Wo wäre die Kunst, wenn wir ewig das gestrige Schaffen würden?
Entweder man öffnet sich dessen, oder nicht. Gezwungen wird dazu keiner.
Man sollte moderenen Sachen nicht vollends verschlossen gegenüber stehen.
Ich bin froh, dass es Menschen gibt, die so etwas schätzen, fördern und sich daran erfreuen können.
Ich glaube, Du beurteilst mich da nicht ganz richtig. Ich renne nur nicht diesem ganzen Hype hinterher oder finde etwas toll, gerade weil es ein Attribut wie progressiv für sich in Anspruch nimmt. Nein, um mich zu überzeugen, braucht ein Stück mehr, als nur "neu" oder "modern" zu sein.
Gerade die unbegrenzte Freiheit der Freitonalität ist eine Riesenspielwiese, um ganz unbegrenzten freitonalen Mist zu produzieren. (Das geht in anderen Bereichen natürlich genauso. Klar). Aber viele - gerade im Bereich der Musikhochschulen - wollen unbedingt zeitgenössische Musik fördern und übertreiben dabei, teilweise ganz erheblich, was ich plakativ darzustellen versuchte. Bei zeitgenössischen Werken fehlen vielen Profs Kriterien, die sie sonst anwenden, um etwas als gut oder schlecht zu beurteilen. Das Stück ist ja neu, da muss man ja vorsichtig und zurückhaltend sein, und man will ja neue Musik fördern, da kann man ja schlecht etwas verreißen. Und das Feuilleton braucht ja auch neues Futter. Und dann kommt eben oft heraus, dass irgendwelche Musik oder irgendwelche Komponisten gehypt werden und in intellektuellen Kreisen Lobeshymnen geschwungen werden, weil keiner sich traut, des Kaisers neue Kleider als kollektive Dummheit zu bezeichnen. Zu allem Überfluss ist es oft nur Zufall, welcher Künstler Aufmerksamkeit bekommt und welcher nicht, von Können hängt das oftmals weniger ab.
Ich habe in den letzten Jahren mehrere zeitgenössische Werke gehört, die freitonal waren und mir gut gefallen haben. Eins davon fand ich , wie bereits erwähnt, richtig klasse. Meine Frau übrigens auch. Deshalb denke ich nicht, dass ich mich Neuem verschließe. Aber ich erwarte auch von freitonaler Musik, dass sie mich in irgendeiner Weise anspricht und überzeugt. Es gibt viele Wege, auf denen das geht. Wenn sie das nicht tut, sage ich das.
Abgesehen davon muss man auch nicht jedes Stück von Mozart für göttliche Musik halten... Wir hatten uns auch schon mal darüber ausgetauscht, was Liszt von Tschaikowskys 1. Klavierkonzert hielt... klar kann man über Fehleinschätzungen lachen, wenn man 200 Jahre später lebt... wäre interessant zu wissen, an wieviel von der heute gehypten Musik man sich in 200 Jahren noch erinnert... ich sage Dir: Nur an einen marginalen Teil. Wie in jeder Epoche.
Bevor ich es vergesse - das Prädikat "ganz nett" verteile ich bei zeitgenössischer Musik auch nicht so oft... kannst das eigentlich als halbes Kompliment nehmen...
