O Ja

[Locis]

Ich sah ein groteskes Bild von einem pinkelden Soldaten, der mitten im Angriff über die Sinnhaftigkeit des Lebens sinniert. Gerade dies dauernde "O ja" hat mich zu dieser Groteske verleitet...

 

[Teestunde]

Auch nicht schlecht.
So. Ich muss erst mal los. Bin gespannt, was heute Abend für Deutungen zustande gekommen sein werden.

 

[artname]

Gute Diskussion! Was lässt den Soldaten schreiben? Egomanie (krankhafte Selbstsucht), Die Suche nach der Wahrheit, Grübelei, die Liebe? Woran schreibt er?

 

[Teestunde]

Meine Schwiegermutter besaß ein Foto ihres Mannes, auf dem er sich in Wehrmachtsuniform mitten im Wald rasiert. Neben seinem Rasierspiegel steht das Foto seiner Frau mit den ersten zwei Söhnen.
Das beantwortet zwar nicht deine Frage, aber es kommt mir beim Lesen deines Textes eben in den Sinn. Ich weiß gar nicht, wo seine ganzen Briefe geblieben sind. Wahrscheinlich hat der älteste Sohn sie mitgenommen.

 

[Gel Mitglied 86343]

Der Soldat schreibt vom (Über-)Leben, um dem Krieg und der Zerstörung zu entfliehen.

 

[artname]

Jedes einzelne feedback klingt, als käme beim Hörer eine halbwegs interessante Story an. Für mich ist ein Text gut, wenn ALLE Zeilen eine bestimmte Story ergeben. Welche, das kann und will ich gar nicht beeinflussen.

Meinem letzter Text enthielt konkretere Sachverhalte. Da wird ein universelles Verständnis schwerer. Aber dieser Text ist breiter auslegbar. Gar nicht schlecht, das.

 

[Teestunde]

Jedes einzelne feedback klingt, als käme beim Hörer eine halbwegs interessante Story an.

So muss es sein.

 

[artname]

So muss es sein.

Ein großer Satz, gelassen ausgesprochen!

Es war ja tatsächlich eine Kriegsfilmszene, die mich inspirierte. Allerdings meinte ich die Granaten als Metapher für Widerstand jeder Art. Zum ersten Male wird mir klar, dass das GEMEINTE tatsächlich hinter dem GESAGTEN total verblassen kann.

Ich wollte, wie gesagt, ausdrücken, dass eine Idee sofort aufgeschrieben werden muss. Aber die metaphorische Filmhandlung, Soldat schreibt mitten im Gefecht, weckt tausend andere Assoziationen.

Eine Metapher kann aus Spur der AUTORS in tausende Spuren des Publikums springen. Das kann für den Autor gut oder schlecht ausgehen. Dieser Gedanke wird mich weiter beschäftigen.

 

[jet2]

ja, der text hat sicherlich mehrere deutungsebenen.
die könnte man zb. durch vollkommen unterschiedliche musikrichtungen hervorheben.
meine ersten assoziationen zu den lyrics waren vielleicht zu versaut...

 

[artname]

meine ersten assoziationen zu den lyrics waren vielleicht zu versaut...

Fluss=Samenfluss? Los, zier dich nicht so...

 

[jet2]

meine ersten assoziationen zu den lyrics waren vielleicht zu versaut...

Fluss=Samenfluss? Los, zier dich nicht so...

ich zier mich ja gar nicht...

wenn ich den fluß, sicherlich ein symbol der sexualität, der lebenssäfte, aber auch der vergänglichkeit (panta rhei / heraklit)
mit dem gedanken des krieges verbunden sehe,
dann assoziiere ich in der verbindung im vorliegenden kontext damit unter anderem einen gewissen sadomasochismus.
das oh ja, oh ja
kann man (je nach betonung) auf verschiedene weise betrachten.
zum einen als extatisches stöhnen der hingabe, zum anderen als marschlied, das der soldat sich selbst vorsingt und mit dem er im gleichschritt gegen innere zweifel anmarschiert.

 

[Andaraginga]

Ich hab eine Formulierung im Kopf, die ich einmal gelesen, jetzt aber nicht mehr genau erinnere, so was wie "die wichtigsten drei xxx der Soldaten an der Front", eins davon (und das scheinbar Überraschendste) war die Feldpost.

Kennt die Formulierung jemand?
Waren es es die "drei P", Panzer, Proviant und Post oder die "drei B", Bomben, Butter und Briefe?

Als Bild kann ich mir jedenfalls schon vorstellen, dass die Welt um einen rum im Bombenhagel untergeht und man *trotzdem* das Bedürfnis hat, was zu schreiben.

Und dann lässt sich drüber philosophieren, ob man "trotzdem" durch "gerade weil" ersetzen will, was mich erinnert an den Philosophie-Grundkurs am Gymnasium, wo genau dieser Gedanke als Grundidee des Existenzialismus verkauft wurde.

Keine Ahnung, ob das so stimmt, ob es so verkürzt werden kann, und/oder ob mich meine Erinnerung komplett täuscht, ich find den Gedanken aber allein dadurch interessant und erwähnenswert, weil er mir im Unterschied zu Millionen anderen hängenblieb

 

[rho]

Die Perspektive der 3. Person hat meine Aufmerksamkeit gebunden. Dazu fiel mir folgender "Hirn-Film" ein:

Das LI beobachtet den pinkelnden Soldaten, dem die Granaten um die Ohren die fliegen, durch sein Zielfernrohr. Das Fadenkreuz zittert über dem Beobachteten. Man hört die Gedanken des LI (des Schützen). Ihm leuchtet das Verhalten des beobachteten Soldaten ein, der tut was der Verstand befiehlt, der Instinktiv weiß, was in diesem Moment wichtig ist: das Leben, der momentane Gedanke, das momentane Gefühl - unterbrochen vom eigenen Jagdfieber "O ja Oja Oja". Der Soldat im Fadenkreuz bewegt sich in irritierender Seelenruhe angesichts des Schlachtengetöses und des Fadenkreuzes, in dem er steht. Dann weitet sich der Blickwinkel des Zielfernrohrs bis im Vordergrund ein liegender Schütze von hinten zu sehen ist, der auf einen kaum noch zu erkennenden pinkelnden Soldaten im Schlachtengetöse zielt. Die Blickwinkel weitet sich weiter, der Schütze -nun selbst im Fadenkreuz- steht auf und geht in irritierender Seelenruhe im Schlachtgetöse pinkeln ...

Fast schon ein Video-Treatment Viel Spaß damit.

 

[artname]

@Andaraginga , herzlichen Dank für die Wiederbelebung dieses Fadens.

Also 2 Jahre bin ich schon auf dem Trip, zu schreiben, was ich schreiben muss - nicht etwa nur schreiben sollte, oder schreiben könnte?

Ich hab eine Formulierung im Kopf, die ich einmal gelesen, jetzt aber nicht mehr genau erinnere, so was wie "die wichtigsten drei xxx der Soldaten an der Front", eins davon (und das scheinbar Überraschendste) war die Feldpost.

Hm… das ist wirklich verblüffend - und gleichzeitig wiederum einleuchtend: Das (ehrliche) Schreiben kann bestens ein Gefühl von Identität erzeugen. Vor allem dann, wenn man als Autor spürt, dass fremde Ablehnung daran nichts ändern, sondern höchstens zusätzlich ein Gefühl des Bedauerns erzeugen kann.

Heute, zwei Jahre später, verstehe ich das Dringliche meiner schmucklosen Zeilen noch viel klarer. In Krisenzeiten denkt mancher vielleicht häufiger das Wort „Lebenswerk“. Gibt es etwas, das es wert ist, weiter gegeben zu werden? Kann oder muss man das etwa noch schaffen?

Die Worte des Hasses waren, sind und bleiben auf primitive Zerstörung ausgerichtet. Das ist nicht mein Ding. Die bescheidenen Worte der Liebe verbergen sich allerdings hinter dicken Panzern menschlicher Überheblichkeit, deren Namen alle beschämend beschönigend klingen …

Hallo @rho , du hast doch 2/3 deines schönen Songtextes bereits geschrieben!! Schreib ihn doch zu Ende! Ich werd mich ebenfalls mal daran ausprobieren!