Einschätzung eines Stücks

[junglebunny]

Hallo,

ich wollte euch gern um Rat bezüglich eines Stückes von mir fragen.
Ich bin nicht so gut im Mixen und Mastern und bräuchte deshalb etwas Hilfe.
Ihr findet im Anhang zwei Dateien. Eine enthält einen Auszug des Stücks als mp3, die andere den Aufteilungsplan des Orchesters im Raum (die Oberfläche, die ich nutze ist die VSL MIR). Ich weiß, dass der mp3-Klang nicht ideale Vorraussetzungen bietet, aber vielleicht kann man ja grob trotzdem etwas anraten.

Es geht mir in erster Linie um den Klang und nicht die Komposition.
Folgende Fragen hätte ich:
1) was haltet ihr von der Aufteilung der Instrumente im Raum? Wie ihr seht, habe ich nicht die klassische Struktur gewählt, sondern die tiefen Instrumente zentral gesetzt. Seht ihr Instrumente, die sich gegenseitig negativ beeinflussen aufgrund der Anordnung? (ganz unten ist übrigens das Mikrofon zu sehen auf dem Bild)
2) Raumklang: Ist er Raum für euch schlüssig? Ist da vielleicht zuviel Hall? Ist der Hall zu lang?
3) sind die Bässe (besonders durch die Timpani) eventuell zu stark? (EQ?)
4) findet ihr den Mix zu feucht oder zu trocken? Gibt es bestimmte Frequenzbereiche, die ihr anheben oder absenken würdet?
5) Ich habe das Stereofeld im Mastering erweitert. Findet ihr es zu weit, oder noch zu eng?
6) Ich nutze einen dezenten Kompressor. Würdet ihr mehr komprimieren oder vielleicht weniger?

Wenn euch irgendetwas anderes auffällt, freue ich mich auch da über Feedback.

Habt vielen Dank
Jan

 

[ModulationMatrix]

Schönes Stück!

Zum Mix: mir fällt als erstes ein ziemlich Küchenradio-mäßiger Gesamtklang auf. Also dumpfe Höhen und topfiger Bass. Alles sehr mittig vom Frequenzgang her. Die Breite ist mEn auch eher noch zu gering.

 

[Manoloco]

Vom Sound her schliesse ich mich M&Ms an ... die Mitten sind mir gerade bei dem Solostreicher ab 0.25 eniges zu aufdringlich, gleichzeitig zu Nahe.

Die Stereobreite ist für mich in dem Sinn zu gering, dass das Direktsignal zu direkt ist und die Raumanteile noch viel mehr zur Geltung kommen könnten. Ich habe hier klassische Aufnahmen(Rachmaninoff) im Ohr, welche mir das Soundbild schön distanziert wiedergeben. Auf den Seiten habe ich eigentlich nur noch Raumantworten.

Wenn das DIrektsignal etwas weniger wäre, fände ich auch die schnelle Streicherpassage zu Beginn authentischer. Die darf/muss mMn etwas versumpfen.

Die Halllänge ist für mich nur schwer zu beurteilen, da Du kompositorisch keine Luft gelassen hast. Zu Das Pizzicato zu Beginn gibt einen kurzen Eindruck von einer eher übersichtlichen Umgebung.

Auf die eine Seite, fehlt mir die (gewünschte) Distanz zum Geschehen durch unterrepräsentierten Raumanteil, andererseits hast Du ein gelungenes, direktes Cinematic-Geschehen kreiert, welches auch absolute Berechtigung hat.

Bezogen auf Dein Bild, steht für mich nun das Mikrofon in der Hälfte der Distanz zwischen Musikern und der angepeilten Sitzposition.

 

[junglebunny]

Was verstehst du unter Cinematic-Geschehen? Einfach aufgrund der klanglichen Nähe der Instrumente?

 

[Manoloco]

Ja, unter anderem. Dein Stück kann mit Strassenlärm, Stimmen, Explosionen geschwängert werden und setzt sich trotzdem noch durch. So war das gemeint.
Dies würde bei einem rein klassischen Task nicht funktionieren.
Ist nur mein persönlicher Eindruck.

 

[junglebunny]

Tatsächlich sollte es eher filmmusikartig klingen. Deshalb habe ich die Instrumente recht nah klingen lassen. Nehmen wir also an, ich möchte diesen nahen Klang beibehalten, was wären Dinge, die du dann im Mastering vielleicht anders machen oder erweitern?

 

[Manoloco]

Viel weiter darf ich mich nicht aus dem Fenster hängen, denn sonst stürze ich kläglich

... heisst ich kann Dir da nicht wirklich weiterhelfen. Vielleicht meldet sich noch jemand, der sich mit Filmmusik beschäftigt und auskennt.

Momentan steckt für mich das Werk mixtechnisch zwischen beiden Welten fest. Filmmusik verlangt meines Erachtens nach mehr Kompaktheit unter den Instrumenten und eine eher gemeinsame Dynamik oder einen separaten 'Ausscherer' ausgesuchter Soloinstrumente.
In diesem Beispiel bezogen auf die Piccoloflöte, welche beim Anstieg nicht mitzieht.

 

[junglebunny]

Ich denke, das hast du sehr gut geschrieben. Ich würde das Stück noch einmal rein klassisch abmixen und dann nochmal um Rat fragen, ok?
Eine Frage vorher noch. Bei rein klassischen Stücken, würdest du da einzelne Instrumente mit dem EQ beschneiden?

 

[Manoloco]

Normalerweise sind Librarys gut aufeinander eingespielt. Ich würde mich jedoch nicht scheuen zwecks Tiefenstaffelung und Integration den EQ anzusetzen.

Einfach auf das Preringinseng, Gruppenschwingen und Nachlaufzeiten aufpassen!

*edith* M&Ms

 

[ModulationMatrix]

Einfach auf das Preringing aufpassen!

Du musst schon nen Smiley setzen sonst nehmen die Leute das ernst

 

[Locis]

Normalerweise sind Librarys gut aufeinander eingespielt. Ich würde mich jedoch nicht scheuen zwecks Tiefenstaffelung und Integration den EQ anzusetzen.

Hier würde ich wohl bei den Bläsern im zweiten Teil versuchen irgendwo die Höhen zu dämpfen um sie etwas weter weg klingen zu lassen. sie scheinen mir vor die Streicher zu rutschen. Insgesamt finde ich Manolocos Anmerkungen sehr stimmig...

 

[junglebunny]

Ich habe jetzt nochmal zwei Versionen erstellt (Diesmal in voller Länge). Eine klassisch gemixte und gemasterte und eine eher filmmusikalische. Hier ist der Link zu Youtube:
Ikarus-Tests. Das Video ist nicht gelistet, also nur über den Link zu finden.

Was denkt ihr über die beiden Varianten. Welche haltet ihr für sinnvoller? Vielleicht auch in Anbetracht der klanglichen Einschränkungen bei Libraries.

Und welche Verbesserungsvorschläge hättet ihr?

Ich danke euch.

 

[Manoloco]

Es gibt kein "in anbetracht der klanglichen Einschränkungen der Libraries". Entweder strebst Du die TOTALE ILLUSION an, oder machst weiter wie bisher
Als Einschränkung sehe ich die dynamische Spielweise der Instrumentierung, welche Knochenarbeit ist.
Was das räumliche Empfinden betrifft, glaube ich stark daran, dass die perfekte Illusion erschaffen werden kann. Ich muss Dir was raussuchen, was mich beeindruckt hat:

Echte Instrumente mit künstlichem Raum:

http://soundcloud.com/peter-emanuel-roos/samplicity-teldex-ir-reverb

Ich empfinde die beiden YouTube Beispiele als Rückschritt zu Deinem gestrigen Einstand.
Räumlich hat die Soundtrack-Variante komplett eingebüsst. Das ist für mich quasi nur noch eine Wand mit Direktsignalen.

Die klassiche Variante versumpft nun etwas in einem Raumbrei in den unteren Mitten. Irgendwie hast Du das Frequenzbalancing von den oberen Mitten nach unten verschoben, wirkt sehr wulstig für mich.
Das Reverb ist wohl ortbar, klingt jedoch nach einem unglücklichen Predelay und einer massiven und dennoch kurzen Hallfahne. Schwierig zu beschreiben. Die Harfe dann lässt mich komplett im Regen stehen ... in der klassischen ist die irgendwo und grausam verhallt, hingegen in der Soundtrackvariante stark rechts und einsam. Was hast Du da genau gemacht? Welche Parameter hast Du gegenüber der gestrigen Variante geändert 'zugunsten' der einen und anderen Variante?

Ich möchte das im Studio später selber ausprobieren. Habe gerade ein paar Klassikspuren gefunden, welche ich möglichst realistisch einbeten möchte. Soll ja auch mal Hand und Fuss haben, was ich hier labere

 

[magnazeon]

Ich finde die Sache verzwickt.
Erst dachte ich, dass es ganz gut klingt. Aber Manoloco schreibt ja, dass es nicht so ist. Also hab ich mal genauer hingehört.
Und tatsächlich. Für mich klingt der Raum und die Tiefe gut, es matscht für mich auch nichts, aber das/ein Panorama ist quasi nicht vorhanden. (videolink, erster Teil)
Alle Spieler scheinen auf einer Linie zu sitzen.

Der zweite Teil ist dann auch nicht besser, weil es hier ganz genau umgekehrt ist. Zu viel Panorama, kein Raum, zu trocken. Sowas lässt es gern künstlich klingen.

Als ergänzende Anmerkung: Die Bleche und vor allem die Streicher (arco) klingen wahnsinnig künstlich.

 

[junglebunny]

@magnazeon
klingen beide Versionen übermäßig künstlich oder nur die Zweite?

@manoloco
die Anordnung der Instrumente im Stereofeld habe ich nicht verändert. Die Harfe war auch vorher schon rechts außen.
Ich habe aber sowohl im Wet-Dry-Bereich, als auch sonstige Hall-Parameter verändert.
Bei der klassischen Variante habe ich die Stereoerweiterung rausgenommen, was magnazeons Anmerkung unterstützen würde. Auf der klassischen Variante liegt der alte Kompressor, auf der Filmmusik ein ziemlich deftiger.
Ich persönlich finde es insbesondere sehr schwierig, zu hören, welche Frequenzbereiche entweder über- oder unterrepräsentiert sind.

 

[magnazeon]

@magnazeon
klingen beide Versionen übermäßig künstlich oder nur die Zweite?

Die Instrument, wie ich sie beschrieb, bei beiden.

 

[Manoloco]

Möchtest Du mal eine komplett trockene Version hochladen? Am besten unkomprimiert. Dann möchte ich hier mal was versuchen.
Ich sehe es mit den Instrumenten auch wie Magnazeon, habe meinen Fokus erstmal jedoch nur auf die Räumlichkeit.

 

[magnazeon]

Das ergänzt sich tatsächlich. So manch virtuelles Instrument wird erst im richtigen Raum, an der richtigen Stelle zum Leben erweckt.

 

[Marc1610]

Video,

Version 1
Ist mehr Ausbalanciert Räumlich soweit ok.

Version 2
Da hab ich das Gefühl einen Stock in den Ohren zu haben mit dem man mir den Kopf links dreht, unangenehme Balance Tiefenstaffelung mmh, da finde ich es in der ersten Version wesentlich gelungener.

Manch Mittenfrequenz beißt mich schon mal ins Ohr.

Weist du wie echte Instrumente klingen?
Wenn ja dann erhalte die Natürlichkeit (Klang) und nutze nicht all zu viel Eq, meist klingen diese Dosen-Sounds doch schon brauchbar, wenn nicht dann layer ein Instrument dazu um es anzureichern, bevor du den Eq nutzt.

 

[junglebunny]

@Manoloco: Hier der Link zur Rohdatei:
Ikarus roh

Dazu habe ich im Anhang nochmal einen Ausschnitt als mp3 angefügt. Unkomprimiert geht leider nicht, da das die 1MB-Grenze überschreiten würde.


@Marc1610: Ich habe EQ-mäßig eigentlich nur im Mastering auf das gesamte Stück angewendet etwas gemacht. Die Instrumente kommen sonst genauso aus der Dose. Wie richtige Instrumente klingen, weiß ich zwar, weil ich viel Instrumentalmusik höre, aber mir fällt es sehr schwer, das bei meinen eigenen Stücken einzuordnen. Ich höre sie natürlich im Kompositonsprozess schon so oft, dass es mir schwer fällt, sie realistisch einzuordnen. Bei der allererster Version oben habe ich mich an dem Harry-Potter-Chamber-of-Secrets-Soundtrack orientiert, weil er eine mir von der Abmischung her gefiel. Ich habe also immer wieder hin und her gehört. Aber es fällt mir trotzdem schwer, deshalb brauche ich das Feedback auch irgendwie.