Ein paar konstruktive Überlegungen nach meinem gestrigen Zynismus in diesem Thread:
1. Früher galt ja - "Willst du etwas gelten, mach dich selten."
Diese Philosophie kann man im Wesentlichen ad acta legen. ABER: Mir fällt in meiner Funktion als Veranstalter und Autor immer wieder auf, dass Kults dort entstehen, wo gegenläufige Dinge passieren und nicht über die Maßen vermarktet (bzw. platt geworben) wird. Die Grundvoraussetzung ist in diesem Fall, dass es sich bei der jeweiligen Band / dem Act um wirklich coole Socken handelt, die entweder eine spezielle Nische sehr gezielt ansprechen oder so eigenwillig sind, dass man nicht wegsehen kann.
Was auf der anderen Seite keinesfalls funktioniert ist uncoolen Kram mit maximalem Attention-Whoring zu bewerben. Insofern hat die alte Regel immer noch Gültigkeit.
2. Content Marketing
Musiker machen in der Regel den Fehler sehr plump und direkt zu werben. Sei es aus Aversion gegenüber der lästigen Pflicht auf sich aufmerksam machen zu müssen, oder weil es einfach an Fähigkeiten und Interesse in der Selbstvermarktung mangelt. Nichts von Marketing zu verstehen liegt in der Natur des Künstlers und ich musste auch erst Anfang 30 werden bis ich mir erlaubt habe mich für die geschäftliche Seite zu öffnen, statt sie zu verteufeln.
Das interessante ist, dass Künstler meist sehr gut in den Disziplinen sind, die heute im Marketing gefordert sind: Inhalte jeglicher Art erstellen und damit indirekt auf das Kernprodukt aufmerksam zu machen: Texte, BIlder, Infografiken, Videos etc. - die Möglichkeiten sind zahlreich. Wichtig beim Content Marketing ist der Nutzwert für den Konsumenten (Tutorials, Insider-Informationen, oder hübsche Lifestyle-Impressionen auf Instagram / Pinterest etc.). Der werbliche Aspekt sollte nur sehr dezent ausgeprägt sein und eine Zielgruppe muss definiert werden. Mit Tutorials und Produkttests sprecht ihr eher die musizierenden Kollegen an - ein Beispiel hierfür ist Ola Englund, der sich so einen Namen mit seiner Band Feared machen konnte und mittlerweile auch bei The Haunted zockt. Man kann sich mit seinen Inhalten aber auch mehr auf die Interessen der Zielgruppe fokussieren. Dazu ist es natürlich unabdinglich in eine entsprechende Szene bereits eingebunden zu sein und deren Gepflogenheiten und Interessen bestens zu kennen und diesen eng gesteckten Rahmen möglichst nicht zu sprengen. Ich hatte bspw. mal die URL gothic-metal.com besessen, die Inhalte aber thematisch zu breit und zu sehr nach eigenem Interesse erstellt, weshalb die Klientel nicht fand was sie suchte und der Effekt des Musikblogs somit geringer ausfiel, als es hätte sein müssen.
3. Inszeniere die Persönlichkeit, nicht die Musik
Musik machen heutzutage viele Menschen. Die meisten kümmern sich nicht um ihr Image, weil sie vielleicht nicht extrovertiert genug sind ihre markanten Eigenheiten überzubetonen oder weil es ihrer Philosophie entspricht als "normaler Mensch" in Erscheinung zu treten. Das Ergebnis: Keiner weiß warum er die Musik einer unauffälligen Person, die sich selbst als nichts besonderes darstellt, anhören soll. Und sind wir mal ehrlich - oft klingts dann ja auch genau so. Musikhörer stellen in der Regel eine Verbindung zu Musikern her und identifizieren sich mit ihnen. Musiker sind eine Marke mit klar definiertem Profil. Aber auch hier gilt - eine rote Clownsnase macht einen Normalo nicht zur Bühnenfigur. Wer es nicht in sich trägt, kann sich auf den Kopf stellen und wird kein Charisma versprühen. Ist so - kann man nichts machen. In dem Fall am besten einen Bass umschnallen und unauffällig für ein stabiles Fundament sorgen. Oder den Andreas Kümmert machen und die Unauffälligkeit als auffälliges Image inszenieren.
Wenn ich eines nicht mehr lesen will, dann ist es "Supporte uns!" oder "Vote für uns!". Hört auf mit so einem Kack! Dadurch verliert ihr maximal an Credibility und seid genau das Gegenteil von dem was ihr sein sollt - erbärmliche Luschen statt anbetungswürdige Persönlichkeiten, die göttliche Musik machen. Wie soll euch irgendjemand ernst nehmen und eine Eigenmotivation entwickeln euch zu unterstützen, wenn ihr darum bettelt? Auch die abgeschwächte, allgemeiner gehaltene Version "Supporte den Underground!" ist Mist. Wenns gar nicht anders geht und ihr wirklich kultigster Underground mit Fanbase seid, dann kann man das einmal im Jahr zu einem speziellen Anlass raushauen, aber ansonsten absolut auf jeglichen Support-Kram verzichten. Ihr seid angehende Rockstars bzw. Understatement-Mucker, die das nicht nötig haben und denen Erfolg total egal ist. Ihr seid entspannt und es geht euch einfach darum coole Mucke zu machen. Das ist die einzige Attitüde, die euch weiterbringen wird. Ich habe das zigfach erlebt und es bestätigt sich immer wieder.
