiter.

Man muss schon Äpfel mit Äpfeln vergleichen - und da sieht es heute absolut nicht schlecht aus.

 

[Yacc]

yo ich glaube viele leute die musik machen sind eigentlich zu wenig talentiert für das hobyy (job) aber machen es trotzdem, solange die spaß dabei haben kann es ihnen ja keiner verübeln, aber bei manchen veröffentlichungen fragt man sich halt wirklich ob die welt noch so nen 08/15 projekt braucht. aber naja.

aber denke auch as viele zu ängstlich bzw zu wenig von sich selbst überzeugt sind um zum einen ihr eigenes ding durchzuziehen und dann deswegen doch alles so wie alle anderen machen, dass verhindert innovation :/
und zum anderen sind so manche talentierte musiker zu wenig überzeugt von sich um ihre sachen vorzuzeigen, oder denken sogar "oh meine idee ist so schlecht das brauch ich garnicht fertig machen / ausarbeiten"

 

[Cruba]

Naja, die allermeisten Drum-, Bass und sogar Gitarren Soli sind sind überflüssig wie ein Kropf. Und wenn sie das nicht sind, sondern interessant, individuell oder einfallsreich versteht das Publikum es einfach nicht.

Gut. Würde bedeuten Reduktion zu Gunsten des Publikums. Damit kann ich leben. Beuys äußert sich da köstlich zu... Iss vorgespult:

Dagegen finde ich Buddy Rich z.B. nicht sonderlich kreativ, und auch zu seiner Zeit war er ja nicht unbedingt vorne mit dabei.

Mir ging's in dem Fall nur um die HiHat, also um den Unterschied zu "Ich hab nen Stich und hau drauf".

yo ich glaube viele leute die musik machen sind eigentlich zu wenig talentiert für das hobyy (job) aber machen es trotzdem, solange die spaß dabei haben kann es ihnen ja keiner verübeln, aber bei manchen veröffentlichungen fragt man sich halt wirklich ob die welt noch so nen 08/15 projekt braucht. aber naja.

Aber denke auch as viele zu ängstlich bzw zu wenig von sich selbst überzeugt sind um zum einen ihr eigenes ding durchzuziehen und dann deswegen doch alles so wie alle anderen machen, dass verhindert innovation :/
und zum anderen sind so manche talentierte musiker zu wenig überzeugt von sich um ihre sachen vorzuzeigen, oder denken sogar "oh meine idee ist so schlecht das brauch ich garnicht fertig machen / ausarbeiten"

Habe ich befürchtet und mach Sinn...

Also... Mir geht es vorrangig darum, warum so wenige Musiker daran interessiert sind ihr Instrument richtig auseinander zu nehmen und kennenzulernen.

 

[suhler]

Ich hab mal ne Jazzband gesehen, bei der der Bassist irgendwann mal eine Säge in seine Seiten "eingefädelt" hat und sie dann zum Schwingen brachte und mit verschiedenen Sachen die Seiten zupfte oder bearbeitete. Dann hat der Keyboarder eine alte Schreibmaschine genommen, die über Mikrofone an ein Effekt-Pedal-Board weitergeleitet wurde und hat auf der rumgehackt, während der Sänger trancige Laute vor sich gab. Nacheinander haben sie dann wieder zu klassischem Jazz zurückgewechselt.

Junge junge, haben wir das gefeiert.

 

[Hyp]

Es gibt ja eine riesige Experimental / Avantgarde-Szene mit buchstäblich Tausenden Labels, da wird eigentlich experimentiert bis zum Abwinken.

Gerade eben beim gelegentlichen Check von www.freejazzblog.org z.B. hierauf gestoßen - Bratsche, Kontrabass und Percussion:

 

[Manoloco]

Es gibt ja eine riesige Experimental / Avantgarde-Szene mit buchstäblich Tausenden Labels, da wird eigentlich experimentiert bis zum Abwinken.

Gerade eben beim gelegentlichen Check von www.freejazzblog.org z.B. hierauf gestoßen - Bratsche, Kontrabass und Percussion:

Klingt als hätten die Akteure untereinander gerade die Instrumente getauscht ...

 

[suhler]

Klingt als hätten die Akteure untereinander gerade die Instrumente getauscht ...

Ich wollte eigentlich nichts sagen, aber habe mir dasselbe gedacht. Der Anfang war interessant, aber wenn dann nichts kommt, ist es für die Katz. Ich liebe avangardistische Musik, aber nicht, wenn es nur noch Lärm ist. Das wird auch nicht überleben, gleich wie die 12-Ton-Musik.

 

[Hyp]

@suhler @Manoloco
Ob das, was bei Unkonventionalität so rauskommen kann, im jeweiligen Fall den eigenen Geschmack trifft, hat ja nichts mit dem Threadthema zu tun.
Und was heißt schon "wird nicht überleben"? Bis zum Ende der Menschheitsgeschichte wird mutmaßlich auch Geräuschmusik gemacht werden.

 

[Cruba]

Also nochmal: Mir geht es darum sein eigenes Instrument genauer unter die Lupe zu nehmen, nicht mit einem brennenden Nutellaglas zu versuchen Musik zu machen.

Standard:

Ich sehe eine Egitarre, nehm sie in die Hand und fange an zu spielen wie es Millionen tun, am besten Satisfaction um auf der sicheren Seite zu sein....

Was ich meine:

 

[Neobiont]

yo ich glaube viele leute die musik machen sind eigentlich zu wenig talentiert für das hobyy (job) aber machen es trotzdem, solange die spaß dabei haben kann es ihnen ja keiner verübeln, aber bei manchen veröffentlichungen fragt man sich halt wirklich ob die welt noch so nen 08/15 projekt braucht. aber naja.

*urks* wahrscheinliches denken "Andere hatten damit Erfolg, warum ich nicht auch?" (Lebloser Einhheitsbrei)

aber denke auch as viele zu ängstlich bzw zu wenig von sich selbst überzeugt sind um zum einen ihr eigenes ding durchzuziehen und dann deswegen doch alles so wie alle anderen machen, dass verhindert innovation :/

Um dann doch am zigtausenstem k.A. Snaresound zu verzweifeln, weil klingt nicht wie x/y/z...

und zum anderen sind so manche talentierte musiker zu wenig überzeugt von sich um ihre sachen vorzuzeigen, oder denken sogar "oh meine idee ist so schlecht das brauch ich garnicht fertig machen / ausarbeiten"

"manchmal fühlt man sich ertappt und gleichzeitig inne Fresse gehauen..."

 

[Hyp]

Also nochmal: Mir geht es darum sein eigenes Instrument genauer unter die Lupe zu nehmen, nicht mit einem brennenden Nutellaglas zu versuchen Musik zu machen.

Darum ging es in meinem Beispiel. Die spielen ihre Musikinstrumente. Kein Nutellaglas.

Genauso könntest du fragen: Warum ist über 99% von Musik eher unoriginell?
Die meisten Menschen haben eben Spaß an Variationen des ihnen schon Bekannten - so einfach ist das.

 

[Neobiont]

@Cruba , Danke für "Jo Jones", klasse diese fast schon schelmische Spielfreude zu sehen.

Sah sowas zuletzt live auf dem Moers Festival (ehemals Moerser Jazztage), viele sehr aufgeschlossene
und experimentierfreudige Künstler bei, die recht beeindruckendes weg vom Standard gezeigt haben.

von wegen kreativ, hab einen alten Ebass auf einem Staender liegend befestigt, bisschen an/mit der Elektrik gebastelt,
benutze ihn jetzt wie ein perkussives Instrument, Z.Bsp. mit Fingerhüten oder auch mal Silikon Schneebesen.

Meinst du sowas?

 

[Violinist]

Thema Angst:
Nichts was man zwischen Profi und Semiprofi unterscheiden müsste. Die größten Künstler/Musiker verspüren zum Teil eine Angst. Das hat nicht wirklich etwas mit Talent oder Können zu tun. Die Angst kann in ganz unterschiedlichen Varianten auftreten. Z.B. Lampenfieber oder Herzklopfen, Nervosität auf der Bühne, was stark situationsbedingt ist. Angst vor Versagen, Angst vor Störung z.B. durch Kinder im Publikum, Angst, wenn plötzlich was mit dem Instrument ist etc.. Letztens spielte ich vor knapp Tausend Menschen Solo. Da hatte ich Null Lampenfieber, während ich wenige Wochen zuvor vor einem Publikum unter 30 schon ordentlich Schweiß auf der Stirn hatte. Rückblickend keine Ahnung, woran das lag. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Je mehr ich mit der Situation auf der Bühne beschäftigt bin, desto unkreativer kann ich in der Musik sein, weil der Kopf nicht frei ist. Es soll ja Leute geben, die können das wie per Kopfdruck steuern, die dann schlagartig in einer neuen Welt sind. Ich wünschte, ich könnte das. Gelingt mir nur gaaanz selten. Das sind die Konzerte die dann richtig gut verlaufen, wo man dann mit einem mega-positiven Gefühl raus geht. Meinen Respekt vor allen praktizierenden Musikern, egal ob mit oder ohne Lampenfieber, egal welcher Musikstil. Es ist einfach etwas anderes, als mit dem Computer daheim auf der Couch mit ner Pulle Bier in der Hand Musik zu machen.


Diese Angst kann man ganz leicht auf die Kompositionsebene übertragen:
Das beschissenste Gefühl ist, wenn dir jemand sagt, dass dein Song/Stück nicht gut klingt, keinen Spaß macht.Gibt sicherlich Leute, die aus der Angst, nicht gefallen zu können, Harmloses komponieren, bei dem sie niemanden weh tun. Ich glaube ich könnte auch nicht wirklich experimentell komponieren. Dazu bin ich viel zu konservativ im Musikleben. Ist wahrscheinlich wieder eine Typfrage. Mit mangelndem Talent oder fehlender Kreativität hat das, denke ich mal, nichts zu tun.

 

[Manoloco]

@suhler @Manoloco
Ob das, was bei Unkonventionalität so rauskommen kann, im jeweiligen Fall den eigenen Geschmack trifft, hat ja nichts mit dem Threadthema zu tun.

Naja, Du siehst das Video als Antwort, ich sehe es als Teil des Problems ... such Dir eines der 4 Tugenden aus. Ängstlich sind die sicher schon mal nicht

 

[diagnostix]

na dass die musiker "angst" von alternativen ausdrücken und spielweisen haben, würde ich nicht behaupten.
es existiert weltweit eine ganze szene, die sich mit 12ton-musik, freier improvisation oder einfach mit der forschung von grenzen zw. geräusch- und tonalmusik befasst.
dieses jahr findet z.b. in karlsruhe (orgelfabrik) mittlerweile 7. festival für freie und improvisierte musik statt...

in belgrad (serbien) gibt es seit 1996 jedes jahr "ring ring festival" für neue-, jazz-, und experimentelle musik mit den "stars" ausm ganzen welt, wie fred frith, irene schweizer usw., die schon öfter dort aufgetreten haben...

warum diese art der musik natürlich keine kommerzielle erfolge hat, steht auf einem anderen blatt, aber eins ist sicher: die impromusiker haben bestimmt keine angst, auch wenn jemand ausm publikum "hurz" schreit.
impromusiker haben sehr oft einen fetten fachlichen background (musikstudium z.b.) hinter sich und haben auch erfahrung mit "kommerz".
aber weil korsett sehr eng, kratzen sie halt gerne an den saiten, oder bestücken die drums mit latex, den sie dann anschlagen, dehnen und gleichzeitig damit midi triggern, z.b....
ich finds halt lustig und interessant, aber kann verstehen dass es nicht jedermann sache ist... dazu braucht man mut und ideen...